Einige Schriftsteller dieser Periode nähern sich dem guten Zeit- alter oder suchen es herzustellen. Unsere neutest. Verfasser aber nehmen ihre Sprache mehr aus dem Gebiet des gemei- nen Lebens, und haben diese Tendenz nicht. Aber auch jene sind zuzuziehen wo sie sich im Charakter ihrer Zeit ruhig gehen lassen. Daher richtige Analogien aus Polybius und Josephus. Bemerkte Analogien aus attischen Schriftstellern, wie Thucy- dides, Xenophon, haben einen negativen Nuzen und es ist eine gute Übung sie zu vergleichen. Nemlich man denkt sich oft die verschiedenen Gebiete zu abgeschlossen und meint, einiges könne im klassischen nicht vorkommen, sondern nur im helle- nistischen und makedonischen, und dieß wird so berichtigt.
4. Der Einfluß des aramäischen ist nur zu bestimmen aus der allgemeinen Anschauung von der Art sich eine fremde Sprache anzueignen. Volksthümlichkeit und Neigung zum all- gemeinen Verkehr sind überall auch im Gebiet der Sprache bei einander. Häufig verschwindet die lezte als Minimum. Wo zu sehr die lezte überwiegt, da ist gewiß die Volksthüm- lichkeit im Verfall. Die Fertigkeit aber sich viele Sprachen kunstgemäß anzueignen, indem an dem allgemeinen Bilde der Sprache die Muttersprache und die fremde verglichen werden, ist ein Talent. Dieses Talent ist unter den Juden niemals bedeutend gewesen. Jene Leichtigkeit aber, welche jezt bis zum Verschwinden der Muttersprache gediehen ist, war schon damals bei ihnen vorhanden. Aber auf dem Wege des gemeinen Ver- kehrs ohne Grammatik und Litteratur schleichen sich bei der Aneignung Fehler ein, welche bei wissenschaftlich gebildeten sich nicht finden, und dieß ist der Unterschied zwischen dem N. T. und Philo und Josephus. Diese Fehler sind in unserem Falle zwiefach. Einmal aus dem Contrast des Reichthums und der Armuth an formellen Elementen entsteht daß die neutestam. Schriftsteller den griechischen Reichthum nicht so zu gebrauchen wissen. Dann indem bei der Aneignung die fremden Wörter auf Wörter in der Muttersprache reducirt werden entsteht leicht
Einige Schriftſteller dieſer Periode naͤhern ſich dem guten Zeit- alter oder ſuchen es herzuſtellen. Unſere neuteſt. Verfaſſer aber nehmen ihre Sprache mehr aus dem Gebiet des gemei- nen Lebens, und haben dieſe Tendenz nicht. Aber auch jene ſind zuzuziehen wo ſie ſich im Charakter ihrer Zeit ruhig gehen laſſen. Daher richtige Analogien aus Polybius und Joſephus. Bemerkte Analogien aus attiſchen Schriftſtellern, wie Thucy- dides, Xenophon, haben einen negativen Nuzen und es iſt eine gute Übung ſie zu vergleichen. Nemlich man denkt ſich oft die verſchiedenen Gebiete zu abgeſchloſſen und meint, einiges koͤnne im klaſſiſchen nicht vorkommen, ſondern nur im helle- niſtiſchen und makedoniſchen, und dieß wird ſo berichtigt.
4. Der Einfluß des aramaͤiſchen iſt nur zu beſtimmen aus der allgemeinen Anſchauung von der Art ſich eine fremde Sprache anzueignen. Volksthuͤmlichkeit und Neigung zum all- gemeinen Verkehr ſind uͤberall auch im Gebiet der Sprache bei einander. Haͤufig verſchwindet die lezte als Minimum. Wo zu ſehr die lezte uͤberwiegt, da iſt gewiß die Volksthuͤm- lichkeit im Verfall. Die Fertigkeit aber ſich viele Sprachen kunſtgemaͤß anzueignen, indem an dem allgemeinen Bilde der Sprache die Mutterſprache und die fremde verglichen werden, iſt ein Talent. Dieſes Talent iſt unter den Juden niemals bedeutend geweſen. Jene Leichtigkeit aber, welche jezt bis zum Verſchwinden der Mutterſprache gediehen iſt, war ſchon damals bei ihnen vorhanden. Aber auf dem Wege des gemeinen Ver- kehrs ohne Grammatik und Litteratur ſchleichen ſich bei der Aneignung Fehler ein, welche bei wiſſenſchaftlich gebildeten ſich nicht finden, und dieß iſt der Unterſchied zwiſchen dem N. T. und Philo und Joſephus. Dieſe Fehler ſind in unſerem Falle zwiefach. Einmal aus dem Contraſt des Reichthums und der Armuth an formellen Elementen entſteht daß die neuteſtam. Schriftſteller den griechiſchen Reichthum nicht ſo zu gebrauchen wiſſen. Dann indem bei der Aneignung die fremden Woͤrter auf Woͤrter in der Mutterſprache reducirt werden entſteht leicht
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Einige Schriftſteller dieſer Periode naͤhern ſich dem guten Zeit-
alter oder ſuchen es herzuſtellen. Unſere neuteſt. Verfaſſer
aber nehmen ihre Sprache mehr aus dem Gebiet des gemei-
nen Lebens, und haben dieſe Tendenz nicht. Aber auch jene
ſind zuzuziehen wo ſie ſich im Charakter ihrer Zeit ruhig gehen
laſſen. Daher richtige Analogien aus Polybius und Joſephus.
Bemerkte Analogien aus attiſchen Schriftſtellern, wie Thucy-
dides, Xenophon, haben einen negativen Nuzen und es iſt eine
gute Übung ſie zu vergleichen. Nemlich man denkt ſich oft
die verſchiedenen Gebiete zu abgeſchloſſen und meint, einiges
koͤnne im klaſſiſchen nicht vorkommen, ſondern nur im helle-
niſtiſchen und makedoniſchen, und dieß wird ſo berichtigt.
4. Der Einfluß des aramaͤiſchen iſt nur zu beſtimmen aus
der allgemeinen Anſchauung von der Art ſich eine fremde
Sprache anzueignen. Volksthuͤmlichkeit und Neigung zum all-
gemeinen Verkehr ſind uͤberall auch im Gebiet der Sprache
bei einander. Haͤufig verſchwindet die lezte als Minimum.
Wo zu ſehr die lezte uͤberwiegt, da iſt gewiß die Volksthuͤm-
lichkeit im Verfall. Die Fertigkeit aber ſich viele Sprachen
kunſtgemaͤß anzueignen, indem an dem allgemeinen Bilde der
Sprache die Mutterſprache und die fremde verglichen werden,
iſt ein Talent. Dieſes Talent iſt unter den Juden niemals
bedeutend geweſen. Jene Leichtigkeit aber, welche jezt bis zum
Verſchwinden der Mutterſprache gediehen iſt, war ſchon damals
bei ihnen vorhanden. Aber auf dem Wege des gemeinen Ver-
kehrs ohne Grammatik und Litteratur ſchleichen ſich bei der
Aneignung Fehler ein, welche bei wiſſenſchaftlich gebildeten ſich
nicht finden, und dieß iſt der Unterſchied zwiſchen dem N. T.
und Philo und Joſephus. Dieſe Fehler ſind in unſerem Falle
zwiefach. Einmal aus dem Contraſt des Reichthums und
der Armuth an formellen Elementen entſteht daß die neuteſtam.
Schriftſteller den griechiſchen Reichthum nicht ſo zu gebrauchen
wiſſen. Dann indem bei der Aneignung die fremden Woͤrter
auf Woͤrter in der Mutterſprache reducirt werden entſteht leicht
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Schleiermacher, Friedrich: Hermeneutik und Kritik. Berlin, 1838, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiermacher_hermeneutik_1838/79>, abgerufen am 04.12.2024.
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