angegebenen Verhältniß. Es bleibt noch ein wesentliches Moment zu erwähnen, welches an der Vertheilung der Wärme und somit des Wetters auf der Erde einen nichts weniger als unbedeutenden Antheil hat. Dies sind die Strömungen des Wassers in den großen Oceanen. Hier bringt nämlich die Erwärmung durch die Aequatorialsonne ganz ähnliche Erscheinungen hervor wie in dem Luftmeere; auch hier ent- stehen Polarströme, welche das kalte Wasser nach der Linie führen und rückkehrende Aequatorialströme, welche das wärmere Wasser wieder nach dem Pole zurückbringen. Natürlich werden aber diese Strö- mungen, eingeschlossen in die vom festen Lande gebildeten Betten, gehindert oder gefördert in ihrem Laufe von submarinen Gebirgszügen, noch bei Weitem mehr von der aus dem Princip zu construirenden Regelmäßigkeit abweichen, als die ungefesselt oft selbst über die höch- sten Berge dahinbrausenden Luftströmungen. Aber einer dieser rück- kehrenden Aequatorialströme, dessen Wässer im Golf von Mexico wie in einen Kessel gekocht sind, fließt in nordöstlicher Richtung gerade gegen die Westküste von Europa ab und bringt dieser die Wärme, welche er an der Küste von Veracruz und Tampico in sich aufgenom- men. Dies ist der Golfstrom, dessen Lauf den Schiffer mit der Schnel- ligkeit von 11/2 Meile in der Stunde vom klippenstarrenden Cap Hatteras bis in die stürmische Bay von Biscaja führt und Producte der westindischen Inseln bis an die Küsten von Irland treibt.
Eine andere Folge der verschiedenen Erwärmung von Land und Meer ist die Erscheinung, welche alle Küsten darbieten, daß während des Tages ein starker Zug nach dem stark erwärmten Lande von dem kühleren Meere her "ein Landwind" weht, der Abends in den soge- nannten "Seewind", den Zug vom schnell sich abkühlenden Lande auf das lange warm bleibende Meer, umspringt. Abends verläßt der Schiffer den sicheren Hafen, der Abschiednehmende findet Trost in den Armen des Schlafes, Morgens steuert der Schiffer zum Port und wer nach langer Abwesenheit aufs Neue die Heimath begrüßt, erblickt sie im Glanz der aufgehenden Sonne.
Es würde hier zu weit führen, wollte ich alle die einzelnen Ver-
angegebenen Verhältniß. Es bleibt noch ein weſentliches Moment zu erwähnen, welches an der Vertheilung der Wärme und ſomit des Wetters auf der Erde einen nichts weniger als unbedeutenden Antheil hat. Dies ſind die Strömungen des Waſſers in den großen Oceanen. Hier bringt nämlich die Erwärmung durch die Aequatorialſonne ganz ähnliche Erſcheinungen hervor wie in dem Luftmeere; auch hier ent- ſtehen Polarſtröme, welche das kalte Waſſer nach der Linie führen und rückkehrende Aequatorialſtröme, welche das wärmere Waſſer wieder nach dem Pole zurückbringen. Natürlich werden aber dieſe Strö- mungen, eingeſchloſſen in die vom feſten Lande gebildeten Betten, gehindert oder gefördert in ihrem Laufe von ſubmarinen Gebirgszügen, noch bei Weitem mehr von der aus dem Princip zu conſtruirenden Regelmäßigkeit abweichen, als die ungefeſſelt oft ſelbſt über die höch- ſten Berge dahinbrauſenden Luftſtrömungen. Aber einer dieſer rück- kehrenden Aequatorialſtröme, deſſen Wäſſer im Golf von Mexico wie in einen Keſſel gekocht ſind, fließt in nordöſtlicher Richtung gerade gegen die Weſtküſte von Europa ab und bringt dieſer die Wärme, welche er an der Küſte von Veracruz und Tampico in ſich aufgenom- men. Dies iſt der Golfſtrom, deſſen Lauf den Schiffer mit der Schnel- ligkeit von 1½ Meile in der Stunde vom klippenſtarrenden Cap Hatteras bis in die ſtürmiſche Bay von Biscaja führt und Producte der weſtindiſchen Inſeln bis an die Küſten von Irland treibt.
Eine andere Folge der verſchiedenen Erwärmung von Land und Meer iſt die Erſcheinung, welche alle Küſten darbieten, daß während des Tages ein ſtarker Zug nach dem ſtark erwärmten Lande von dem kühleren Meere her „ein Landwind“ weht, der Abends in den ſoge- nannten „Seewind“, den Zug vom ſchnell ſich abkühlenden Lande auf das lange warm bleibende Meer, umſpringt. Abends verläßt der Schiffer den ſicheren Hafen, der Abſchiednehmende findet Troſt in den Armen des Schlafes, Morgens ſteuert der Schiffer zum Port und wer nach langer Abweſenheit aufs Neue die Heimath begrüßt, erblickt ſie im Glanz der aufgehenden Sonne.
Es würde hier zu weit führen, wollte ich alle die einzelnen Ver-
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angegebenen Verhältniß. Es bleibt noch ein weſentliches Moment zu
erwähnen, welches an der Vertheilung der Wärme und ſomit des
Wetters auf der Erde einen nichts weniger als unbedeutenden Antheil
hat. Dies ſind die Strömungen des Waſſers in den großen Oceanen.
Hier bringt nämlich die Erwärmung durch die Aequatorialſonne ganz
ähnliche Erſcheinungen hervor wie in dem Luftmeere; auch hier ent-
ſtehen Polarſtröme, welche das kalte Waſſer nach der Linie führen
und rückkehrende Aequatorialſtröme, welche das wärmere Waſſer wieder
nach dem Pole zurückbringen. Natürlich werden aber dieſe Strö-
mungen, eingeſchloſſen in die vom feſten Lande gebildeten Betten,
gehindert oder gefördert in ihrem Laufe von ſubmarinen Gebirgszügen,
noch bei Weitem mehr von der aus dem Princip zu conſtruirenden
Regelmäßigkeit abweichen, als die ungefeſſelt oft ſelbſt über die höch-
ſten Berge dahinbrauſenden Luftſtrömungen. Aber einer dieſer rück-
kehrenden Aequatorialſtröme, deſſen Wäſſer im Golf von Mexico wie
in einen Keſſel gekocht ſind, fließt in nordöſtlicher Richtung gerade
gegen die Weſtküſte von Europa ab und bringt dieſer die Wärme,
welche er an der Küſte von Veracruz und Tampico in ſich aufgenom-
men. Dies iſt der Golfſtrom, deſſen Lauf den Schiffer mit der Schnel-
ligkeit von 1½ Meile in der Stunde vom klippenſtarrenden Cap
Hatteras bis in die ſtürmiſche Bay von Biscaja führt und Producte
der weſtindiſchen Inſeln bis an die Küſten von Irland treibt.
Eine andere Folge der verſchiedenen Erwärmung von Land und
Meer iſt die Erſcheinung, welche alle Küſten darbieten, daß während
des Tages ein ſtarker Zug nach dem ſtark erwärmten Lande von dem
kühleren Meere her „ein Landwind“ weht, der Abends in den ſoge-
nannten „Seewind“, den Zug vom ſchnell ſich abkühlenden Lande auf
das lange warm bleibende Meer, umſpringt. Abends verläßt der
Schiffer den ſicheren Hafen, der Abſchiednehmende findet Troſt in
den Armen des Schlafes, Morgens ſteuert der Schiffer zum Port und
wer nach langer Abweſenheit aufs Neue die Heimath begrüßt, erblickt
ſie im Glanz der aufgehenden Sonne.
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/136>, abgerufen am 24.11.2024.
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