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Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808.

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besonders in den Chören, obwohl in einer ganz
hellenischen Form, dennoch wirklich etwas Orien-
talisches, was aber mehr von der leidenschaftlichen
Aufregung, dem gewaltsamen Zustande der Fan-
tasie überhaupt herrührt, als von einzelnen Bil-
dern oder von irgend einer Unfähigkeit zur Klar-
heit. Auch dem Pindar giebt die lyrische Kühn-
heit der Gleichnisse und Anspielungen, und die
Abgerissenheit der Uebergänge einen orientalischen
Anstrich; seine Milde und Weichheit bei der heroi-
schen Größe des Inhalts und Gedankens hat
etwas von dem Charakter der indischen Gedichte,
so weit wir sie bis jetzt kennen. So wie die
größten Denker, die tiefsinnigsten Philosophen
Europa's sich fast immer durch eine entschiedne
Vorliebe für das orientalische Alterthum auszeich-
neten; so näherten sich mehre und zwar besonders
große Dichter bei den Griechen, und um nur den
einzigen Dante zu nennen, auch bei den Neuern,
nur auf eine weniger bewußte Weise, der orienta-
lischen Eigenthümlichkeit und Größe.

So wie nun in der Völkergeschichte die Asia-
ten und die Europäer nur eine große Familie,
Asien und Europa ein unzertrennbares Ganzes

beſonders in den Choͤren, obwohl in einer ganz
helleniſchen Form, dennoch wirklich etwas Orien-
taliſches, was aber mehr von der leidenſchaftlichen
Aufregung, dem gewaltſamen Zuſtande der Fan-
taſie uͤberhaupt herruͤhrt, als von einzelnen Bil-
dern oder von irgend einer Unfaͤhigkeit zur Klar-
heit. Auch dem Pindar giebt die lyriſche Kuͤhn-
heit der Gleichniſſe und Anſpielungen, und die
Abgeriſſenheit der Uebergaͤnge einen orientaliſchen
Anſtrich; ſeine Milde und Weichheit bei der heroi-
ſchen Groͤße des Inhalts und Gedankens hat
etwas von dem Charakter der indiſchen Gedichte,
ſo weit wir ſie bis jetzt kennen. So wie die
groͤßten Denker, die tiefſinnigſten Philoſophen
Europa’s ſich faſt immer durch eine entſchiedne
Vorliebe fuͤr das orientaliſche Alterthum auszeich-
neten; ſo naͤherten ſich mehre und zwar beſonders
große Dichter bei den Griechen, und um nur den
einzigen Dante zu nennen, auch bei den Neuern,
nur auf eine weniger bewußte Weiſe, der orienta-
liſchen Eigenthuͤmlichkeit und Groͤße.

So wie nun in der Voͤlkergeſchichte die Aſia-
ten und die Europaͤer nur eine große Familie,
Aſien und Europa ein unzertrennbares Ganzes

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[217/0236] beſonders in den Choͤren, obwohl in einer ganz helleniſchen Form, dennoch wirklich etwas Orien- taliſches, was aber mehr von der leidenſchaftlichen Aufregung, dem gewaltſamen Zuſtande der Fan- taſie uͤberhaupt herruͤhrt, als von einzelnen Bil- dern oder von irgend einer Unfaͤhigkeit zur Klar- heit. Auch dem Pindar giebt die lyriſche Kuͤhn- heit der Gleichniſſe und Anſpielungen, und die Abgeriſſenheit der Uebergaͤnge einen orientaliſchen Anſtrich; ſeine Milde und Weichheit bei der heroi- ſchen Groͤße des Inhalts und Gedankens hat etwas von dem Charakter der indiſchen Gedichte, ſo weit wir ſie bis jetzt kennen. So wie die groͤßten Denker, die tiefſinnigſten Philoſophen Europa’s ſich faſt immer durch eine entſchiedne Vorliebe fuͤr das orientaliſche Alterthum auszeich- neten; ſo naͤherten ſich mehre und zwar beſonders große Dichter bei den Griechen, und um nur den einzigen Dante zu nennen, auch bei den Neuern, nur auf eine weniger bewußte Weiſe, der orienta- liſchen Eigenthuͤmlichkeit und Groͤße. So wie nun in der Voͤlkergeſchichte die Aſia- ten und die Europaͤer nur eine große Familie, Aſien und Europa ein unzertrennbares Ganzes

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Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/236>, abgerufen am 29.11.2024.