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Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808.

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tur herrscht, im Allgemeinen den Vorzug haben,
wird man nach reifer Untersuchung wohl zugeben;
wie sehr aber auch die schönste Sprache entarten
könne, das erfahren wir an unsrer eignen von
Natur gewiß edlen Sprache in verwahrlosten
Mundarten oder bei schlechten Schriftstellern zur
Genüge, ohne daß wir uns auf ähnliche Bei-
spiele bei Griechen und Römern zu beziehen
brauchten.

Der Gang der bloß grammatischen Kunst und
Ausbildung ist in den beiden Hauptgattungen
grade umgekehrt. Die Sprache durch Affixa ist
im Anfang ganz kunstlos, wird aber immer
künstlicher, je mehr die Affixa mit dem Haupt-
wort zusammenschmelzen; in den Sprachen durch
Flexion hingegen geht die Schönheit und Kunst
der Structur, durch den Hang sichs zu erleich-
tern, allmählig mehr und mehr verlohren, wie
wir es sehen, wenn wir manche deutsche, roma-
nische und jetzige indische Mundarten mit der
ältern Form, aus der sie abstammen, vergleichen.

Daß die amerikanischen Sprachen im Gan-
zen auf einer niedern Stufe stehen, wird man
nicht läugnen. Dahin gehört der auffallende

tur herrſcht, im Allgemeinen den Vorzug haben,
wird man nach reifer Unterſuchung wohl zugeben;
wie ſehr aber auch die ſchoͤnſte Sprache entarten
koͤnne, das erfahren wir an unſrer eignen von
Natur gewiß edlen Sprache in verwahrlosten
Mundarten oder bei ſchlechten Schriftſtellern zur
Genuͤge, ohne daß wir uns auf aͤhnliche Bei-
ſpiele bei Griechen und Roͤmern zu beziehen
brauchten.

Der Gang der bloß grammatiſchen Kunſt und
Ausbildung iſt in den beiden Hauptgattungen
grade umgekehrt. Die Sprache durch Affixa iſt
im Anfang ganz kunſtlos, wird aber immer
kuͤnſtlicher, je mehr die Affixa mit dem Haupt-
wort zuſammenſchmelzen; in den Sprachen durch
Flexion hingegen geht die Schoͤnheit und Kunſt
der Structur, durch den Hang ſichs zu erleich-
tern, allmaͤhlig mehr und mehr verlohren, wie
wir es ſehen, wenn wir manche deutſche, roma-
niſche und jetzige indiſche Mundarten mit der
aͤltern Form, aus der ſie abſtammen, vergleichen.

Daß die amerikaniſchen Sprachen im Gan-
zen auf einer niedern Stufe ſtehen, wird man
nicht laͤugnen. Dahin gehoͤrt der auffallende

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[56/0075] tur herrſcht, im Allgemeinen den Vorzug haben, wird man nach reifer Unterſuchung wohl zugeben; wie ſehr aber auch die ſchoͤnſte Sprache entarten koͤnne, das erfahren wir an unſrer eignen von Natur gewiß edlen Sprache in verwahrlosten Mundarten oder bei ſchlechten Schriftſtellern zur Genuͤge, ohne daß wir uns auf aͤhnliche Bei- ſpiele bei Griechen und Roͤmern zu beziehen brauchten. Der Gang der bloß grammatiſchen Kunſt und Ausbildung iſt in den beiden Hauptgattungen grade umgekehrt. Die Sprache durch Affixa iſt im Anfang ganz kunſtlos, wird aber immer kuͤnſtlicher, je mehr die Affixa mit dem Haupt- wort zuſammenſchmelzen; in den Sprachen durch Flexion hingegen geht die Schoͤnheit und Kunſt der Structur, durch den Hang ſichs zu erleich- tern, allmaͤhlig mehr und mehr verlohren, wie wir es ſehen, wenn wir manche deutſche, roma- niſche und jetzige indiſche Mundarten mit der aͤltern Form, aus der ſie abſtammen, vergleichen. Daß die amerikaniſchen Sprachen im Gan- zen auf einer niedern Stufe ſtehen, wird man nicht laͤugnen. Dahin gehoͤrt der auffallende

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Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/75>, abgerufen am 23.11.2024.