beim Pythagoras so sein, wenn wir anders den Nachrichten von ihm, die uns für die ältesten und besten gelten, irgend trauen dürfen. We- nigstens gehört die Zahlenlehre der Pythagoräer, von der nicht so leicht auszumachen, ob sie eigne Erfindung oder auch orientalischen Ursprungs war, durchaus nicht zu dem System, aus dem sie die Lehre von der Seelenwanderung annah- men, so wenig als ihre Entgegensetzung zwie- facher Grundwesen und Grundbegriffe. Ja wir haben gesehen, daß in Asien selbst schon in frühen Zeiten, die spätere Lehre an die ältere sich durch Mischung oder Umdeutung angeschlos- sen habe; hat man aber jede der abgesonderten Denkarten erst für sich rein aufgefaßt, so wird man wenig Schwierigkeit finden, sich auch die zusammengesetzten und verwickelteren Erscheinun- gen zu erklären.
Die Kenntniß der Philosophie ist wie zur Erforschung des orientalischen Alterthums über- haupt, so insbesondre für das indische Studium sehr wesentlich und kaum zu entbehren. Wohl verstehen wir unter der Kenntniß der Philosophie etwas mehr als einige dialektische Uebung, nach
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beim Pythagoras ſo ſein, wenn wir anders den Nachrichten von ihm, die uns fuͤr die aͤlteſten und beſten gelten, irgend trauen duͤrfen. We- nigſtens gehoͤrt die Zahlenlehre der Pythagoraͤer, von der nicht ſo leicht auszumachen, ob ſie eigne Erfindung oder auch orientaliſchen Urſprungs war, durchaus nicht zu dem Syſtem, aus dem ſie die Lehre von der Seelenwanderung annah- men, ſo wenig als ihre Entgegenſetzung zwie- facher Grundweſen und Grundbegriffe. Ja wir haben geſehen, daß in Aſien ſelbſt ſchon in fruͤhen Zeiten, die ſpaͤtere Lehre an die aͤltere ſich durch Miſchung oder Umdeutung angeſchloſ- ſen habe; hat man aber jede der abgeſonderten Denkarten erſt fuͤr ſich rein aufgefaßt, ſo wird man wenig Schwierigkeit finden, ſich auch die zuſammengeſetzten und verwickelteren Erſcheinun- gen zu erklaͤren.
Die Kenntniß der Philoſophie iſt wie zur Erforſchung des orientaliſchen Alterthums uͤber- haupt, ſo insbeſondre fuͤr das indiſche Studium ſehr weſentlich und kaum zu entbehren. Wohl verſtehen wir unter der Kenntniß der Philoſophie etwas mehr als einige dialektiſche Uebung, nach
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beim Pythagoras ſo ſein, wenn wir anders den
Nachrichten von ihm, die uns fuͤr die aͤlteſten
und beſten gelten, irgend trauen duͤrfen. We-
nigſtens gehoͤrt die Zahlenlehre der Pythagoraͤer,
von der nicht ſo leicht auszumachen, ob ſie eigne
Erfindung oder auch orientaliſchen Urſprungs
war, durchaus nicht zu dem Syſtem, aus dem
ſie die Lehre von der Seelenwanderung annah-
men, ſo wenig als ihre Entgegenſetzung zwie-
facher Grundweſen und Grundbegriffe. Ja wir
haben geſehen, daß in Aſien ſelbſt ſchon in
fruͤhen Zeiten, die ſpaͤtere Lehre an die aͤltere
ſich durch Miſchung oder Umdeutung angeſchloſ-
ſen habe; hat man aber jede der abgeſonderten
Denkarten erſt fuͤr ſich rein aufgefaßt, ſo wird
man wenig Schwierigkeit finden, ſich auch die
zuſammengeſetzten und verwickelteren Erſcheinun-
gen zu erklaͤren.
Die Kenntniß der Philoſophie iſt wie zur
Erforſchung des orientaliſchen Alterthums uͤber-
haupt, ſo insbeſondre fuͤr das indiſche Studium
ſehr weſentlich und kaum zu entbehren. Wohl
verſtehen wir unter der Kenntniß der Philoſophie
etwas mehr als einige dialektiſche Uebung, nach
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Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/228>, abgerufen am 29.11.2024.
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