Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.wird es gewissen Leuten nie begreiflich machen, daß der poetische Gebrauch des Niedrigen und Rohen ganz etwas andres ist als eigne unmittelbare Gemeinheit und Plattheit. -- Eben so geht es wo der Dichter selbst redet; aus dem caballo de Gonela wird S. 12 die Kracke des Gonela, ein meines Wissens gar nicht Deutsches, sondern Niedersächsisches oder Plattdeutsches Wort. Bey der Rede des Don Quixote S. 163 müssen die Hirten mit aufgesperrten Mäulern sitzen, embobados y suspensos. Wird ein dickes Buch im Scherz eine Tonne genannt, so macht Herr S. einen Dickbauch daraus. Wird dem Rocinante das Sattelzeug gesprengt, so steht er in naturalibus da, und dergleichen Studentenwitz mehr. Jn Sancho's Reden findet man alle Augenblicke 'n Bissel und andre solche übervertrauliche Verstümmelungen, da doch die Spanische Sprache überhaupt nichts dem analoges hat. Wo sie nun lebhaft werden, oder wo niedrige Szenen geschildert sind, da wird aus perder, vor die Hunde gehen, aus espada, Sarras, aus tizona, mein Habedudieß, molimiento, Prügelsuppe, encantamentos, Verhextseyn, mal hadada, vertrackte; eine Matratze, die so dünn war, daß sie eine durchgenehte Decke schien, wird mit abgeschmackter Uebertreibung: kaum so dick wie ein Messerrücken, u. s. w. Kurz, es wimmelt alsdann von Ausdrücken und Vergleichungen, womit sich pöbelhafte Behaglichkeit eine Güte zu thun pflegt. Doch ich kann mich mit diesem ekelhaften Wust nicht länger befassen: mir ist dabey zu Muthe, als wenn die zarten wird es gewissen Leuten nie begreiflich machen, daß der poetische Gebrauch des Niedrigen und Rohen ganz etwas andres ist als eigne unmittelbare Gemeinheit und Plattheit. — Eben so geht es wo der Dichter selbst redet; aus dem caballo de Gonela wird S. 12 die Kracke des Gonela, ein meines Wissens gar nicht Deutsches, sondern Niedersaͤchsisches oder Plattdeutsches Wort. Bey der Rede des Don Quixote S. 163 muͤssen die Hirten mit aufgesperrten Maͤulern sitzen, embobados y suspensos. Wird ein dickes Buch im Scherz eine Tonne genannt, so macht Herr S. einen Dickbauch daraus. Wird dem Rocinante das Sattelzeug gesprengt, so steht er in naturalibus da, und dergleichen Studentenwitz mehr. Jn Sancho's Reden findet man alle Augenblicke 'n Bissel und andre solche uͤbervertrauliche Verstuͤmmelungen, da doch die Spanische Sprache uͤberhaupt nichts dem analoges hat. Wo sie nun lebhaft werden, oder wo niedrige Szenen geschildert sind, da wird aus perder, vor die Hunde gehen, aus espada, Sarras, aus tizona, mein Habedudieß, molimiento, Pruͤgelsuppe, encantamentos, Verhextseyn, mal hadada, vertrackte; eine Matratze, die so duͤnn war, daß sie eine durchgenehte Decke schien, wird mit abgeschmackter Uebertreibung: kaum so dick wie ein Messerruͤcken, u. s. w. Kurz, es wimmelt alsdann von Ausdruͤcken und Vergleichungen, womit sich poͤbelhafte Behaglichkeit eine Guͤte zu thun pflegt. Doch ich kann mich mit diesem ekelhaften Wust nicht laͤnger befassen: mir ist dabey zu Muthe, als wenn die zarten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0327" n="315"/> wird es gewissen Leuten nie begreiflich machen, daß der poetische Gebrauch des Niedrigen und Rohen ganz etwas andres ist als eigne unmittelbare Gemeinheit und Plattheit. — Eben so geht es wo der Dichter selbst redet; aus dem caballo de Gonela wird S. 12 die <hi rendition="#g">Kracke</hi> des Gonela, ein meines Wissens gar nicht Deutsches, sondern Niedersaͤchsisches oder Plattdeutsches Wort. Bey der Rede des Don Quixote S. 163 muͤssen die Hirten <hi rendition="#g">mit aufgesperrten Maͤulern</hi> sitzen, embobados y suspensos. Wird ein dickes Buch im Scherz eine Tonne genannt, so macht Herr S. einen <hi rendition="#g">Dickbauch</hi> daraus. Wird dem Rocinante das Sattelzeug gesprengt, so steht er in naturalibus da, und dergleichen Studentenwitz mehr. Jn Sancho's Reden findet man alle Augenblicke 'n <hi rendition="#g">Bissel</hi> und andre solche uͤbervertrauliche Verstuͤmmelungen, da doch die Spanische Sprache uͤberhaupt nichts dem analoges hat. Wo sie nun lebhaft werden, oder wo niedrige Szenen geschildert sind, da wird aus perder, vor die Hunde gehen, aus espada, Sarras, aus tizona, mein Habedudieß, molimiento, Pruͤgelsuppe, encantamentos, Verhextseyn, mal hadada, vertrackte; eine Matratze, die so duͤnn war, daß sie eine durchgenehte Decke schien, wird mit abgeschmackter Uebertreibung: kaum so dick wie ein Messerruͤcken, u. s. w. Kurz, es wimmelt alsdann von Ausdruͤcken und Vergleichungen, womit sich poͤbelhafte Behaglichkeit eine Guͤte zu thun pflegt. Doch ich kann mich mit diesem ekelhaften Wust nicht laͤnger befassen: mir ist dabey zu Muthe, als wenn die zarten </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [315/0327]
wird es gewissen Leuten nie begreiflich machen, daß der poetische Gebrauch des Niedrigen und Rohen ganz etwas andres ist als eigne unmittelbare Gemeinheit und Plattheit. — Eben so geht es wo der Dichter selbst redet; aus dem caballo de Gonela wird S. 12 die Kracke des Gonela, ein meines Wissens gar nicht Deutsches, sondern Niedersaͤchsisches oder Plattdeutsches Wort. Bey der Rede des Don Quixote S. 163 muͤssen die Hirten mit aufgesperrten Maͤulern sitzen, embobados y suspensos. Wird ein dickes Buch im Scherz eine Tonne genannt, so macht Herr S. einen Dickbauch daraus. Wird dem Rocinante das Sattelzeug gesprengt, so steht er in naturalibus da, und dergleichen Studentenwitz mehr. Jn Sancho's Reden findet man alle Augenblicke 'n Bissel und andre solche uͤbervertrauliche Verstuͤmmelungen, da doch die Spanische Sprache uͤberhaupt nichts dem analoges hat. Wo sie nun lebhaft werden, oder wo niedrige Szenen geschildert sind, da wird aus perder, vor die Hunde gehen, aus espada, Sarras, aus tizona, mein Habedudieß, molimiento, Pruͤgelsuppe, encantamentos, Verhextseyn, mal hadada, vertrackte; eine Matratze, die so duͤnn war, daß sie eine durchgenehte Decke schien, wird mit abgeschmackter Uebertreibung: kaum so dick wie ein Messerruͤcken, u. s. w. Kurz, es wimmelt alsdann von Ausdruͤcken und Vergleichungen, womit sich poͤbelhafte Behaglichkeit eine Guͤte zu thun pflegt. Doch ich kann mich mit diesem ekelhaften Wust nicht laͤnger befassen: mir ist dabey zu Muthe, als wenn die zarten
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