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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.

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zen "Stempel," den Theil, von welchem die Saamenknospen
umfaßt werden "den Fruchtknoten" (so viel als Fruchtknospe,
Anlage zur Frucht) und die obere Oeffnung Narbe. Ist der Körper
zwischen Fruchtknoten und Narbe stielförmig in die Länge gezogen,
so wird dieser Theil "Staubweg" genannt (vergl. Taf. IV.
Fig. 2). Dieser Körper nun ist es vorzüglich, welcher auf das
Mannigfachste zusammengesetzt ist; bald ganz aus einem oder mehre-
ren Fruchtblättern, gebildet wird, bald nur in seinem unteren
Theile, dem Fruchtknoten, bald ganz aus einer eigenthümlichen Um-
bildung des Stengels besteht. Auch die Stengeltheile, welche sonst
noch zur Blüthe gehören (aIII.--aV.) sind oft auf die wunderbarste
Weise umgestaltet, und auf diesen beiden Verhältnissen beruht zum
Theil die große Verschiedenheit der Blumen, wozu dann noch die Zahl
und Stellungsverhältnisse der übrigen Theile das ihrige beitragen.

Wunderlich nehmen sich die aus einer solchen wissenschaftlichen
Betrachtung hervorgehenden Bezeichnungen aus, wenn man sie ins
gemeine Leben überträgt, und es klingt seltsam genug, wenn man
erfährt, daß uns die Erdbeere nur durch einen Theil des Blü-
thenstengels
erfreut, während die wirklichen Früchte als kleine un-
genießbare Körner erscheinen, daß wir dagegen bei einer Himbeere
eine Menge kleiner ächter Früchte, nämlich fleischig und saftig ge-
wordene Fruchtblätter genießen, während dieselben Stengeltheile,
welche bei der nahe verwandten Erdbeere unseren Gaumen reizen,
hier einen kleinen weißen schwammigen Zapfen darstellen, -- daß wir
bei dem Apfel einen Theil des Blüthenstiels, bei der Kirsche
einen Theil eines Blattes verzehren, und daß bei der Ruß und
Mandel sogar eine ganze kleine Pflanze mit Wurzel, Stengel,
Blättern und Knospe von uns verschlungen wird. --

Aber was schon im Eingang bei Betrachtung der Urpflanze er-
wähnt wurde, müssen wir uns hier noch einmal ins Gedächtniß zu-
rückrufen: daß nämlich die bei der Urpflanze erwähnten einzelnen
Theile und Formen bei weitem nicht bei allen Pflanzen, ja nicht ein-
mal bei allen Stengelpflanzen, vorkommen. Auch unter diesen letz-

zen „Stempel,“ den Theil, von welchem die Saamenknospen
umfaßt werden „den Fruchtknoten“ (ſo viel als Fruchtknospe,
Anlage zur Frucht) und die obere Oeffnung Narbe. Iſt der Körper
zwiſchen Fruchtknoten und Narbe ſtielförmig in die Länge gezogen,
ſo wird dieſer Theil „Staubweg“ genannt (vergl. Taf. IV.
Fig. 2). Dieſer Körper nun iſt es vorzüglich, welcher auf das
Mannigfachſte zuſammengeſetzt iſt; bald ganz aus einem oder mehre-
ren Fruchtblättern, gebildet wird, bald nur in ſeinem unteren
Theile, dem Fruchtknoten, bald ganz aus einer eigenthümlichen Um-
bildung des Stengels beſteht. Auch die Stengeltheile, welche ſonſt
noch zur Blüthe gehören (aIII.—aV.) ſind oft auf die wunderbarſte
Weiſe umgeſtaltet, und auf dieſen beiden Verhältniſſen beruht zum
Theil die große Verſchiedenheit der Blumen, wozu dann noch die Zahl
und Stellungsverhältniſſe der übrigen Theile das ihrige beitragen.

Wunderlich nehmen ſich die aus einer ſolchen wiſſenſchaftlichen
Betrachtung hervorgehenden Bezeichnungen aus, wenn man ſie ins
gemeine Leben überträgt, und es klingt ſeltſam genug, wenn man
erfährt, daß uns die Erdbeere nur durch einen Theil des Blü-
thenſtengels
erfreut, während die wirklichen Früchte als kleine un-
genießbare Körner erſcheinen, daß wir dagegen bei einer Himbeere
eine Menge kleiner ächter Früchte, nämlich fleiſchig und ſaftig ge-
wordene Fruchtblätter genießen, während dieſelben Stengeltheile,
welche bei der nahe verwandten Erdbeere unſeren Gaumen reizen,
hier einen kleinen weißen ſchwammigen Zapfen darſtellen, — daß wir
bei dem Apfel einen Theil des Blüthenſtiels, bei der Kirſche
einen Theil eines Blattes verzehren, und daß bei der Ruß und
Mandel ſogar eine ganze kleine Pflanze mit Wurzel, Stengel,
Blättern und Knospe von uns verſchlungen wird. —

Aber was ſchon im Eingang bei Betrachtung der Urpflanze er-
wähnt wurde, müſſen wir uns hier noch einmal ins Gedächtniß zu-
rückrufen: daß nämlich die bei der Urpflanze erwähnten einzelnen
Theile und Formen bei weitem nicht bei allen Pflanzen, ja nicht ein-
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[95/0111] zen „Stempel,“ den Theil, von welchem die Saamenknospen umfaßt werden „den Fruchtknoten“ (ſo viel als Fruchtknospe, Anlage zur Frucht) und die obere Oeffnung Narbe. Iſt der Körper zwiſchen Fruchtknoten und Narbe ſtielförmig in die Länge gezogen, ſo wird dieſer Theil „Staubweg“ genannt (vergl. Taf. IV. Fig. 2). Dieſer Körper nun iſt es vorzüglich, welcher auf das Mannigfachſte zuſammengeſetzt iſt; bald ganz aus einem oder mehre- ren Fruchtblättern, gebildet wird, bald nur in ſeinem unteren Theile, dem Fruchtknoten, bald ganz aus einer eigenthümlichen Um- bildung des Stengels beſteht. Auch die Stengeltheile, welche ſonſt noch zur Blüthe gehören (aIII.—aV.) ſind oft auf die wunderbarſte Weiſe umgeſtaltet, und auf dieſen beiden Verhältniſſen beruht zum Theil die große Verſchiedenheit der Blumen, wozu dann noch die Zahl und Stellungsverhältniſſe der übrigen Theile das ihrige beitragen. Wunderlich nehmen ſich die aus einer ſolchen wiſſenſchaftlichen Betrachtung hervorgehenden Bezeichnungen aus, wenn man ſie ins gemeine Leben überträgt, und es klingt ſeltſam genug, wenn man erfährt, daß uns die Erdbeere nur durch einen Theil des Blü- thenſtengels erfreut, während die wirklichen Früchte als kleine un- genießbare Körner erſcheinen, daß wir dagegen bei einer Himbeere eine Menge kleiner ächter Früchte, nämlich fleiſchig und ſaftig ge- wordene Fruchtblätter genießen, während dieſelben Stengeltheile, welche bei der nahe verwandten Erdbeere unſeren Gaumen reizen, hier einen kleinen weißen ſchwammigen Zapfen darſtellen, — daß wir bei dem Apfel einen Theil des Blüthenſtiels, bei der Kirſche einen Theil eines Blattes verzehren, und daß bei der Ruß und Mandel ſogar eine ganze kleine Pflanze mit Wurzel, Stengel, Blättern und Knospe von uns verſchlungen wird. — Aber was ſchon im Eingang bei Betrachtung der Urpflanze er- wähnt wurde, müſſen wir uns hier noch einmal ins Gedächtniß zu- rückrufen: daß nämlich die bei der Urpflanze erwähnten einzelnen Theile und Formen bei weitem nicht bei allen Pflanzen, ja nicht ein- mal bei allen Stengelpflanzen, vorkommen. Auch unter dieſen letz-

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Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/111>, abgerufen am 21.11.2024.