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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.

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Wo die Künstler eine Familie bilden, da sind Urversammlungen der Menschheit.



Die falsche Universalität ist die welche alle einzelne Bildungsarten abschleift und auf dem mittlern Durchschnitt beruht. Durch eine wahre Universalität würde im Gegentheil die Kunst zum Beyspiel noch künstlicher werden, als sie es vereinzelt seyn kann, die Poesie poetischer, die Kritik kritischer, die Historie historischer und so überhaupt. Diese Universalität kann entstehn, wenn der einfache Strahl der Religion und Moral ein Chaos des combinatorischen Witzes berührt und befruchtet. Da blüht von selbst die höchste Poesie und Philosophie.



Warum äußert sich das Höchste jetzt so oft als falsche Tendenz? -- Weil niemand sich selbst verstehen kann, der seine Genossen nicht versteht. Jhr müßt also erst glauben, daß ihr nicht allein seyd, ihr müßt überall unendlich viel ahnden und nicht müde werden den Sinn zu bilden, bis ihr zuletzt das Ursprüngliche und Wesentliche gefunden habt. Dann wird euch der Genius der Zeit erscheinen und wird euch leise andeuten was schicklich sey und was nicht.



Wer ein Höchstes tief in sich ahndet und nicht weiß wie er sichs deuten soll, der lese die Reden über die Religion, und was er fühlte wird ihm klar werden bis zum Wort und zur Rede.



Wo die Kuͤnstler eine Familie bilden, da sind Urversammlungen der Menschheit.



Die falsche Universalitaͤt ist die welche alle einzelne Bildungsarten abschleift und auf dem mittlern Durchschnitt beruht. Durch eine wahre Universalitaͤt wuͤrde im Gegentheil die Kunst zum Beyspiel noch kuͤnstlicher werden, als sie es vereinzelt seyn kann, die Poesie poetischer, die Kritik kritischer, die Historie historischer und so uͤberhaupt. Diese Universalitaͤt kann entstehn, wenn der einfache Strahl der Religion und Moral ein Chaos des combinatorischen Witzes beruͤhrt und befruchtet. Da bluͤht von selbst die hoͤchste Poesie und Philosophie.



Warum aͤußert sich das Hoͤchste jetzt so oft als falsche Tendenz? — Weil niemand sich selbst verstehen kann, der seine Genossen nicht versteht. Jhr muͤßt also erst glauben, daß ihr nicht allein seyd, ihr muͤßt uͤberall unendlich viel ahnden und nicht muͤde werden den Sinn zu bilden, bis ihr zuletzt das Urspruͤngliche und Wesentliche gefunden habt. Dann wird euch der Genius der Zeit erscheinen und wird euch leise andeuten was schicklich sey und was nicht.



Wer ein Hoͤchstes tief in sich ahndet und nicht weiß wie er sichs deuten soll, der lese die Reden uͤber die Religion, und was er fuͤhlte wird ihm klar werden bis zum Wort und zur Rede.



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[26/0034] Wo die Kuͤnstler eine Familie bilden, da sind Urversammlungen der Menschheit. Die falsche Universalitaͤt ist die welche alle einzelne Bildungsarten abschleift und auf dem mittlern Durchschnitt beruht. Durch eine wahre Universalitaͤt wuͤrde im Gegentheil die Kunst zum Beyspiel noch kuͤnstlicher werden, als sie es vereinzelt seyn kann, die Poesie poetischer, die Kritik kritischer, die Historie historischer und so uͤberhaupt. Diese Universalitaͤt kann entstehn, wenn der einfache Strahl der Religion und Moral ein Chaos des combinatorischen Witzes beruͤhrt und befruchtet. Da bluͤht von selbst die hoͤchste Poesie und Philosophie. Warum aͤußert sich das Hoͤchste jetzt so oft als falsche Tendenz? — Weil niemand sich selbst verstehen kann, der seine Genossen nicht versteht. Jhr muͤßt also erst glauben, daß ihr nicht allein seyd, ihr muͤßt uͤberall unendlich viel ahnden und nicht muͤde werden den Sinn zu bilden, bis ihr zuletzt das Urspruͤngliche und Wesentliche gefunden habt. Dann wird euch der Genius der Zeit erscheinen und wird euch leise andeuten was schicklich sey und was nicht. Wer ein Hoͤchstes tief in sich ahndet und nicht weiß wie er sichs deuten soll, der lese die Reden uͤber die Religion, und was er fuͤhlte wird ihm klar werden bis zum Wort und zur Rede.

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/34>, abgerufen am 29.04.2024.