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Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808.

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gangen, oder aber roh und wüst wie die Begei-
sterung des Hochmuths in der Lehre des Maho-
med; es wird überall, so lange noch poetischer
Geist vorhanden ist, die Fantasie, nachdem sie der
alten Mythologie entbehren muß, keinen andern
Ausweg finden, als den jener kühnen allegorischen
Bildlichkeit. Daher finden wir diesen sogenann-
ten orientalischen Charakter eben so wohl in
vielen Dichtern des Mittelalters (auch in ita-
liänischen und deutschen, nicht bloß in spanischen)
als in den romantischen Dichtungen der Perser
und Araber, ohne daß wir desfalls zu dem Ein-
fluß der Kreuzzüge unsre Zuflucht zu nehmen
brauchten, da die gleichen Umstände in Europa
wie in Asien dieselben Folgen hervorrufen mußten.
Wie paßt nun aber diese Farbengluth zu der
prosaischen Trockenheit der Chinesischen Bücher,
oder zu der schönen Einfalt des indischen Styls?
Zwar in der Sokuntola des Kalidas fehlt es
auch nicht an Blumenschmuck und Bilderfülle;
doch auch hier ohne alle Ueberspannung. Die
ältern indischen Gedichte vollends, sind noch bild-
loser als [selb]st die einfachsten und strengsten
Werke der Griechen; die tiefe Seele, die in allem

gangen, oder aber roh und wuͤſt wie die Begei-
ſterung des Hochmuths in der Lehre des Maho-
med; es wird uͤberall, ſo lange noch poetiſcher
Geiſt vorhanden iſt, die Fantaſie, nachdem ſie der
alten Mythologie entbehren muß, keinen andern
Ausweg finden, als den jener kuͤhnen allegoriſchen
Bildlichkeit. Daher finden wir dieſen ſogenann-
ten orientaliſchen Charakter eben ſo wohl in
vielen Dichtern des Mittelalters (auch in ita-
liaͤniſchen und deutſchen, nicht bloß in ſpaniſchen)
als in den romantiſchen Dichtungen der Perſer
und Araber, ohne daß wir desfalls zu dem Ein-
fluß der Kreuzzuͤge unſre Zuflucht zu nehmen
brauchten, da die gleichen Umſtaͤnde in Europa
wie in Aſien dieſelben Folgen hervorrufen mußten.
Wie paßt nun aber dieſe Farbengluth zu der
proſaiſchen Trockenheit der Chineſiſchen Buͤcher,
oder zu der ſchoͤnen Einfalt des indiſchen Styls?
Zwar in der Sokuntola des Kalidas fehlt es
auch nicht an Blumenſchmuck und Bilderfuͤlle;
doch auch hier ohne alle Ueberſpannung. Die
aͤltern indiſchen Gedichte vollends, ſind noch bild-
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[214/0233] gangen, oder aber roh und wuͤſt wie die Begei- ſterung des Hochmuths in der Lehre des Maho- med; es wird uͤberall, ſo lange noch poetiſcher Geiſt vorhanden iſt, die Fantaſie, nachdem ſie der alten Mythologie entbehren muß, keinen andern Ausweg finden, als den jener kuͤhnen allegoriſchen Bildlichkeit. Daher finden wir dieſen ſogenann- ten orientaliſchen Charakter eben ſo wohl in vielen Dichtern des Mittelalters (auch in ita- liaͤniſchen und deutſchen, nicht bloß in ſpaniſchen) als in den romantiſchen Dichtungen der Perſer und Araber, ohne daß wir desfalls zu dem Ein- fluß der Kreuzzuͤge unſre Zuflucht zu nehmen brauchten, da die gleichen Umſtaͤnde in Europa wie in Aſien dieſelben Folgen hervorrufen mußten. Wie paßt nun aber dieſe Farbengluth zu der proſaiſchen Trockenheit der Chineſiſchen Buͤcher, oder zu der ſchoͤnen Einfalt des indiſchen Styls? Zwar in der Sokuntola des Kalidas fehlt es auch nicht an Blumenſchmuck und Bilderfuͤlle; doch auch hier ohne alle Ueberſpannung. Die aͤltern indiſchen Gedichte vollends, ſind noch bild- loſer als ſelbſt die einfachſten und ſtrengſten Werke der Griechen; die tiefe Seele, die in allem

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Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/233>, abgerufen am 29.11.2024.