Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.zwey verschiedne alterniren zu lassen, nicht hat aufgeben wollen. Er verräth seine Unwissenheit in dieser Materie, wenn er bey Erklärung der Spanischen Strophe, die beyden Tercetts womit sie anfängt, Coplas, und die darauf folgenden zehn Zeilen eine Decima nennt; Namen, die ganz andern Versarten gewidmet sind. Auch ist diese Strophe gar nicht so einzig und seltsam wie er zu glauben scheint: der Anfang mit zwey Tercetts ist der gewöhnlichste bey einer Canzone, das besondre ist hier nur, daß kein einziger kürzerer Vers von sieben Sylben in der Strophe vorkommt, und dann der Schluß mit einem eingeschalteten Reime, da der gewöhnliche in zwey auf einander folgenden Reimzeilen besteht, welches beydes sich jedoch bey Dante und Petrarca findet. Herr S. meynt S. 488 was er nicht nachgeahmt, "verdiene nicht einheimisch bey uns zu werden." "Er glaubt nicht, S. 486, daß "es einem Deutschen, der von dem Genius und "von den wahren Schönheiten seiner Muttersprache "und ihrer Dichtung einen richtigen Begriff hat, ein"fallen könne, ein langes Gedicht, wie dieses, in lau"ter elfsylbigen Versen mit weiblichen Endungen zu "übersetzen" Da nun meinem Freunde Tieck und mir allerdings dieses und noch viel ärgere Dinge einfallen, so wissen wir, zu welcher Klasse von Deutschen wir gehören. Er belehrt uns, die Spanier und Jtaliäner müßten sich in Ansehung der Sylbenmaße behelfen, und erklärt somit die mit einer fast untrüglichen Feinheit des Ohres vorgenommne Wahl des Besten für Mangel und Beschränkung. Jn jenen Sprachen seyen zwey verschiedne alterniren zu lassen, nicht hat aufgeben wollen. Er verraͤth seine Unwissenheit in dieser Materie, wenn er bey Erklaͤrung der Spanischen Strophe, die beyden Tercetts womit sie anfaͤngt, Coplas, und die darauf folgenden zehn Zeilen eine Decima nennt; Namen, die ganz andern Versarten gewidmet sind. Auch ist diese Strophe gar nicht so einzig und seltsam wie er zu glauben scheint: der Anfang mit zwey Tercetts ist der gewoͤhnlichste bey einer Canzone, das besondre ist hier nur, daß kein einziger kuͤrzerer Vers von sieben Sylben in der Strophe vorkommt, und dann der Schluß mit einem eingeschalteten Reime, da der gewoͤhnliche in zwey auf einander folgenden Reimzeilen besteht, welches beydes sich jedoch bey Dante und Petrarca findet. Herr S. meynt S. 488 was er nicht nachgeahmt, “verdiene nicht einheimisch bey uns zu werden.” “Er glaubt nicht, S. 486, daß “es einem Deutschen, der von dem Genius und “von den wahren Schoͤnheiten seiner Muttersprache “und ihrer Dichtung einen richtigen Begriff hat, ein“fallen koͤnne, ein langes Gedicht, wie dieses, in lau“ter elfsylbigen Versen mit weiblichen Endungen zu “uͤbersetzen” Da nun meinem Freunde Tieck und mir allerdings dieses und noch viel aͤrgere Dinge einfallen, so wissen wir, zu welcher Klasse von Deutschen wir gehoͤren. Er belehrt uns, die Spanier und Jtaliaͤner muͤßten sich in Ansehung der Sylbenmaße behelfen, und erklaͤrt somit die mit einer fast untruͤglichen Feinheit des Ohres vorgenommne Wahl des Besten fuͤr Mangel und Beschraͤnkung. Jn jenen Sprachen seyen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0338" n="326"/> zwey verschiedne alterniren zu lassen, nicht hat aufgeben wollen. Er verraͤth seine Unwissenheit in dieser Materie, wenn er bey Erklaͤrung der Spanischen Strophe, die beyden Tercetts womit sie anfaͤngt, Coplas, und die darauf folgenden zehn Zeilen eine Decima nennt; Namen, die ganz andern Versarten gewidmet sind. Auch ist diese Strophe gar nicht so einzig und seltsam wie er zu glauben scheint: der Anfang mit zwey Tercetts ist der gewoͤhnlichste bey einer Canzone, das besondre ist hier nur, daß kein einziger kuͤrzerer Vers von sieben Sylben in der Strophe vorkommt, und dann der Schluß mit einem eingeschalteten Reime, da der gewoͤhnliche in zwey auf einander folgenden Reimzeilen besteht, welches beydes sich jedoch bey Dante und Petrarca findet. Herr S. meynt S. 488 was er nicht nachgeahmt, “verdiene nicht einheimisch bey uns zu werden.” “Er glaubt nicht, S. 486, daß “es einem Deutschen, der von dem <hi rendition="#g">Genius</hi> und “von den <hi rendition="#g">wahren</hi> Schoͤnheiten seiner Muttersprache “und ihrer Dichtung einen richtigen Begriff hat, ein“fallen koͤnne, ein langes Gedicht, wie dieses, in lau“ter elfsylbigen Versen mit weiblichen Endungen zu “uͤbersetzen” Da nun meinem Freunde Tieck und mir allerdings dieses und noch viel aͤrgere Dinge einfallen, so wissen wir, zu welcher Klasse von Deutschen wir gehoͤren. Er belehrt uns, die Spanier und Jtaliaͤner muͤßten sich in Ansehung der Sylbenmaße <hi rendition="#g">behelfen</hi>, und erklaͤrt somit die mit einer fast untruͤglichen Feinheit des Ohres vorgenommne Wahl des Besten fuͤr Mangel und Beschraͤnkung. Jn jenen Sprachen seyen </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [326/0338]
zwey verschiedne alterniren zu lassen, nicht hat aufgeben wollen. Er verraͤth seine Unwissenheit in dieser Materie, wenn er bey Erklaͤrung der Spanischen Strophe, die beyden Tercetts womit sie anfaͤngt, Coplas, und die darauf folgenden zehn Zeilen eine Decima nennt; Namen, die ganz andern Versarten gewidmet sind. Auch ist diese Strophe gar nicht so einzig und seltsam wie er zu glauben scheint: der Anfang mit zwey Tercetts ist der gewoͤhnlichste bey einer Canzone, das besondre ist hier nur, daß kein einziger kuͤrzerer Vers von sieben Sylben in der Strophe vorkommt, und dann der Schluß mit einem eingeschalteten Reime, da der gewoͤhnliche in zwey auf einander folgenden Reimzeilen besteht, welches beydes sich jedoch bey Dante und Petrarca findet. Herr S. meynt S. 488 was er nicht nachgeahmt, “verdiene nicht einheimisch bey uns zu werden.” “Er glaubt nicht, S. 486, daß “es einem Deutschen, der von dem Genius und “von den wahren Schoͤnheiten seiner Muttersprache “und ihrer Dichtung einen richtigen Begriff hat, ein“fallen koͤnne, ein langes Gedicht, wie dieses, in lau“ter elfsylbigen Versen mit weiblichen Endungen zu “uͤbersetzen” Da nun meinem Freunde Tieck und mir allerdings dieses und noch viel aͤrgere Dinge einfallen, so wissen wir, zu welcher Klasse von Deutschen wir gehoͤren. Er belehrt uns, die Spanier und Jtaliaͤner muͤßten sich in Ansehung der Sylbenmaße behelfen, und erklaͤrt somit die mit einer fast untruͤglichen Feinheit des Ohres vorgenommne Wahl des Besten fuͤr Mangel und Beschraͤnkung. Jn jenen Sprachen seyen
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