Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.

Bild:
<< vorherige Seite

hältnisse entwickeln, welche dazu mitwirken, dem einfachen gesetzmä-
ßigen Gang der Witterungserscheinungen die zahllosen kleinen Ab-
weichungen einzuprägen, welche für jeden Ort den Localcharacter des
Klimas bedingen. -- Aber erwähnen, wenn auch nicht ausführen,
muß ich noch eine der wichtigsten Erscheinungen, welche mit der An-
ordnung des Wetters zusammenhängt.

Wir haben gesehen, wie die Wärme und ihre verschiedene Ver-
theilung nach Breite und Länge, nach Höhe und Tiefe eigentlich das
Grundphänomen ist, um welches sich die übrigen gruppiren, von wel-
chem sie abhängig sind. Auf's Innigste ist damit der Feuchtigkeitsgrad
der Luft verbunden und Wärme und Feuchtigkeit sind die Grundbe-
dingungen für alles Pflanzenleben. Von jenen beiden Hauptmo-
menten hängt also auch zum großen Theil die Vertheilung der Pflan-
zen auf der Erde ab. Und der Pflanze folgt die Thierwelt, da die
Pflanzenfresser direct, die Fleischfresser indirect an bestimmte Pflanzen-
formationen gebunden sind. So ist nicht blos warm und kalt die
Folge der Stellung der Sonne zur Erde, sondern das ganze Leben
derselben, das Wirken ihrer mächtigsten Kräfte, im tobenden Orkan,
welcher vier und zwanzigpfündige Kanonen durch die Luft schleudert*)
bis zur unscheinbaren Arbeit des kleinsten Infusorium, das Rauschen
der Chilenischen Fichte und das leise Flüstern der nordischen Birke,
das Brüllen des Löwen, der die Gazelle würgt, bis zum Pfeifen des
Käuzchens, welches Mäuse fängt, und dessen unheimliche Stimme
der wachgerufene Aberglaube als "Komm mit, komm mit" deutet. --
Wir werden vom Fuchs und Tiger zu Huhn und Giraffe, von diesen
zu Gerstenfeldern und Acacienhainen, von diesen zur gemäßigten Zone
Europas und zu den glühenden Savannen Afrikas gewiesen. Das
Erste, nicht nur Belebende und Erregende, sondern auch das erste Ord-
nende ist die Sonne, und ihre glänzenden Strahlen sind die Griffel
mit denen sie Licht und Schatten, das glühende Gelb des dürren
Sandes und das kühle Grün der feuchten Wiese, mit denen sie die

*) Bericht des General Baudrand über den Orkan auf Guadeloupe am
25. Juli 1825.

hältniſſe entwickeln, welche dazu mitwirken, dem einfachen geſetzmä-
ßigen Gang der Witterungserſcheinungen die zahlloſen kleinen Ab-
weichungen einzuprägen, welche für jeden Ort den Localcharacter des
Klimas bedingen. — Aber erwähnen, wenn auch nicht ausführen,
muß ich noch eine der wichtigſten Erſcheinungen, welche mit der An-
ordnung des Wetters zuſammenhängt.

Wir haben geſehen, wie die Wärme und ihre verſchiedene Ver-
theilung nach Breite und Länge, nach Höhe und Tiefe eigentlich das
Grundphänomen iſt, um welches ſich die übrigen gruppiren, von wel-
chem ſie abhängig ſind. Auf's Innigſte iſt damit der Feuchtigkeitsgrad
der Luft verbunden und Wärme und Feuchtigkeit ſind die Grundbe-
dingungen für alles Pflanzenleben. Von jenen beiden Hauptmo-
menten hängt alſo auch zum großen Theil die Vertheilung der Pflan-
zen auf der Erde ab. Und der Pflanze folgt die Thierwelt, da die
Pflanzenfreſſer direct, die Fleiſchfreſſer indirect an beſtimmte Pflanzen-
formationen gebunden ſind. So iſt nicht blos warm und kalt die
Folge der Stellung der Sonne zur Erde, ſondern das ganze Leben
derſelben, das Wirken ihrer mächtigſten Kräfte, im tobenden Orkan,
welcher vier und zwanzigpfündige Kanonen durch die Luft ſchleudert*)
bis zur unſcheinbaren Arbeit des kleinſten Infuſorium, das Rauſchen
der Chileniſchen Fichte und das leiſe Flüſtern der nordiſchen Birke,
das Brüllen des Löwen, der die Gazelle würgt, bis zum Pfeifen des
Käuzchens, welches Mäuſe fängt, und deſſen unheimliche Stimme
der wachgerufene Aberglaube als „Komm mit, komm mit“ deutet. —
Wir werden vom Fuchs und Tiger zu Huhn und Giraffe, von dieſen
zu Gerſtenfeldern und Acacienhainen, von dieſen zur gemäßigten Zone
Europas und zu den glühenden Savannen Afrikas gewieſen. Das
Erſte, nicht nur Belebende und Erregende, ſondern auch das erſte Ord-
nende iſt die Sonne, und ihre glänzenden Strahlen ſind die Griffel
mit denen ſie Licht und Schatten, das glühende Gelb des dürren
Sandes und das kühle Grün der feuchten Wieſe, mit denen ſie die

*) Bericht des General Baudrand über den Orkan auf Guadeloupe am
25. Juli 1825.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0137" n="121"/>
hältni&#x017F;&#x017F;e entwickeln, welche dazu mitwirken, dem einfachen ge&#x017F;etzmä-<lb/>
ßigen Gang der Witterungser&#x017F;cheinungen die zahllo&#x017F;en kleinen Ab-<lb/>
weichungen einzuprägen, welche für jeden Ort den Localcharacter des<lb/>
Klimas bedingen. &#x2014; Aber erwähnen, wenn auch nicht ausführen,<lb/>
muß ich noch eine der wichtig&#x017F;ten Er&#x017F;cheinungen, welche mit der An-<lb/>
ordnung des Wetters zu&#x017F;ammenhängt.</p><lb/>
        <p>Wir haben ge&#x017F;ehen, wie die Wärme und ihre ver&#x017F;chiedene Ver-<lb/>
theilung nach Breite und Länge, nach Höhe und Tiefe eigentlich das<lb/>
Grundphänomen i&#x017F;t, um welches &#x017F;ich die übrigen gruppiren, von wel-<lb/>
chem &#x017F;ie abhängig &#x017F;ind. Auf's Innig&#x017F;te i&#x017F;t damit der Feuchtigkeitsgrad<lb/>
der Luft verbunden und Wärme und Feuchtigkeit &#x017F;ind die Grundbe-<lb/>
dingungen für alles Pflanzenleben. Von jenen beiden Hauptmo-<lb/>
menten hängt al&#x017F;o auch zum großen Theil die Vertheilung der Pflan-<lb/>
zen auf der Erde ab. Und der Pflanze folgt die Thierwelt, da die<lb/>
Pflanzenfre&#x017F;&#x017F;er direct, die Flei&#x017F;chfre&#x017F;&#x017F;er indirect an be&#x017F;timmte Pflanzen-<lb/>
formationen gebunden &#x017F;ind. So i&#x017F;t nicht blos warm und kalt die<lb/>
Folge der Stellung der Sonne zur Erde, &#x017F;ondern das ganze Leben<lb/>
der&#x017F;elben, das Wirken ihrer mächtig&#x017F;ten Kräfte, im tobenden Orkan,<lb/>
welcher vier und zwanzigpfündige Kanonen durch die Luft &#x017F;chleudert<note place="foot" n="*)">Bericht des General Baudrand über den Orkan a<hi rendition="#g">uf</hi> Guadeloupe am<lb/>
25. Juli 1825.</note><lb/>
bis zur un&#x017F;cheinbaren Arbeit des klein&#x017F;ten Infu&#x017F;orium, das Rau&#x017F;chen<lb/>
der Chileni&#x017F;chen Fichte und das lei&#x017F;e Flü&#x017F;tern der nordi&#x017F;chen Birke,<lb/>
das Brüllen des Löwen, der die Gazelle würgt, bis zum Pfeifen des<lb/>
Käuzchens, welches Mäu&#x017F;e fängt, und de&#x017F;&#x017F;en unheimliche Stimme<lb/>
der wachgerufene Aberglaube als &#x201E;Komm mit, komm mit&#x201C; deutet. &#x2014;<lb/>
Wir werden vom Fuchs und Tiger zu Huhn und Giraffe, von die&#x017F;en<lb/>
zu Ger&#x017F;tenfeldern und Acacienhainen, von die&#x017F;en zur gemäßigten Zone<lb/>
Europas und zu den glühenden Savannen Afrikas gewie&#x017F;en. Das<lb/>
Er&#x017F;te, nicht nur Belebende und Erregende, &#x017F;ondern auch das er&#x017F;te Ord-<lb/>
nende i&#x017F;t die Sonne, und ihre glänzenden Strahlen &#x017F;ind die Griffel<lb/>
mit denen &#x017F;ie Licht und Schatten, das glühende Gelb des dürren<lb/>
Sandes und das kühle Grün der feuchten Wie&#x017F;e, mit denen &#x017F;ie die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[121/0137] hältniſſe entwickeln, welche dazu mitwirken, dem einfachen geſetzmä- ßigen Gang der Witterungserſcheinungen die zahlloſen kleinen Ab- weichungen einzuprägen, welche für jeden Ort den Localcharacter des Klimas bedingen. — Aber erwähnen, wenn auch nicht ausführen, muß ich noch eine der wichtigſten Erſcheinungen, welche mit der An- ordnung des Wetters zuſammenhängt. Wir haben geſehen, wie die Wärme und ihre verſchiedene Ver- theilung nach Breite und Länge, nach Höhe und Tiefe eigentlich das Grundphänomen iſt, um welches ſich die übrigen gruppiren, von wel- chem ſie abhängig ſind. Auf's Innigſte iſt damit der Feuchtigkeitsgrad der Luft verbunden und Wärme und Feuchtigkeit ſind die Grundbe- dingungen für alles Pflanzenleben. Von jenen beiden Hauptmo- menten hängt alſo auch zum großen Theil die Vertheilung der Pflan- zen auf der Erde ab. Und der Pflanze folgt die Thierwelt, da die Pflanzenfreſſer direct, die Fleiſchfreſſer indirect an beſtimmte Pflanzen- formationen gebunden ſind. So iſt nicht blos warm und kalt die Folge der Stellung der Sonne zur Erde, ſondern das ganze Leben derſelben, das Wirken ihrer mächtigſten Kräfte, im tobenden Orkan, welcher vier und zwanzigpfündige Kanonen durch die Luft ſchleudert *) bis zur unſcheinbaren Arbeit des kleinſten Infuſorium, das Rauſchen der Chileniſchen Fichte und das leiſe Flüſtern der nordiſchen Birke, das Brüllen des Löwen, der die Gazelle würgt, bis zum Pfeifen des Käuzchens, welches Mäuſe fängt, und deſſen unheimliche Stimme der wachgerufene Aberglaube als „Komm mit, komm mit“ deutet. — Wir werden vom Fuchs und Tiger zu Huhn und Giraffe, von dieſen zu Gerſtenfeldern und Acacienhainen, von dieſen zur gemäßigten Zone Europas und zu den glühenden Savannen Afrikas gewieſen. Das Erſte, nicht nur Belebende und Erregende, ſondern auch das erſte Ord- nende iſt die Sonne, und ihre glänzenden Strahlen ſind die Griffel mit denen ſie Licht und Schatten, das glühende Gelb des dürren Sandes und das kühle Grün der feuchten Wieſe, mit denen ſie die *) Bericht des General Baudrand über den Orkan auf Guadeloupe am 25. Juli 1825.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/137
Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/137>, abgerufen am 21.11.2024.