wenigstens liegt in ihr selbst gar kein Grund zur Voraussetzung einer fremden Beihülfe. Nicht gegen den natürlichen Ursprung der Sprachen streiten wir, sondern nur gegen die ursprüngli- che Gleichheit derselben, da man behauptet, sie seien anfangs alle gleich wild und roh gewesen; eine Behauptung, die durch so viele der ange- führten Thatsachen hinreichend widerlegt wird.
Wie der Mensch also zu jener Besonnenheit kam, das ist eine andre Frage; mit derselben aber, mit dem tiefem Gefühl und der Geistes- klarheit, die wir darunter verstehen, ist auch die Sprache gegeben; und zwar eine so schöne, kunst- reiche Sprache als die, von der hier die Rede ist. Mit dem hellen Blick für die natürliche Bedeu- tung der Dinge, mit dem feinen Gefühl für den ursprünglichen Ausdruck aller Laute, welche der Mensch vermöge der Sprachwerkzeuge her- vorbringen kann, war ja auch der feine bildende Sinn gegeben, der Buchstaben trennte und einte, die bedeutenden Sylben, den eigentlich geheim- nißvollen und wunderbaren Theil der Sprache, erfand und auffand, bestimmte und biegend ver- änderte, zu einem lebendigen Gewebe, das nun
wenigſtens liegt in ihr ſelbſt gar kein Grund zur Vorausſetzung einer fremden Beihuͤlfe. Nicht gegen den natuͤrlichen Urſprung der Sprachen ſtreiten wir, ſondern nur gegen die urſpruͤngli- che Gleichheit derſelben, da man behauptet, ſie ſeien anfangs alle gleich wild und roh geweſen; eine Behauptung, die durch ſo viele der ange- fuͤhrten Thatſachen hinreichend widerlegt wird.
Wie der Menſch alſo zu jener Beſonnenheit kam, das iſt eine andre Frage; mit derſelben aber, mit dem tiefem Gefuͤhl und der Geiſtes- klarheit, die wir darunter verſtehen, iſt auch die Sprache gegeben; und zwar eine ſo ſchoͤne, kunſt- reiche Sprache als die, von der hier die Rede iſt. Mit dem hellen Blick fuͤr die natuͤrliche Bedeu- tung der Dinge, mit dem feinen Gefuͤhl fuͤr den urſpruͤnglichen Ausdruck aller Laute, welche der Menſch vermoͤge der Sprachwerkzeuge her- vorbringen kann, war ja auch der feine bildende Sinn gegeben, der Buchſtaben trennte und einte, die bedeutenden Sylben, den eigentlich geheim- nißvollen und wunderbaren Theil der Sprache, erfand und auffand, beſtimmte und biegend ver- aͤnderte, zu einem lebendigen Gewebe, das nun
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0083"n="64"/>
wenigſtens liegt in ihr ſelbſt gar kein Grund<lb/>
zur Vorausſetzung einer fremden Beihuͤlfe. Nicht<lb/>
gegen den natuͤrlichen Urſprung der Sprachen<lb/>ſtreiten wir, ſondern nur gegen die urſpruͤngli-<lb/>
che Gleichheit derſelben, da man behauptet, ſie<lb/>ſeien anfangs alle gleich wild und roh geweſen;<lb/>
eine Behauptung, die durch ſo viele der ange-<lb/>
fuͤhrten Thatſachen hinreichend widerlegt wird.</p><lb/><p>Wie der Menſch alſo zu jener Beſonnenheit<lb/>
kam, das iſt eine andre Frage; mit derſelben<lb/>
aber, mit dem tiefem Gefuͤhl und der Geiſtes-<lb/>
klarheit, die wir darunter verſtehen, iſt auch die<lb/>
Sprache gegeben; und zwar eine ſo ſchoͤne, kunſt-<lb/>
reiche Sprache als die, von der hier die Rede iſt.<lb/>
Mit dem hellen Blick fuͤr die natuͤrliche Bedeu-<lb/>
tung der Dinge, mit dem feinen Gefuͤhl fuͤr<lb/>
den urſpruͤnglichen Ausdruck aller Laute, welche<lb/>
der Menſch vermoͤge der Sprachwerkzeuge her-<lb/>
vorbringen kann, war ja auch der feine bildende<lb/>
Sinn gegeben, der Buchſtaben trennte und einte,<lb/>
die bedeutenden Sylben, den eigentlich geheim-<lb/>
nißvollen und wunderbaren Theil der Sprache,<lb/>
erfand und auffand, beſtimmte und biegend ver-<lb/>
aͤnderte, zu einem lebendigen Gewebe, das nun<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[64/0083]
wenigſtens liegt in ihr ſelbſt gar kein Grund
zur Vorausſetzung einer fremden Beihuͤlfe. Nicht
gegen den natuͤrlichen Urſprung der Sprachen
ſtreiten wir, ſondern nur gegen die urſpruͤngli-
che Gleichheit derſelben, da man behauptet, ſie
ſeien anfangs alle gleich wild und roh geweſen;
eine Behauptung, die durch ſo viele der ange-
fuͤhrten Thatſachen hinreichend widerlegt wird.
Wie der Menſch alſo zu jener Beſonnenheit
kam, das iſt eine andre Frage; mit derſelben
aber, mit dem tiefem Gefuͤhl und der Geiſtes-
klarheit, die wir darunter verſtehen, iſt auch die
Sprache gegeben; und zwar eine ſo ſchoͤne, kunſt-
reiche Sprache als die, von der hier die Rede iſt.
Mit dem hellen Blick fuͤr die natuͤrliche Bedeu-
tung der Dinge, mit dem feinen Gefuͤhl fuͤr
den urſpruͤnglichen Ausdruck aller Laute, welche
der Menſch vermoͤge der Sprachwerkzeuge her-
vorbringen kann, war ja auch der feine bildende
Sinn gegeben, der Buchſtaben trennte und einte,
die bedeutenden Sylben, den eigentlich geheim-
nißvollen und wunderbaren Theil der Sprache,
erfand und auffand, beſtimmte und biegend ver-
aͤnderte, zu einem lebendigen Gewebe, das nun
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/83>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.