Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

Mann in der Oberdeutschen Litteratur-Zeitung (vom 23sten August 1799) zeigt viel guten Willen meine Bemühungen anzuerkennen, allein das Schicksal hat ihm ein Exemplar des Englischen Shakspeare versagt, vermuthlich ist auch in der Provinz, worin er lebt, überhaupt keines vorhanden; er sagt daher mit lobenswürdiger Ehrlichkeit: "So viel sich Rec. "aus ehemaliger Lektüre des Englischen Originals er"innert, hat Herr Schlegel die Poesie des Dichters" u. s. w. Ein Recensent endlich in der bellettristischen Zeitung (11tes und 12tes St.) nimmt die Miene an, als wollte er wirklich auf die Sache gründlich eingehen, lobt mich mit majestätischer Unparteylichkeit, und tadelt mich hierauf mit vollkommner Gemüthsruhe. Freylich trifft der Tadel mehr den Shakspeare als mich: es läuft auf die schon so oft widerlegten Behauptungen hinaus, Shakspeare habe doch in einer sehr rohen und ungesitteten Zeit gelebt und sey leider sehr incorrekt, besonders habe er viel falschen Witz; man müsse ihn also würdiger machen in einem so überaus feingesponnenen und vortrefflichen Zeitalter wie das unsrige zu erscheinen, und ihn ganz leise in die Popesche Mäßigung, Artigkeit und Glätte hinüberarbeiten. Wer nicht einsieht, daß Shakspeare auch in Handhabung der Sprache und des Versbaues Pope'n so weit überlegen ist, wie alles dem gar nichts, daß alle die vermeynten Anstöße und Abweichungen bey jenem bedeutend und ausdrucksvoll sind und zum Wesen der Sache gehören: der versteht noch gar nichts vom Shakspeare, und ich darf sagen, überhaupt

Mann in der Oberdeutschen Litteratur-Zeitung (vom 23sten August 1799) zeigt viel guten Willen meine Bemuͤhungen anzuerkennen, allein das Schicksal hat ihm ein Exemplar des Englischen Shakspeare versagt, vermuthlich ist auch in der Provinz, worin er lebt, uͤberhaupt keines vorhanden; er sagt daher mit lobenswuͤrdiger Ehrlichkeit: “So viel sich Rec. “aus ehemaliger Lektuͤre des Englischen Originals er“innert, hat Herr Schlegel die Poesie des Dichters” u. s. w. Ein Recensent endlich in der bellettristischen Zeitung (11tes und 12tes St.) nimmt die Miene an, als wollte er wirklich auf die Sache gruͤndlich eingehen, lobt mich mit majestaͤtischer Unparteylichkeit, und tadelt mich hierauf mit vollkommner Gemuͤthsruhe. Freylich trifft der Tadel mehr den Shakspeare als mich: es laͤuft auf die schon so oft widerlegten Behauptungen hinaus, Shakspeare habe doch in einer sehr rohen und ungesitteten Zeit gelebt und sey leider sehr incorrekt, besonders habe er viel falschen Witz; man muͤsse ihn also wuͤrdiger machen in einem so uͤberaus feingesponnenen und vortrefflichen Zeitalter wie das unsrige zu erscheinen, und ihn ganz leise in die Popesche Maͤßigung, Artigkeit und Glaͤtte hinuͤberarbeiten. Wer nicht einsieht, daß Shakspeare auch in Handhabung der Sprache und des Versbaues Pope'n so weit uͤberlegen ist, wie alles dem gar nichts, daß alle die vermeynten Anstoͤße und Abweichungen bey jenem bedeutend und ausdrucksvoll sind und zum Wesen der Sache gehoͤren: der versteht noch gar nichts vom Shakspeare, und ich darf sagen, uͤberhaupt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0342" n="330"/>
Mann in der <hi rendition="#g">Oberdeutschen Litteratur-Zeitung</hi> (vom 23sten August 1799) zeigt viel guten Willen meine Bemu&#x0364;hungen anzuerkennen, allein das Schicksal hat ihm ein Exemplar des Englischen Shakspeare versagt, vermuthlich ist auch in der Provinz, worin er lebt, u&#x0364;berhaupt keines vorhanden; er sagt daher mit lobenswu&#x0364;rdiger Ehrlichkeit: &#x201C;So viel sich Rec. &#x201C;aus ehemaliger Lektu&#x0364;re des Englischen Originals er&#x201C;innert, hat Herr Schlegel die Poesie des Dichters&#x201D; u. s. w. Ein Recensent endlich in der <hi rendition="#g">bellettristischen Zeitung</hi> (11tes und 12tes St.) nimmt die Miene an, als wollte er wirklich auf die Sache gru&#x0364;ndlich eingehen, lobt mich mit majesta&#x0364;tischer Unparteylichkeit, und tadelt mich hierauf mit vollkommner Gemu&#x0364;thsruhe. Freylich trifft der Tadel mehr den Shakspeare als mich: es la&#x0364;uft auf die schon so oft widerlegten Behauptungen hinaus, Shakspeare habe doch in einer sehr rohen und ungesitteten Zeit gelebt und sey leider sehr incorrekt, besonders habe er viel falschen Witz; man mu&#x0364;sse ihn also wu&#x0364;rdiger machen in einem so u&#x0364;beraus feingesponnenen und vortrefflichen Zeitalter wie das unsrige zu erscheinen, und ihn ganz leise in die Popesche Ma&#x0364;ßigung, Artigkeit und Gla&#x0364;tte hinu&#x0364;berarbeiten. Wer nicht einsieht, daß Shakspeare auch in Handhabung der Sprache und des Versbaues Pope'n so weit u&#x0364;berlegen ist, wie alles dem gar nichts, daß alle die vermeynten Ansto&#x0364;ße und Abweichungen bey jenem bedeutend und ausdrucksvoll sind und zum Wesen der Sache geho&#x0364;ren: der versteht noch gar nichts vom Shakspeare, und ich darf sagen, u&#x0364;berhaupt
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[330/0342] Mann in der Oberdeutschen Litteratur-Zeitung (vom 23sten August 1799) zeigt viel guten Willen meine Bemuͤhungen anzuerkennen, allein das Schicksal hat ihm ein Exemplar des Englischen Shakspeare versagt, vermuthlich ist auch in der Provinz, worin er lebt, uͤberhaupt keines vorhanden; er sagt daher mit lobenswuͤrdiger Ehrlichkeit: “So viel sich Rec. “aus ehemaliger Lektuͤre des Englischen Originals er“innert, hat Herr Schlegel die Poesie des Dichters” u. s. w. Ein Recensent endlich in der bellettristischen Zeitung (11tes und 12tes St.) nimmt die Miene an, als wollte er wirklich auf die Sache gruͤndlich eingehen, lobt mich mit majestaͤtischer Unparteylichkeit, und tadelt mich hierauf mit vollkommner Gemuͤthsruhe. Freylich trifft der Tadel mehr den Shakspeare als mich: es laͤuft auf die schon so oft widerlegten Behauptungen hinaus, Shakspeare habe doch in einer sehr rohen und ungesitteten Zeit gelebt und sey leider sehr incorrekt, besonders habe er viel falschen Witz; man muͤsse ihn also wuͤrdiger machen in einem so uͤberaus feingesponnenen und vortrefflichen Zeitalter wie das unsrige zu erscheinen, und ihn ganz leise in die Popesche Maͤßigung, Artigkeit und Glaͤtte hinuͤberarbeiten. Wer nicht einsieht, daß Shakspeare auch in Handhabung der Sprache und des Versbaues Pope'n so weit uͤberlegen ist, wie alles dem gar nichts, daß alle die vermeynten Anstoͤße und Abweichungen bey jenem bedeutend und ausdrucksvoll sind und zum Wesen der Sache gehoͤren: der versteht noch gar nichts vom Shakspeare, und ich darf sagen, uͤberhaupt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/342
Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/342>, abgerufen am 07.06.2024.