der eigentlichen Meditation ohne Mittheilung die Zerstreuung überwunden, so wird es nicht dieselbe sein, welche in dem zwei- ten Akt, der Darstellung, wieder vorkommt, aber es wird auch immer eine sein. Denken wir uns in der Mittheilung solche Ele- mente, die aus dem dominirenden Willensakte nicht zu erklären sind, so bleibt nur das übrig, daß sie aus einem freien Spiele herrühren. Wenn nun aber solche Vorstellungen in die Mitthei- lung aufgenommen werden, so geschieht dieß doch durch einen Willensakt. Denkt man sich nemlich Jemand, der in strenger Meditation begriffen gewesen ist, so daß er sich seines Gegenstan- des ganz bemächtigt hat, wie er nun die Ordnung feststellt, in der er seine Meditation mittheilen will, also die Composition con- cipirt, ist diese nun zu Stande gekommen, und er ist in dersel- ben eben so streng gewesen, wie in der Meditation, und es ist nichts in seiner Mittheilung, was sich nicht aus seinem ursprüng- lichen Willensakte aufs bestimmteste erklären ließe, er ist also in der kuriolexia geblieben; übersieht er dann seine Composition, -- dann lassen sich zwei Fälle denken. -- Entweder er ist damit zufrie- den, daß er sich streng an den Gegenstand gehalten hat, oder es wird ihm dieses dürftig erscheinen. Dieß letztere Urtheil beruht auf einer Differenz in dem, was den Inhalt des freien Spiels ausmacht, denn wäre nichts darin gewesen, was nicht in einer Beziehung zur bestimmten Meditation gestanden, so brauchte er sich nicht zu tadeln, daß er es von der Hand gewiesen. Es muß der Willensakt eine gewisse Anziehungskraft gehabt haben, so daß er es nicht so leicht wird haben fallen lassen. Wo dagegen die Strenge gelobt wird, da ist eine Differenz in dem ursprüngli- chen Willensakt selbst, es muß eins oder das andere mit in seinem Vorsaz gewesen sein, aber die bestimmte Form der Mittheilung hat das eine abgewiesen und das andere zugelassen oder gefordert. Wo wir dergleichen finden, da können wir eine solche Beschaffen- heit des freien Spieles voraussezen, wie des gesammten Vorstel- lungsbesizstandes, daß darin Elemente gewesen, die mit dem Ge- genstande haben in Verbindung treten können. Von der andern
der eigentlichen Meditation ohne Mittheilung die Zerſtreuung uͤberwunden, ſo wird es nicht dieſelbe ſein, welche in dem zwei- ten Akt, der Darſtellung, wieder vorkommt, aber es wird auch immer eine ſein. Denken wir uns in der Mittheilung ſolche Ele- mente, die aus dem dominirenden Willensakte nicht zu erklaͤren ſind, ſo bleibt nur das uͤbrig, daß ſie aus einem freien Spiele herruͤhren. Wenn nun aber ſolche Vorſtellungen in die Mitthei- lung aufgenommen werden, ſo geſchieht dieß doch durch einen Willensakt. Denkt man ſich nemlich Jemand, der in ſtrenger Meditation begriffen geweſen iſt, ſo daß er ſich ſeines Gegenſtan- des ganz bemaͤchtigt hat, wie er nun die Ordnung feſtſtellt, in der er ſeine Meditation mittheilen will, alſo die Compoſition con- cipirt, iſt dieſe nun zu Stande gekommen, und er iſt in derſel- ben eben ſo ſtreng geweſen, wie in der Meditation, und es iſt nichts in ſeiner Mittheilung, was ſich nicht aus ſeinem urſpruͤng- lichen Willensakte aufs beſtimmteſte erklaͤren ließe, er iſt alſo in der ϰυϱιολεξία geblieben; uͤberſieht er dann ſeine Compoſition, — dann laſſen ſich zwei Faͤlle denken. — Entweder er iſt damit zufrie- den, daß er ſich ſtreng an den Gegenſtand gehalten hat, oder es wird ihm dieſes duͤrftig erſcheinen. Dieß letztere Urtheil beruht auf einer Differenz in dem, was den Inhalt des freien Spiels ausmacht, denn waͤre nichts darin geweſen, was nicht in einer Beziehung zur beſtimmten Meditation geſtanden, ſo brauchte er ſich nicht zu tadeln, daß er es von der Hand gewieſen. Es muß der Willensakt eine gewiſſe Anziehungskraft gehabt haben, ſo daß er es nicht ſo leicht wird haben fallen laſſen. Wo dagegen die Strenge gelobt wird, da iſt eine Differenz in dem urſpruͤngli- chen Willensakt ſelbſt, es muß eins oder das andere mit in ſeinem Vorſaz geweſen ſein, aber die beſtimmte Form der Mittheilung hat das eine abgewieſen und das andere zugelaſſen oder gefordert. Wo wir dergleichen finden, da koͤnnen wir eine ſolche Beſchaffen- heit des freien Spieles vorausſezen, wie des geſammten Vorſtel- lungsbeſizſtandes, daß darin Elemente geweſen, die mit dem Ge- genſtande haben in Verbindung treten koͤnnen. Von der andern
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der eigentlichen Meditation ohne Mittheilung die Zerſtreuung
uͤberwunden, ſo wird es nicht dieſelbe ſein, welche in dem zwei-
ten Akt, der Darſtellung, wieder vorkommt, aber es wird auch
immer eine ſein. Denken wir uns in der Mittheilung ſolche Ele-
mente, die aus dem dominirenden Willensakte nicht zu erklaͤren
ſind, ſo bleibt nur das uͤbrig, daß ſie aus einem freien Spiele
herruͤhren. Wenn nun aber ſolche Vorſtellungen in die Mitthei-
lung aufgenommen werden, ſo geſchieht dieß doch durch einen
Willensakt. Denkt man ſich nemlich Jemand, der in ſtrenger
Meditation begriffen geweſen iſt, ſo daß er ſich ſeines Gegenſtan-
des ganz bemaͤchtigt hat, wie er nun die Ordnung feſtſtellt, in
der er ſeine Meditation mittheilen will, alſo die Compoſition con-
cipirt, iſt dieſe nun zu Stande gekommen, und er iſt in derſel-
ben eben ſo ſtreng geweſen, wie in der Meditation, und es iſt
nichts in ſeiner Mittheilung, was ſich nicht aus ſeinem urſpruͤng-
lichen Willensakte aufs beſtimmteſte erklaͤren ließe, er iſt alſo in
der ϰυϱιολεξία geblieben; uͤberſieht er dann ſeine Compoſition, —
dann laſſen ſich zwei Faͤlle denken. — Entweder er iſt damit zufrie-
den, daß er ſich ſtreng an den Gegenſtand gehalten hat, oder
es wird ihm dieſes duͤrftig erſcheinen. Dieß letztere Urtheil beruht
auf einer Differenz in dem, was den Inhalt des freien Spiels
ausmacht, denn waͤre nichts darin geweſen, was nicht in einer
Beziehung zur beſtimmten Meditation geſtanden, ſo brauchte er
ſich nicht zu tadeln, daß er es von der Hand gewieſen. Es
muß der Willensakt eine gewiſſe Anziehungskraft gehabt haben, ſo
daß er es nicht ſo leicht wird haben fallen laſſen. Wo dagegen
die Strenge gelobt wird, da iſt eine Differenz in dem urſpruͤngli-
chen Willensakt ſelbſt, es muß eins oder das andere mit in ſeinem
Vorſaz geweſen ſein, aber die beſtimmte Form der Mittheilung
hat das eine abgewieſen und das andere zugelaſſen oder gefordert.
Wo wir dergleichen finden, da koͤnnen wir eine ſolche Beſchaffen-
heit des freien Spieles vorausſezen, wie des geſammten Vorſtel-
lungsbeſizſtandes, daß darin Elemente geweſen, die mit dem Ge-
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Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiermacher_hermeneutik_1838/216>, abgerufen am 04.12.2024.
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