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Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808.

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einen zwiefachen Ursprung; der eine ist durchaus
natürlich, indem das Gefühl bei wilden, wie noch
bei gebildeten Menschen, sich überall in Gesang
aushaucht. Aber es giebt noch einen andern
mythischen Bestandtheil der alten Poesie, der
nicht so einfach zu erklären ist; hier kann man
nicht sagen wie bei jener bloßen Naturpoesie
des Gefühls: daß dieß eben so überall von selbst
und immer wieder von neuem entstanden sei,
und noch entstehe; es ist ein tiefer Zusammen-
hang in diesem alten Gewebe der Fantasie.

Aus dem immer noch durch den Gedanken
des Unendlichen und Göttlichen befruchteten Na-
turdienst und Aberglauben, ging zuerst die Fülle
der ursprünglich wilden und riesenhaften Dichtung
hervor; als das schöne Licht einer sanftern und
edlern Begeistrung hinzukam, ward die rauhe
Fabel durch eben diese Milderung zur Poesie.
Grade dies ist auch der Charakter der griechi-
schen Dichter, nehmlich derjenigen, die es ganz
sind, in denen die Fülle und Kraft der alten
Fabel noch lebendig wirkt, und die Mythologie
noch nicht zu einem bloßen Bilderspiel der Dich-
tersprache verdunstet ist.

einen zwiefachen Urſprung; der eine iſt durchaus
natuͤrlich, indem das Gefuͤhl bei wilden, wie noch
bei gebildeten Menſchen, ſich uͤberall in Geſang
aushaucht. Aber es giebt noch einen andern
mythiſchen Beſtandtheil der alten Poeſie, der
nicht ſo einfach zu erklaͤren iſt; hier kann man
nicht ſagen wie bei jener bloßen Naturpoeſie
des Gefuͤhls: daß dieß eben ſo uͤberall von ſelbſt
und immer wieder von neuem entſtanden ſei,
und noch entſtehe; es iſt ein tiefer Zuſammen-
hang in dieſem alten Gewebe der Fantaſie.

Aus dem immer noch durch den Gedanken
des Unendlichen und Goͤttlichen befruchteten Na-
turdienſt und Aberglauben, ging zuerſt die Fuͤlle
der urſpruͤnglich wilden und rieſenhaften Dichtung
hervor; als das ſchoͤne Licht einer ſanftern und
edlern Begeiſtrung hinzukam, ward die rauhe
Fabel durch eben dieſe Milderung zur Poeſie.
Grade dies iſt auch der Charakter der griechi-
ſchen Dichter, nehmlich derjenigen, die es ganz
ſind, in denen die Fuͤlle und Kraft der alten
Fabel noch lebendig wirkt, und die Mythologie
noch nicht zu einem bloßen Bilderſpiel der Dich-
terſprache verdunſtet iſt.

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[162/0181] einen zwiefachen Urſprung; der eine iſt durchaus natuͤrlich, indem das Gefuͤhl bei wilden, wie noch bei gebildeten Menſchen, ſich uͤberall in Geſang aushaucht. Aber es giebt noch einen andern mythiſchen Beſtandtheil der alten Poeſie, der nicht ſo einfach zu erklaͤren iſt; hier kann man nicht ſagen wie bei jener bloßen Naturpoeſie des Gefuͤhls: daß dieß eben ſo uͤberall von ſelbſt und immer wieder von neuem entſtanden ſei, und noch entſtehe; es iſt ein tiefer Zuſammen- hang in dieſem alten Gewebe der Fantaſie. Aus dem immer noch durch den Gedanken des Unendlichen und Goͤttlichen befruchteten Na- turdienſt und Aberglauben, ging zuerſt die Fuͤlle der urſpruͤnglich wilden und rieſenhaften Dichtung hervor; als das ſchoͤne Licht einer ſanftern und edlern Begeiſtrung hinzukam, ward die rauhe Fabel durch eben dieſe Milderung zur Poeſie. Grade dies iſt auch der Charakter der griechi- ſchen Dichter, nehmlich derjenigen, die es ganz ſind, in denen die Fuͤlle und Kraft der alten Fabel noch lebendig wirkt, und die Mythologie noch nicht zu einem bloßen Bilderſpiel der Dich- terſprache verdunſtet iſt.

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Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/181>, abgerufen am 18.12.2024.