solch ein bestimmter Unterschied nicht. Da gehen wir davon aus, daß gleich im ersten Akt Inhalt und Form gegeben sind. Die Form ist aber hier die der ungebundenen Rede. Somit ist kein wesentliches Hinderniß, daß nicht die einzelnen Theile des Gan- zen, wie sie zuerst gedacht sind, so auch ausgeführt werden. Nu- merus und Wohlklang stehen mit der Form in der Prosa in gar keiner so engen Verbindung wie in der Poesie das Versmaaß. Also das scharfe Auseinandertreten der Resultate der Meditation und Composition ist der erste Unterschied, sobald wir einen irgend größeren Umfang von Poesie annehmen, wo das Einzelne sich sondert. Aber schon in dem Epigramm, als der kleinsten poeti- schen Form, müssen wir dasselbe anerkennen. Das Epigramm beruht immer auf Gegebenem. Denken wir uns aber in dieser Beziehung das Entstehen des Epigrammes, so hängt demselben nicht gleich die poetische Form an. Ist es der Fall, so sind nur die an sich verschiedenen Elemente näher aneinandergerückt. In der modernen Form des Epigramms ist die Spize die Haupt- sache. Diese aber ist eben die Beziehung auf das Gegebene in möglichster Schärfe. Sie entsteht wie ein Bliz im Moment, ist ein Einfall, in dem das Versmaaß noch nicht ist. Dieses ist ein zweiter Akt. So treten also auch hier beide Akte bestimmt aus- einander.
Gehen wir nun von der Poesie auf die Prosa über, so ist auch an dieser, je mehr sie sich der Poesie nähert, desto mehr ein Auseinandertreten der beiden Akte bemerkbar. Dieß ist der Fall, wenn in der Prosa auf das Musikalische in der Sprache ein be- sonderer Werth gelegt wird. Da kann der Gedanke mit seinem Ausdrucke nicht zugleich entstehen. Dieser mit seinem musikalischen Werth entsteht erst durch die Stelle, die er einnimmt, und diese ergiebt sich erst aus der Composition. Hier erkennen wir eine Art von Stufenleiter. Fragen wir nun, in welchem Gebiete das Auseinandertreten der beiden Akte ein Minimum ist und für das hermeneutische Interesse verschwindet, so ist das der Vortrag der am meisten rein wissenschaftlich ist. Da ist das Musikalische dem
ſolch ein beſtimmter Unterſchied nicht. Da gehen wir davon aus, daß gleich im erſten Akt Inhalt und Form gegeben ſind. Die Form iſt aber hier die der ungebundenen Rede. Somit iſt kein weſentliches Hinderniß, daß nicht die einzelnen Theile des Gan- zen, wie ſie zuerſt gedacht ſind, ſo auch ausgefuͤhrt werden. Nu- merus und Wohlklang ſtehen mit der Form in der Proſa in gar keiner ſo engen Verbindung wie in der Poeſie das Versmaaß. Alſo das ſcharfe Auseinandertreten der Reſultate der Meditation und Compoſition iſt der erſte Unterſchied, ſobald wir einen irgend groͤßeren Umfang von Poeſie annehmen, wo das Einzelne ſich ſondert. Aber ſchon in dem Epigramm, als der kleinſten poeti- ſchen Form, muͤſſen wir daſſelbe anerkennen. Das Epigramm beruht immer auf Gegebenem. Denken wir uns aber in dieſer Beziehung das Entſtehen des Epigrammes, ſo haͤngt demſelben nicht gleich die poetiſche Form an. Iſt es der Fall, ſo ſind nur die an ſich verſchiedenen Elemente naͤher aneinandergeruͤckt. In der modernen Form des Epigramms iſt die Spize die Haupt- ſache. Dieſe aber iſt eben die Beziehung auf das Gegebene in moͤglichſter Schaͤrfe. Sie entſteht wie ein Bliz im Moment, iſt ein Einfall, in dem das Versmaaß noch nicht iſt. Dieſes iſt ein zweiter Akt. So treten alſo auch hier beide Akte beſtimmt aus- einander.
Gehen wir nun von der Poeſie auf die Proſa uͤber, ſo iſt auch an dieſer, je mehr ſie ſich der Poeſie naͤhert, deſto mehr ein Auseinandertreten der beiden Akte bemerkbar. Dieß iſt der Fall, wenn in der Proſa auf das Muſikaliſche in der Sprache ein be- ſonderer Werth gelegt wird. Da kann der Gedanke mit ſeinem Ausdrucke nicht zugleich entſtehen. Dieſer mit ſeinem muſikaliſchen Werth entſteht erſt durch die Stelle, die er einnimmt, und dieſe ergiebt ſich erſt aus der Compoſition. Hier erkennen wir eine Art von Stufenleiter. Fragen wir nun, in welchem Gebiete das Auseinandertreten der beiden Akte ein Minimum iſt und fuͤr das hermeneutiſche Intereſſe verſchwindet, ſo iſt das der Vortrag der am meiſten rein wiſſenſchaftlich iſt. Da iſt das Muſikaliſche dem
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ſolch ein beſtimmter Unterſchied nicht. Da gehen wir davon aus,
daß gleich im erſten Akt Inhalt und Form gegeben ſind. Die
Form iſt aber hier die der ungebundenen Rede. Somit iſt kein
weſentliches Hinderniß, daß nicht die einzelnen Theile des Gan-
zen, wie ſie zuerſt gedacht ſind, ſo auch ausgefuͤhrt werden. Nu-
merus und Wohlklang ſtehen mit der Form in der Proſa in gar
keiner ſo engen Verbindung wie in der Poeſie das Versmaaß.
Alſo das ſcharfe Auseinandertreten der Reſultate der Meditation
und Compoſition iſt der erſte Unterſchied, ſobald wir einen irgend
groͤßeren Umfang von Poeſie annehmen, wo das Einzelne ſich
ſondert. Aber ſchon in dem Epigramm, als der kleinſten poeti-
ſchen Form, muͤſſen wir daſſelbe anerkennen. Das Epigramm
beruht immer auf Gegebenem. Denken wir uns aber in dieſer
Beziehung das Entſtehen des Epigrammes, ſo haͤngt demſelben
nicht gleich die poetiſche Form an. Iſt es der Fall, ſo ſind nur
die an ſich verſchiedenen Elemente naͤher aneinandergeruͤckt. In
der modernen Form des Epigramms iſt die Spize die Haupt-
ſache. Dieſe aber iſt eben die Beziehung auf das Gegebene in
moͤglichſter Schaͤrfe. Sie entſteht wie ein Bliz im Moment, iſt
ein Einfall, in dem das Versmaaß noch nicht iſt. Dieſes iſt ein
zweiter Akt. So treten alſo auch hier beide Akte beſtimmt aus-
einander.
Gehen wir nun von der Poeſie auf die Proſa uͤber, ſo iſt
auch an dieſer, je mehr ſie ſich der Poeſie naͤhert, deſto mehr ein
Auseinandertreten der beiden Akte bemerkbar. Dieß iſt der Fall,
wenn in der Proſa auf das Muſikaliſche in der Sprache ein be-
ſonderer Werth gelegt wird. Da kann der Gedanke mit ſeinem
Ausdrucke nicht zugleich entſtehen. Dieſer mit ſeinem muſikaliſchen
Werth entſteht erſt durch die Stelle, die er einnimmt, und dieſe
ergiebt ſich erſt aus der Compoſition. Hier erkennen wir eine
Art von Stufenleiter. Fragen wir nun, in welchem Gebiete das
Auseinandertreten der beiden Akte ein Minimum iſt und fuͤr das
hermeneutiſche Intereſſe verſchwindet, ſo iſt das der Vortrag der
am meiſten rein wiſſenſchaftlich iſt. Da iſt das Muſikaliſche dem
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Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiermacher_hermeneutik_1838/231>, abgerufen am 04.12.2024.
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