dieser Mängel wird man der intellectuellen Reli- gion der Perser, nächst der christlichen Lehre, so wie diese im alten Testamente vorbereitet, im neuen ausgeführt und vollendet ist, leicht den Vorzug der Erhabenheit und relativen Wahrheit vor allen andern orientalischen Denkarten, wenig- stens in moralischer Rücksicht, zuerkennen.
Der Pantheismus hebt den Unterschied des Guten und Bösen unvermeidlich auf, so sehr er sich auch in Worten dagegen sträuben mag; das System der Emanation erdrückt den freien Muth, durch das Gefühl unendlicher verborgner Schuld und den Glauben, daß alles böse und auf Ewigkeiten hin unseelig sey; die Lehre von den zwei Principien und dem Kampf des Guten und Bösen hält das Mittel zwischen diesen bei- den Extremen, und ist selbst ein mächtiger An- trieb zu gleichem Kampf, eine unversiegliche Quelle sittlichen Lebens. Welches auch der verborgene Ursprung dieser Lehre und dieses Systems sein mag, das sich vielleicht an die älteste Wahrheit anschließt, denn Zerdusht war nur Wiederhersteller derselben, und auch als solcher wohl schwerlich der erste; verehrungs-
dieſer Maͤngel wird man der intellectuellen Reli- gion der Perſer, naͤchſt der chriſtlichen Lehre, ſo wie dieſe im alten Teſtamente vorbereitet, im neuen ausgefuͤhrt und vollendet iſt, leicht den Vorzug der Erhabenheit und relativen Wahrheit vor allen andern orientaliſchen Denkarten, wenig- ſtens in moraliſcher Ruͤckſicht, zuerkennen.
Der Pantheismus hebt den Unterſchied des Guten und Boͤſen unvermeidlich auf, ſo ſehr er ſich auch in Worten dagegen ſtraͤuben mag; das Syſtem der Emanation erdruͤckt den freien Muth, durch das Gefuͤhl unendlicher verborgner Schuld und den Glauben, daß alles boͤſe und auf Ewigkeiten hin unſeelig ſey; die Lehre von den zwei Principien und dem Kampf des Guten und Boͤſen haͤlt das Mittel zwiſchen dieſen bei- den Extremen, und iſt ſelbſt ein maͤchtiger An- trieb zu gleichem Kampf, eine unverſiegliche Quelle ſittlichen Lebens. Welches auch der verborgene Urſprung dieſer Lehre und dieſes Syſtems ſein mag, das ſich vielleicht an die aͤlteſte Wahrheit anſchließt, denn Zerduſht war nur Wiederherſteller derſelben, und auch als ſolcher wohl ſchwerlich der erſte; verehrungs-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0146"n="127"/>
dieſer Maͤngel wird man der intellectuellen Reli-<lb/>
gion der Perſer, naͤchſt der chriſtlichen Lehre, ſo<lb/>
wie dieſe im alten Teſtamente vorbereitet, im<lb/>
neuen ausgefuͤhrt und vollendet iſt, leicht den<lb/>
Vorzug der Erhabenheit und relativen Wahrheit<lb/>
vor allen andern orientaliſchen Denkarten, wenig-<lb/>ſtens in moraliſcher Ruͤckſicht, zuerkennen.</p><lb/><p>Der Pantheismus hebt den Unterſchied des<lb/>
Guten und Boͤſen unvermeidlich auf, ſo ſehr<lb/>
er ſich auch in Worten dagegen ſtraͤuben mag;<lb/>
das Syſtem der Emanation erdruͤckt den freien<lb/>
Muth, durch das Gefuͤhl unendlicher verborgner<lb/>
Schuld und den Glauben, daß alles boͤſe und<lb/>
auf Ewigkeiten hin unſeelig ſey; die Lehre von<lb/>
den zwei Principien und dem Kampf des Guten<lb/>
und Boͤſen haͤlt das Mittel zwiſchen dieſen bei-<lb/>
den Extremen, und iſt ſelbſt ein maͤchtiger An-<lb/>
trieb zu gleichem Kampf, eine unverſiegliche<lb/>
Quelle ſittlichen Lebens. Welches auch der<lb/>
verborgene Urſprung dieſer Lehre und dieſes<lb/>
Syſtems ſein mag, das ſich vielleicht an die<lb/>
aͤlteſte Wahrheit anſchließt, denn Zerduſht war<lb/>
nur Wiederherſteller derſelben, und auch als<lb/>ſolcher wohl ſchwerlich der erſte; verehrungs-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[127/0146]
dieſer Maͤngel wird man der intellectuellen Reli-
gion der Perſer, naͤchſt der chriſtlichen Lehre, ſo
wie dieſe im alten Teſtamente vorbereitet, im
neuen ausgefuͤhrt und vollendet iſt, leicht den
Vorzug der Erhabenheit und relativen Wahrheit
vor allen andern orientaliſchen Denkarten, wenig-
ſtens in moraliſcher Ruͤckſicht, zuerkennen.
Der Pantheismus hebt den Unterſchied des
Guten und Boͤſen unvermeidlich auf, ſo ſehr
er ſich auch in Worten dagegen ſtraͤuben mag;
das Syſtem der Emanation erdruͤckt den freien
Muth, durch das Gefuͤhl unendlicher verborgner
Schuld und den Glauben, daß alles boͤſe und
auf Ewigkeiten hin unſeelig ſey; die Lehre von
den zwei Principien und dem Kampf des Guten
und Boͤſen haͤlt das Mittel zwiſchen dieſen bei-
den Extremen, und iſt ſelbſt ein maͤchtiger An-
trieb zu gleichem Kampf, eine unverſiegliche
Quelle ſittlichen Lebens. Welches auch der
verborgene Urſprung dieſer Lehre und dieſes
Syſtems ſein mag, das ſich vielleicht an die
aͤlteſte Wahrheit anſchließt, denn Zerduſht war
nur Wiederherſteller derſelben, und auch als
ſolcher wohl ſchwerlich der erſte; verehrungs-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/146>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.