punkt, es ist aber nicht der einer zusammenhängenden Lebensbe- schreibung, denn es sind viele Momente, welche für eine Biogra- phie nothwendig sein würden, im Evangelium ganz weggelassen. Jenen bestimmten Gesichtspunkt könnte auch ein Anderer, als Johannes, gehabt haben. Nun finden wir, daß Johannes die Begebenheiten der Zeit nach aufeinander bezieht. Die Zeitbestim- mungen charakterisiren ihn nach dem Maaßstabe jener Zeit als Augenzeugen. Es ist möglich, daß ein Anderer nicht nur den- selben Gesichtspunkt gehabt, sondern auch dieselben Elemente zu- sammengestellt. Es ist auch an sich möglich, daß auch die einzel- nen Erzählungen eben so aussehen würden, wenn er sie von Au- genzeugen genommen hätte. Aber die einzelnen Erzählungen im Johannes sind so aus einem Stücke, daß man den Urheber des Erzählten und den Gesichtspunkt nicht zu trennen vermag. In- deß hat er Erzählungen, wo er nicht Augenzeuge ist, sondern nur nach Augenzeugen referirt, -- und doch dieselbe Lebendigkeit hat. Darüber entscheidet denn nur die Sache selbst, die es ausspricht, ob er selbst Augenzeuge war oder nicht. Aber betrachten wir das Evangelium im Ganzen, so werden wir urtheilen müssen, es sei der Bericht eines Augenzeugen, der einen bestimmten Gesichts- punkt gehabt. Das Princip seiner Composition läßt sich klar er- kennen und daraus geht eben hervor, daß der Verfasser im Gan- zen als Augenzeuge anzusehen ist.
Betrachten wir das Evangelium des Lukas. Dieser macht keinen Anspruch Augenzeuge zu sein. Er giebt sich aber im Ein- gange für einen Forscher aus. Da fragt sich, welcher Regel er gefolgt sei. Nach dem Eingange scheint es, als habe er das Ein- zelne chronologisch mit bestimmtem Bewußtsein aneinander gereiht. Aber es geht aus der Betrachtung des Einzelnen hervor, daß in manchen einzelnen Gebieten Unbestimmtheit in der Verknüpfung ist. Er hat also nicht aus den Nachrichten selbst eine bestimmte Ordnung feststellen können und so lag es also wol nicht in seiner Aufgabe. Wenn nun doch der Eingang dagegen spricht, so möchte man sagen, er habe es im Einzelnen nicht durchführen können
punkt, es iſt aber nicht der einer zuſammenhaͤngenden Lebensbe- ſchreibung, denn es ſind viele Momente, welche fuͤr eine Biogra- phie nothwendig ſein wuͤrden, im Evangelium ganz weggelaſſen. Jenen beſtimmten Geſichtspunkt koͤnnte auch ein Anderer, als Johannes, gehabt haben. Nun finden wir, daß Johannes die Begebenheiten der Zeit nach aufeinander bezieht. Die Zeitbeſtim- mungen charakteriſiren ihn nach dem Maaßſtabe jener Zeit als Augenzeugen. Es iſt moͤglich, daß ein Anderer nicht nur den- ſelben Geſichtspunkt gehabt, ſondern auch dieſelben Elemente zu- ſammengeſtellt. Es iſt auch an ſich moͤglich, daß auch die einzel- nen Erzaͤhlungen eben ſo ausſehen wuͤrden, wenn er ſie von Au- genzeugen genommen haͤtte. Aber die einzelnen Erzaͤhlungen im Johannes ſind ſo aus einem Stuͤcke, daß man den Urheber des Erzaͤhlten und den Geſichtspunkt nicht zu trennen vermag. In- deß hat er Erzaͤhlungen, wo er nicht Augenzeuge iſt, ſondern nur nach Augenzeugen referirt, — und doch dieſelbe Lebendigkeit hat. Daruͤber entſcheidet denn nur die Sache ſelbſt, die es ausſpricht, ob er ſelbſt Augenzeuge war oder nicht. Aber betrachten wir das Evangelium im Ganzen, ſo werden wir urtheilen muͤſſen, es ſei der Bericht eines Augenzeugen, der einen beſtimmten Geſichts- punkt gehabt. Das Princip ſeiner Compoſition laͤßt ſich klar er- kennen und daraus geht eben hervor, daß der Verfaſſer im Gan- zen als Augenzeuge anzuſehen iſt.
Betrachten wir das Evangelium des Lukas. Dieſer macht keinen Anſpruch Augenzeuge zu ſein. Er giebt ſich aber im Ein- gange fuͤr einen Forſcher aus. Da fragt ſich, welcher Regel er gefolgt ſei. Nach dem Eingange ſcheint es, als habe er das Ein- zelne chronologiſch mit beſtimmtem Bewußtſein aneinander gereiht. Aber es geht aus der Betrachtung des Einzelnen hervor, daß in manchen einzelnen Gebieten Unbeſtimmtheit in der Verknuͤpfung iſt. Er hat alſo nicht aus den Nachrichten ſelbſt eine beſtimmte Ordnung feſtſtellen koͤnnen und ſo lag es alſo wol nicht in ſeiner Aufgabe. Wenn nun doch der Eingang dagegen ſpricht, ſo moͤchte man ſagen, er habe es im Einzelnen nicht durchfuͤhren koͤnnen
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punkt, es iſt aber nicht der einer zuſammenhaͤngenden Lebensbe-
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phie nothwendig ſein wuͤrden, im Evangelium ganz weggelaſſen.
Jenen beſtimmten Geſichtspunkt koͤnnte auch ein Anderer, als
Johannes, gehabt haben. Nun finden wir, daß Johannes die
Begebenheiten der Zeit nach aufeinander bezieht. Die Zeitbeſtim-
mungen charakteriſiren ihn nach dem Maaßſtabe jener Zeit
als Augenzeugen. Es iſt moͤglich, daß ein Anderer nicht nur den-
ſelben Geſichtspunkt gehabt, ſondern auch dieſelben Elemente zu-
ſammengeſtellt. Es iſt auch an ſich moͤglich, daß auch die einzel-
nen Erzaͤhlungen eben ſo ausſehen wuͤrden, wenn er ſie von Au-
genzeugen genommen haͤtte. Aber die einzelnen Erzaͤhlungen im
Johannes ſind ſo aus einem Stuͤcke, daß man den Urheber des
Erzaͤhlten und den Geſichtspunkt nicht zu trennen vermag. In-
deß hat er Erzaͤhlungen, wo er nicht Augenzeuge iſt, ſondern nur
nach Augenzeugen referirt, — und doch dieſelbe Lebendigkeit hat.
Daruͤber entſcheidet denn nur die Sache ſelbſt, die es ausſpricht,
ob er ſelbſt Augenzeuge war oder nicht. Aber betrachten wir das
Evangelium im Ganzen, ſo werden wir urtheilen muͤſſen, es ſei
der Bericht eines Augenzeugen, der einen beſtimmten Geſichts-
punkt gehabt. Das Princip ſeiner Compoſition laͤßt ſich klar er-
kennen und daraus geht eben hervor, daß der Verfaſſer im Gan-
zen als Augenzeuge anzuſehen iſt.
Betrachten wir das Evangelium des Lukas. Dieſer macht
keinen Anſpruch Augenzeuge zu ſein. Er giebt ſich aber im Ein-
gange fuͤr einen Forſcher aus. Da fragt ſich, welcher Regel er
gefolgt ſei. Nach dem Eingange ſcheint es, als habe er das Ein-
zelne chronologiſch mit beſtimmtem Bewußtſein aneinander gereiht.
Aber es geht aus der Betrachtung des Einzelnen hervor, daß in
manchen einzelnen Gebieten Unbeſtimmtheit in der Verknuͤpfung
iſt. Er hat alſo nicht aus den Nachrichten ſelbſt eine beſtimmte
Ordnung feſtſtellen koͤnnen und ſo lag es alſo wol nicht in ſeiner
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Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiermacher_hermeneutik_1838/248>, abgerufen am 04.12.2024.
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