hält die alte Rede doch Recht, die den für einen klugen Mann erklärt, der immer weiß', woher der Wind weht. -- Ich getraue mir aber nachzuweisen, daß das gar so schwer nicht sey, denn jene Redensart setzt voraus, daß es so viele Winde auf Erden gebe, als die Wind- rose des Compasses Puncte hat, während es doch in der That eigent- lich nur zwei Winde giebt.
Indeß, ehe ich zur Erklärung dieser sonderbar scheinenden Be- hauptung übergehe, muß ich noch einer anderen Eigenschaft der Luft erwähnen, die für die Erscheinungen, die wir Wetter nennen, nicht minder wichtig wird. Ich knüpfe an eine Allen bekannte Erscheinung an. Wenn man ein ganz trocknes aber recht kaltes Glas in ein war- mes Zimmer bringt, so beschlägt es, wie man sagt, d. h. es bedeckt sich plötzlich mit kleinen Wassertröpfchen, und zwar um so stärker, je größer der Unterschied zwischen der Wärme der Zimmerluft und der Kälte des Glases ist. Woher kommt dieses Wasser? Sicher nicht aus dem Glase, denn dieses war vorher trocken, sondern aus der Luft in der Stube. Der Grund, daß dieses vorher unsichtbare, luftförmige Wasser plötzlich in Gestalt kleiner sichtbarer Tropfen erscheint, liegt in dem Unterschiede der Temperatur der Luft in der Stube und der Luft in der Nähe des kalten Glases und es zeigt sich hierdurch zugleich das Gesetz, daß die Luft um so mehr unsichtbares Wasser enthalten kann, je wärmer sie ist. Dieses ganze Verhältniß ist die Ursache der Wolkenbildung, des Regens, Schnee's und ähnlicher Erscheinungen auf der Erde.
Beide Betrachtungen aber, sowohl über die Ursachen des Win- des, als über die Bildung der wässrigen Niederschläge der Atmo- sphäre führten uns zu einer Kraft, von welcher beide Erscheinungen wiederum abhängig sind, nämlich zur Wärme. Suchen wir nach der allgemeinen Quelle derselben, so werden wir auf die Sonne gewiesen. Sie ist die Allbewegerin auf Erden und auf eine wunderbare einfache Weise unterhält sie an der Erde einen beständigen Kreislauf der Stoffe, wodurch allein das Leben der organischen Wesen, der Pflan- zen und Thiere möglich gemacht wird. Schon der Kaiser Aurelian
hält die alte Rede doch Recht, die den für einen klugen Mann erklärt, der immer weiß', woher der Wind weht. — Ich getraue mir aber nachzuweiſen, daß das gar ſo ſchwer nicht ſey, denn jene Redensart ſetzt voraus, daß es ſo viele Winde auf Erden gebe, als die Wind- roſe des Compaſſes Puncte hat, während es doch in der That eigent- lich nur zwei Winde giebt.
Indeß, ehe ich zur Erklärung dieſer ſonderbar ſcheinenden Be- hauptung übergehe, muß ich noch einer anderen Eigenſchaft der Luft erwähnen, die für die Erſcheinungen, die wir Wetter nennen, nicht minder wichtig wird. Ich knüpfe an eine Allen bekannte Erſcheinung an. Wenn man ein ganz trocknes aber recht kaltes Glas in ein war- mes Zimmer bringt, ſo beſchlägt es, wie man ſagt, d. h. es bedeckt ſich plötzlich mit kleinen Waſſertröpfchen, und zwar um ſo ſtärker, je größer der Unterſchied zwiſchen der Wärme der Zimmerluft und der Kälte des Glaſes iſt. Woher kommt dieſes Waſſer? Sicher nicht aus dem Glaſe, denn dieſes war vorher trocken, ſondern aus der Luft in der Stube. Der Grund, daß dieſes vorher unſichtbare, luftförmige Waſſer plötzlich in Geſtalt kleiner ſichtbarer Tropfen erſcheint, liegt in dem Unterſchiede der Temperatur der Luft in der Stube und der Luft in der Nähe des kalten Glaſes und es zeigt ſich hierdurch zugleich das Geſetz, daß die Luft um ſo mehr unſichtbares Waſſer enthalten kann, je wärmer ſie iſt. Dieſes ganze Verhältniß iſt die Urſache der Wolkenbildung, des Regens, Schnee's und ähnlicher Erſcheinungen auf der Erde.
Beide Betrachtungen aber, ſowohl über die Urſachen des Win- des, als über die Bildung der wäſſrigen Niederſchläge der Atmo- ſphäre führten uns zu einer Kraft, von welcher beide Erſcheinungen wiederum abhängig ſind, nämlich zur Wärme. Suchen wir nach der allgemeinen Quelle derſelben, ſo werden wir auf die Sonne gewieſen. Sie iſt die Allbewegerin auf Erden und auf eine wunderbare einfache Weiſe unterhält ſie an der Erde einen beſtändigen Kreislauf der Stoffe, wodurch allein das Leben der organiſchen Weſen, der Pflan- zen und Thiere möglich gemacht wird. Schon der Kaiſer Aurelian
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hält die alte Rede doch Recht, die den für einen klugen Mann erklärt,
der immer weiß', woher der Wind weht. — Ich getraue mir aber
nachzuweiſen, daß das gar ſo ſchwer nicht ſey, denn jene Redensart
ſetzt voraus, daß es ſo viele Winde auf Erden gebe, als die Wind-
roſe des Compaſſes Puncte hat, während es doch in der That eigent-
lich nur zwei Winde giebt.
Indeß, ehe ich zur Erklärung dieſer ſonderbar ſcheinenden Be-
hauptung übergehe, muß ich noch einer anderen Eigenſchaft der Luft
erwähnen, die für die Erſcheinungen, die wir Wetter nennen, nicht
minder wichtig wird. Ich knüpfe an eine Allen bekannte Erſcheinung
an. Wenn man ein ganz trocknes aber recht kaltes Glas in ein war-
mes Zimmer bringt, ſo beſchlägt es, wie man ſagt, d. h. es bedeckt
ſich plötzlich mit kleinen Waſſertröpfchen, und zwar um ſo ſtärker, je
größer der Unterſchied zwiſchen der Wärme der Zimmerluft und der
Kälte des Glaſes iſt. Woher kommt dieſes Waſſer? Sicher nicht aus
dem Glaſe, denn dieſes war vorher trocken, ſondern aus der Luft in
der Stube. Der Grund, daß dieſes vorher unſichtbare, luftförmige
Waſſer plötzlich in Geſtalt kleiner ſichtbarer Tropfen erſcheint, liegt
in dem Unterſchiede der Temperatur der Luft in der Stube und der
Luft in der Nähe des kalten Glaſes und es zeigt ſich hierdurch zugleich
das Geſetz, daß die Luft um ſo mehr unſichtbares Waſſer enthalten
kann, je wärmer ſie iſt. Dieſes ganze Verhältniß iſt die Urſache der
Wolkenbildung, des Regens, Schnee's und ähnlicher Erſcheinungen
auf der Erde.
Beide Betrachtungen aber, ſowohl über die Urſachen des Win-
des, als über die Bildung der wäſſrigen Niederſchläge der Atmo-
ſphäre führten uns zu einer Kraft, von welcher beide Erſcheinungen
wiederum abhängig ſind, nämlich zur Wärme. Suchen wir nach der
allgemeinen Quelle derſelben, ſo werden wir auf die Sonne gewieſen.
Sie iſt die Allbewegerin auf Erden und auf eine wunderbare einfache
Weiſe unterhält ſie an der Erde einen beſtändigen Kreislauf der
Stoffe, wodurch allein das Leben der organiſchen Weſen, der Pflan-
zen und Thiere möglich gemacht wird. Schon der Kaiſer Aurelian
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/126>, abgerufen am 16.02.2025.
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