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Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808.

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ken wir uns auch nur auf die Hauptbegriffe der
indischen Götterlehre, die so stark gezeichnet aus
derselben hervortreten, daß auch was wir jetzt
haben hinreicht, um ihre wesentliche Bedeutung
nicht ganz zu verkennen.

Am vortheilhaftesten und schönsten stellt sich
das System der Emanation dar, wenn wir es
als Lehre der Rückkehr betrachten. Von
dem göttlichen Ursprung des Menschen nimmt
es überall Anlaß ihn an die Rückkehr zu erin-
nern, und sich die Wiedervereinigung mit der
Gottheit als einzigen Zweck aller seiner Hand-
lungen und Bestrebungen zu setzen. Daher die
heilige Bedeutung so mancher indischen Gesetze,
Sitten und Gebräuche, und der erhabene Ernst
ihrer ganzen Lebenseinrichtung. Doch mag der
Geist schon frühe entflohen sein, so daß es nur
todte Gebräuche und Bußübungen blieben; auch
frühe schon sich Aberglauben und Irrthum bei-
gemischt haben.

Nach der in diesem System herrschenden
Ansicht von der Abstufung und den Geschlechten
der in so mannichfacher Gestalt eingehüllten le-
bendigen Wesen, ihrer allmähligen Annäherung

ken wir uns auch nur auf die Hauptbegriffe der
indiſchen Goͤtterlehre, die ſo ſtark gezeichnet aus
derſelben hervortreten, daß auch was wir jetzt
haben hinreicht, um ihre weſentliche Bedeutung
nicht ganz zu verkennen.

Am vortheilhafteſten und ſchoͤnſten ſtellt ſich
das Syſtem der Emanation dar, wenn wir es
als Lehre der Ruͤckkehr betrachten. Von
dem goͤttlichen Urſprung des Menſchen nimmt
es uͤberall Anlaß ihn an die Ruͤckkehr zu erin-
nern, und ſich die Wiedervereinigung mit der
Gottheit als einzigen Zweck aller ſeiner Hand-
lungen und Beſtrebungen zu ſetzen. Daher die
heilige Bedeutung ſo mancher indiſchen Geſetze,
Sitten und Gebraͤuche, und der erhabene Ernſt
ihrer ganzen Lebenseinrichtung. Doch mag der
Geiſt ſchon fruͤhe entflohen ſein, ſo daß es nur
todte Gebraͤuche und Bußuͤbungen blieben; auch
fruͤhe ſchon ſich Aberglauben und Irrthum bei-
gemiſcht haben.

Nach der in dieſem Syſtem herrſchenden
Anſicht von der Abſtufung und den Geſchlechten
der in ſo mannichfacher Geſtalt eingehuͤllten le-
bendigen Weſen, ihrer allmaͤhligen Annaͤherung

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[110/0129] ken wir uns auch nur auf die Hauptbegriffe der indiſchen Goͤtterlehre, die ſo ſtark gezeichnet aus derſelben hervortreten, daß auch was wir jetzt haben hinreicht, um ihre weſentliche Bedeutung nicht ganz zu verkennen. Am vortheilhafteſten und ſchoͤnſten ſtellt ſich das Syſtem der Emanation dar, wenn wir es als Lehre der Ruͤckkehr betrachten. Von dem goͤttlichen Urſprung des Menſchen nimmt es uͤberall Anlaß ihn an die Ruͤckkehr zu erin- nern, und ſich die Wiedervereinigung mit der Gottheit als einzigen Zweck aller ſeiner Hand- lungen und Beſtrebungen zu ſetzen. Daher die heilige Bedeutung ſo mancher indiſchen Geſetze, Sitten und Gebraͤuche, und der erhabene Ernſt ihrer ganzen Lebenseinrichtung. Doch mag der Geiſt ſchon fruͤhe entflohen ſein, ſo daß es nur todte Gebraͤuche und Bußuͤbungen blieben; auch fruͤhe ſchon ſich Aberglauben und Irrthum bei- gemiſcht haben. Nach der in dieſem Syſtem herrſchenden Anſicht von der Abſtufung und den Geſchlechten der in ſo mannichfacher Geſtalt eingehuͤllten le- bendigen Weſen, ihrer allmaͤhligen Annaͤherung

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Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/129>, abgerufen am 23.11.2024.