schiedenheit der Gegenstände coincidirt? -- Wo Begriffsentwicke- lung im N. T. ist, werden dogmatische oder moralische Gegen- stände der Inhalt sein. Denn hierauf bezieht sich ja das N. T. vorzugsweise. Nicht ist, wenn auch etwas rhetorisches vorkommt, dieß außer jenem Kreise, sondern es kann, wenn ein Begriff mit dialektischer Schärfe entwickelt ist, eine Stelle mit rhetorischer Fülle folgen. Es ist also die Form das Hauptbestimmende in Beziehung auf die Anwendung einer Maxime. Die falsche An- wendung beruht zum Theil auf der Tendenz, die religiösen Vor- stellungen, so wie sie sich später entwickelt haben, im N. T. zu finden. Es liegt in der Idee des Kanons der heil. Schrift, daß man in den theologischen Verhandlungen auf das N. T. zurück- geht. Aber eben so natürlich ist, daß daraus in den theologischen Ver- handlungen differente Gebrauchsweisen neutestam. Ausdrücke ent- stehen, je nachdem die Entwickelung weiterschreitet und different ist. Der Sprachgebrauch, der im Leben gilt, übt auf den Exe- geten eine unwillkührliche Gewalt aus. Man denkt die neutest. Vorstellungen mit den jedesmaligen theologischen Verhandlungen im Zusammenhange. Daraus aber entstehen erkünstelte Auslegun- gen, wodurch man die dicta probantia im Sinne der jedesmali- gen theologischen Verhandlungen rechtfertigen will. Es muß daher als Regel aufgestellt werden, bei dem exegetischen Verfahren den jedes- maligen theologischen Sprachgebrauch als nichtexistirend anzusehen. Dagegen schüzt am besten die oben berührte Methode, alle Aus- drücke des N. T., welche in einer bestimmten Beziehung nöthig sind und den Kern der kanonischen Dignität bilden, in allen Verbindungen, in denen sie im N. T. vorkommen, zusammen- zustellen.
Es ist hier die sprachbildende Kraft des Christenthums im N. T. in Betracht zu ziehen. Der christliche Sprachgebrauch ist auf dem jüdischen gleichsam gelagert. Die neutest. Schriftsteller konnten in der Bildung christlicher Ausdrücke auf dem Grunde des jüdischen Sprachgebrauchs ein doppeltes Verfahren beobachten, entweder bei der vorhandenen jüdischen Gebrauchsweise stehen blei-
ſchiedenheit der Gegenſtaͤnde coincidirt? — Wo Begriffsentwicke- lung im N. T. iſt, werden dogmatiſche oder moraliſche Gegen- ſtaͤnde der Inhalt ſein. Denn hierauf bezieht ſich ja das N. T. vorzugsweiſe. Nicht iſt, wenn auch etwas rhetoriſches vorkommt, dieß außer jenem Kreiſe, ſondern es kann, wenn ein Begriff mit dialektiſcher Schaͤrfe entwickelt iſt, eine Stelle mit rhetoriſcher Fuͤlle folgen. Es iſt alſo die Form das Hauptbeſtimmende in Beziehung auf die Anwendung einer Maxime. Die falſche An- wendung beruht zum Theil auf der Tendenz, die religioͤſen Vor- ſtellungen, ſo wie ſie ſich ſpaͤter entwickelt haben, im N. T. zu finden. Es liegt in der Idee des Kanons der heil. Schrift, daß man in den theologiſchen Verhandlungen auf das N. T. zuruͤck- geht. Aber eben ſo natuͤrlich iſt, daß daraus in den theologiſchen Ver- handlungen differente Gebrauchsweiſen neuteſtam. Ausdruͤcke ent- ſtehen, je nachdem die Entwickelung weiterſchreitet und different iſt. Der Sprachgebrauch, der im Leben gilt, uͤbt auf den Exe- geten eine unwillkuͤhrliche Gewalt aus. Man denkt die neuteſt. Vorſtellungen mit den jedesmaligen theologiſchen Verhandlungen im Zuſammenhange. Daraus aber entſtehen erkuͤnſtelte Auslegun- gen, wodurch man die dicta probantia im Sinne der jedesmali- gen theologiſchen Verhandlungen rechtfertigen will. Es muß daher als Regel aufgeſtellt werden, bei dem exegetiſchen Verfahren den jedes- maligen theologiſchen Sprachgebrauch als nichtexiſtirend anzuſehen. Dagegen ſchuͤzt am beſten die oben beruͤhrte Methode, alle Aus- druͤcke des N. T., welche in einer beſtimmten Beziehung noͤthig ſind und den Kern der kanoniſchen Dignitaͤt bilden, in allen Verbindungen, in denen ſie im N. T. vorkommen, zuſammen- zuſtellen.
Es iſt hier die ſprachbildende Kraft des Chriſtenthums im N. T. in Betracht zu ziehen. Der chriſtliche Sprachgebrauch iſt auf dem juͤdiſchen gleichſam gelagert. Die neuteſt. Schriftſteller konnten in der Bildung chriſtlicher Ausdruͤcke auf dem Grunde des juͤdiſchen Sprachgebrauchs ein doppeltes Verfahren beobachten, entweder bei der vorhandenen juͤdiſchen Gebrauchsweiſe ſtehen blei-
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ſchiedenheit der Gegenſtaͤnde coincidirt? — Wo Begriffsentwicke-
lung im N. T. iſt, werden dogmatiſche oder moraliſche Gegen-
ſtaͤnde der Inhalt ſein. Denn hierauf bezieht ſich ja das N. T.
vorzugsweiſe. Nicht iſt, wenn auch etwas rhetoriſches vorkommt,
dieß außer jenem Kreiſe, ſondern es kann, wenn ein Begriff mit
dialektiſcher Schaͤrfe entwickelt iſt, eine Stelle mit rhetoriſcher
Fuͤlle folgen. Es iſt alſo die Form das Hauptbeſtimmende in
Beziehung auf die Anwendung einer Maxime. Die falſche An-
wendung beruht zum Theil auf der Tendenz, die religioͤſen Vor-
ſtellungen, ſo wie ſie ſich ſpaͤter entwickelt haben, im N. T. zu
finden. Es liegt in der Idee des Kanons der heil. Schrift, daß
man in den theologiſchen Verhandlungen auf das N. T. zuruͤck-
geht. Aber eben ſo natuͤrlich iſt, daß daraus in den theologiſchen Ver-
handlungen differente Gebrauchsweiſen neuteſtam. Ausdruͤcke ent-
ſtehen, je nachdem die Entwickelung weiterſchreitet und different
iſt. Der Sprachgebrauch, der im Leben gilt, uͤbt auf den Exe-
geten eine unwillkuͤhrliche Gewalt aus. Man denkt die neuteſt.
Vorſtellungen mit den jedesmaligen theologiſchen Verhandlungen
im Zuſammenhange. Daraus aber entſtehen erkuͤnſtelte Auslegun-
gen, wodurch man die dicta probantia im Sinne der jedesmali-
gen theologiſchen Verhandlungen rechtfertigen will. Es muß daher als
Regel aufgeſtellt werden, bei dem exegetiſchen Verfahren den jedes-
maligen theologiſchen Sprachgebrauch als nichtexiſtirend anzuſehen.
Dagegen ſchuͤzt am beſten die oben beruͤhrte Methode, alle Aus-
druͤcke des N. T., welche in einer beſtimmten Beziehung noͤthig
ſind und den Kern der kanoniſchen Dignitaͤt bilden, in allen
Verbindungen, in denen ſie im N. T. vorkommen, zuſammen-
zuſtellen.
Es iſt hier die ſprachbildende Kraft des Chriſtenthums im
N. T. in Betracht zu ziehen. Der chriſtliche Sprachgebrauch iſt
auf dem juͤdiſchen gleichſam gelagert. Die neuteſt. Schriftſteller
konnten in der Bildung chriſtlicher Ausdruͤcke auf dem Grunde
des juͤdiſchen Sprachgebrauchs ein doppeltes Verfahren beobachten,
entweder bei der vorhandenen juͤdiſchen Gebrauchsweiſe ſtehen blei-
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Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiermacher_hermeneutik_1838/162>, abgerufen am 04.12.2024.
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