Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.nichts von der Poesie. Wie sollte dieß auch unser Kritiker, da er eigentlich auf der Höhe jener Zeiten steht, wo man den höchsten Lobspruch ertheilte, wenn man sagte: der Mann schreibt seinen reinen und fließenden Vers. Er findet die meinigen holprig, nach der Voraussetzung daß beständig eine kurze Sylbe mit einer langen wechseln müsse, welches fürs erste strenge genommen unmöglich ist, und demnächst äußerst fehlerhaft seyn würde. Zur Nachbildung der alten Sylbenmaße ist der Rigorismus in Ansehung der Quantität durchaus erforderlich; in gereimten Versen aber (und die reimfreyen Jamben behalten völlig die Natur derselben) ist eigentlich gar nicht von Quantität die Rede, sondern von accentuirten und nicht accentuirten Sylben, und den Stellen wo jene am vortheilhaftesten stehen. Ueberhaupt werden sie sehr uneigentlich Jamben genannt, man sollte sagen: zehnsylbige Verse mit männlichem Schluß, elfsylbige mit weiblichem u. s. w. Da es gar stark die Absicht ist, im dramatischen Fach besonders nach Shakspeare's Vorbilde, in andern Gattungen nach den Spaniern und Jtaliänern von der bisherigen seelenlosen Behandlung der sogenannten Jamben immer mehr abzuweichen, und der Anstoß, den dieß zwar nicht dem Gehör unbefangener Leser, aber der kleinen Kenntniß der korrekten Kritiker geben wird, nur durch Wegräumung jener prosodischen Vorurtheile gehoben werden kann, so werde ich mich schon einmal zu diesen bisher nur leicht berührten (Athen. B. II. S. 283 und B. III. S. 157.) Erörterungen entschließen müssen, wenn sonst niemand die trockne Mühe übernehmen will. nichts von der Poesie. Wie sollte dieß auch unser Kritiker, da er eigentlich auf der Hoͤhe jener Zeiten steht, wo man den hoͤchsten Lobspruch ertheilte, wenn man sagte: der Mann schreibt seinen reinen und fließenden Vers. Er findet die meinigen holprig, nach der Voraussetzung daß bestaͤndig eine kurze Sylbe mit einer langen wechseln muͤsse, welches fuͤrs erste strenge genommen unmoͤglich ist, und demnaͤchst aͤußerst fehlerhaft seyn wuͤrde. Zur Nachbildung der alten Sylbenmaße ist der Rigorismus in Ansehung der Quantitaͤt durchaus erforderlich; in gereimten Versen aber (und die reimfreyen Jamben behalten voͤllig die Natur derselben) ist eigentlich gar nicht von Quantitaͤt die Rede, sondern von accentuirten und nicht accentuirten Sylben, und den Stellen wo jene am vortheilhaftesten stehen. Ueberhaupt werden sie sehr uneigentlich Jamben genannt, man sollte sagen: zehnsylbige Verse mit maͤnnlichem Schluß, elfsylbige mit weiblichem u. s. w. Da es gar stark die Absicht ist, im dramatischen Fach besonders nach Shakspeare's Vorbilde, in andern Gattungen nach den Spaniern und Jtaliaͤnern von der bisherigen seelenlosen Behandlung der sogenannten Jamben immer mehr abzuweichen, und der Anstoß, den dieß zwar nicht dem Gehoͤr unbefangener Leser, aber der kleinen Kenntniß der korrekten Kritiker geben wird, nur durch Wegraͤumung jener prosodischen Vorurtheile gehoben werden kann, so werde ich mich schon einmal zu diesen bisher nur leicht beruͤhrten (Athen. B. II. S. 283 und B. III. S. 157.) Eroͤrterungen entschließen muͤssen, wenn sonst niemand die trockne Muͤhe uͤbernehmen will. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0343" n="331"/> nichts von der Poesie. Wie sollte dieß auch unser Kritiker, da er eigentlich auf der Hoͤhe jener Zeiten steht, wo man den hoͤchsten Lobspruch ertheilte, wenn man sagte: der Mann schreibt seinen reinen und fließenden Vers. Er findet die meinigen holprig, nach der Voraussetzung daß bestaͤndig eine kurze Sylbe mit einer langen wechseln muͤsse, welches fuͤrs erste strenge genommen unmoͤglich ist, und demnaͤchst aͤußerst fehlerhaft seyn wuͤrde. Zur Nachbildung der alten Sylbenmaße ist der Rigorismus in Ansehung der Quantitaͤt durchaus erforderlich; in gereimten Versen aber (und die reimfreyen Jamben behalten voͤllig die Natur derselben) ist eigentlich gar nicht von Quantitaͤt die Rede, sondern von accentuirten und nicht accentuirten Sylben, und den Stellen wo jene am vortheilhaftesten stehen. Ueberhaupt werden sie sehr uneigentlich Jamben genannt, man sollte sagen: zehnsylbige Verse mit maͤnnlichem Schluß, elfsylbige mit weiblichem u. s. w. Da es gar stark die Absicht ist, im dramatischen Fach besonders nach Shakspeare's Vorbilde, in andern Gattungen nach den Spaniern und Jtaliaͤnern von der bisherigen seelenlosen Behandlung der sogenannten Jamben immer mehr abzuweichen, und der Anstoß, den dieß zwar nicht dem Gehoͤr unbefangener Leser, aber der kleinen Kenntniß der korrekten Kritiker geben wird, nur durch Wegraͤumung jener prosodischen Vorurtheile gehoben werden kann, so werde ich mich schon einmal zu diesen bisher nur leicht beruͤhrten (Athen. B. <hi rendition="#aq">II.</hi> S. 283 und B. <hi rendition="#aq">III.</hi> S. 157.) Eroͤrterungen entschließen muͤssen, wenn sonst niemand die trockne Muͤhe uͤbernehmen will.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [331/0343]
nichts von der Poesie. Wie sollte dieß auch unser Kritiker, da er eigentlich auf der Hoͤhe jener Zeiten steht, wo man den hoͤchsten Lobspruch ertheilte, wenn man sagte: der Mann schreibt seinen reinen und fließenden Vers. Er findet die meinigen holprig, nach der Voraussetzung daß bestaͤndig eine kurze Sylbe mit einer langen wechseln muͤsse, welches fuͤrs erste strenge genommen unmoͤglich ist, und demnaͤchst aͤußerst fehlerhaft seyn wuͤrde. Zur Nachbildung der alten Sylbenmaße ist der Rigorismus in Ansehung der Quantitaͤt durchaus erforderlich; in gereimten Versen aber (und die reimfreyen Jamben behalten voͤllig die Natur derselben) ist eigentlich gar nicht von Quantitaͤt die Rede, sondern von accentuirten und nicht accentuirten Sylben, und den Stellen wo jene am vortheilhaftesten stehen. Ueberhaupt werden sie sehr uneigentlich Jamben genannt, man sollte sagen: zehnsylbige Verse mit maͤnnlichem Schluß, elfsylbige mit weiblichem u. s. w. Da es gar stark die Absicht ist, im dramatischen Fach besonders nach Shakspeare's Vorbilde, in andern Gattungen nach den Spaniern und Jtaliaͤnern von der bisherigen seelenlosen Behandlung der sogenannten Jamben immer mehr abzuweichen, und der Anstoß, den dieß zwar nicht dem Gehoͤr unbefangener Leser, aber der kleinen Kenntniß der korrekten Kritiker geben wird, nur durch Wegraͤumung jener prosodischen Vorurtheile gehoben werden kann, so werde ich mich schon einmal zu diesen bisher nur leicht beruͤhrten (Athen. B. II. S. 283 und B. III. S. 157.) Eroͤrterungen entschließen muͤssen, wenn sonst niemand die trockne Muͤhe uͤbernehmen will.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |