Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.allem Gemeinen absonderte und isolirte; auf das Werk, was alle Absicht göttlich überschreitet, und dessen Absicht keiner zu Ende lernen wird; auf die Fähigkeit, das Vollendete was mir entgegen ist, anzubeten; auf das Bewußtseyn, daß ich die Genossen in ihrer eigensten Wirksamkeit zu beleben vermag, daß alles was sie bilden Gewinn ist für mich. Die Andacht der Philosophen ist Theorie, reine Anschauung des Göttlichen, besonnen, ruhig und heiter in stiller Einsamkeit. Spinosa ist das Jdeal dafür. Der religiöse Zustand des Poeten ist leidenschaftlicher und mittheilender. Das Ursprüngliche ist Enthusiasmus, am Ende bleibt Mythologie. Was in der Mitte liegt, hat den Charakter des Lebens bis zur Geschlechtsverschiedenheit. Mysterien sind, wie schon gesagt, weiblich; Orgien wollen in fröhlicher Ausgelassenheit der männlichen Kraft alles um sich her überwinden oder befruchten. Eben weil das Christenthum eine Religion des Todes ist, ließe es sich mit dem äußersten Realismus behandeln, und könnte seine Orgien haben so gut wie die alte Religion der Natur und des Lebens. Es giebt keine Selbstkenntniß als die historische. Niemand weiß was er ist, wer nicht weiß was seine Genossen sind, vor allen der höchste Genosse des Bundes, der Meister der Meister, der Genius des Zeitalters. allem Gemeinen absonderte und isolirte; auf das Werk, was alle Absicht goͤttlich uͤberschreitet, und dessen Absicht keiner zu Ende lernen wird; auf die Faͤhigkeit, das Vollendete was mir entgegen ist, anzubeten; auf das Bewußtseyn, daß ich die Genossen in ihrer eigensten Wirksamkeit zu beleben vermag, daß alles was sie bilden Gewinn ist fuͤr mich. Die Andacht der Philosophen ist Theorie, reine Anschauung des Goͤttlichen, besonnen, ruhig und heiter in stiller Einsamkeit. Spinosa ist das Jdeal dafuͤr. Der religioͤse Zustand des Poeten ist leidenschaftlicher und mittheilender. Das Urspruͤngliche ist Enthusiasmus, am Ende bleibt Mythologie. Was in der Mitte liegt, hat den Charakter des Lebens bis zur Geschlechtsverschiedenheit. Mysterien sind, wie schon gesagt, weiblich; Orgien wollen in froͤhlicher Ausgelassenheit der maͤnnlichen Kraft alles um sich her uͤberwinden oder befruchten. Eben weil das Christenthum eine Religion des Todes ist, ließe es sich mit dem aͤußersten Realismus behandeln, und koͤnnte seine Orgien haben so gut wie die alte Religion der Natur und des Lebens. Es giebt keine Selbstkenntniß als die historische. Niemand weiß was er ist, wer nicht weiß was seine Genossen sind, vor allen der hoͤchste Genosse des Bundes, der Meister der Meister, der Genius des Zeitalters. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0037" n="29"/> allem Gemeinen absonderte und isolirte; auf das Werk, was alle Absicht goͤttlich uͤberschreitet, und dessen Absicht keiner zu Ende lernen wird; auf die Faͤhigkeit, das Vollendete was mir entgegen ist, anzubeten; auf das Bewußtseyn, daß ich die Genossen in ihrer eigensten Wirksamkeit zu beleben vermag, daß alles was sie bilden Gewinn ist fuͤr mich.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Die Andacht der Philosophen ist Theorie, reine Anschauung des Goͤttlichen, besonnen, ruhig und heiter in stiller Einsamkeit. Spinosa ist das Jdeal dafuͤr. Der religioͤse Zustand des Poeten ist leidenschaftlicher und mittheilender. Das Urspruͤngliche ist Enthusiasmus, am Ende bleibt Mythologie. Was in der Mitte liegt, hat den Charakter des Lebens bis zur Geschlechtsverschiedenheit. Mysterien sind, wie schon gesagt, weiblich; Orgien wollen in froͤhlicher Ausgelassenheit der maͤnnlichen Kraft alles um sich her uͤberwinden oder befruchten.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Eben weil das Christenthum eine Religion des Todes ist, ließe es sich mit dem aͤußersten Realismus behandeln, und koͤnnte seine Orgien haben so gut wie die alte Religion der Natur und des Lebens.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Es giebt keine Selbstkenntniß als die historische. Niemand weiß was er ist, wer nicht weiß was seine Genossen sind, vor allen der hoͤchste Genosse des Bundes, der Meister der Meister, der Genius des Zeitalters.</p><lb/><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [29/0037]
allem Gemeinen absonderte und isolirte; auf das Werk, was alle Absicht goͤttlich uͤberschreitet, und dessen Absicht keiner zu Ende lernen wird; auf die Faͤhigkeit, das Vollendete was mir entgegen ist, anzubeten; auf das Bewußtseyn, daß ich die Genossen in ihrer eigensten Wirksamkeit zu beleben vermag, daß alles was sie bilden Gewinn ist fuͤr mich.
Die Andacht der Philosophen ist Theorie, reine Anschauung des Goͤttlichen, besonnen, ruhig und heiter in stiller Einsamkeit. Spinosa ist das Jdeal dafuͤr. Der religioͤse Zustand des Poeten ist leidenschaftlicher und mittheilender. Das Urspruͤngliche ist Enthusiasmus, am Ende bleibt Mythologie. Was in der Mitte liegt, hat den Charakter des Lebens bis zur Geschlechtsverschiedenheit. Mysterien sind, wie schon gesagt, weiblich; Orgien wollen in froͤhlicher Ausgelassenheit der maͤnnlichen Kraft alles um sich her uͤberwinden oder befruchten.
Eben weil das Christenthum eine Religion des Todes ist, ließe es sich mit dem aͤußersten Realismus behandeln, und koͤnnte seine Orgien haben so gut wie die alte Religion der Natur und des Lebens.
Es giebt keine Selbstkenntniß als die historische. Niemand weiß was er ist, wer nicht weiß was seine Genossen sind, vor allen der hoͤchste Genosse des Bundes, der Meister der Meister, der Genius des Zeitalters.
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