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Schleinitz, Alexandra von: Offener Brief einer Studirenden an die Gegner der „Studentinnen“ unter den Studenten. Zürich, 1872.

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Frauensache zu kämpfen und zu streiten - und Sie sind Gegner der
Emanzipation, des öffentlichen Heraustretens der Frauen, aber ge-
rade Sie, Sie drücken uns die Waffen in die Hand und zwingen
uns, uns zu vertheidigen; Sie machen uns den Platz, den wir
mit der Hoffnung einnahmen, einen schönen, friedlichen, gedeihlichen
Boden zu betreten, Sie machen ihn uns zu einem Kampfplatz, zu
einem gefährdeten, bedrohten Posten. Sie, die Sie von der Ten-
denz ausgehen, Stille und Eingezogenheit sei das Element der Frau:
Sie drängen uns in die Oeffentlichkeit hinein, Sie allarmiren die
Welt gegen uns und lenken die allgemeine Aufmerksamkeit auf
uns hin. Wohlan, da Sie uns angreifen, so wollen wir Ihnen stehen,
so wollen wir, voll redlichen Gewissens, mit offenem Blick in das
Antlitz unserer Feinde schauen. Aber eh' wir unsrerseits den Kampf
beginnen, oder vielmehr den von Ihnen begonnenen Kampf nur
fortsetzen, indem wir nothgedrungene Abwehr üben, rufen wir
vorher es Ihnen in das Gedächtniss zurück: wir sind Frauen, und
selbst da, wo wir gezwungen kämpfen, verehren wir, ihrer uns
freuend, heilige Schranken; selbst da wollen wir Gesetz und Form
und Sitte herrschend wissen. Nur der reinsten spiegelhellsten
Waffen mögen wir uns bedienen; unfähig aber sind wir, aus dem
Schlamme Steine aufzuraffen, und unfähig wären wir, derartiges
Geschoss zu erwidern. Jeder unedlen Angriffsweise stehen wir
wehrlos gegenüber, weil es uns unmöglich ist, auf gleiche Art zu
kämpfen. Also ritterlicher Kampf! Sie greifen Frauen an - wenig-
stens die Art und Weise, wie Sie es thun, möge in unsern Augen
Ihnen gewissermassen zur Entschuldigung gereichen, dass Sie es
thun.

Wir beginnen unsere Vertheidigung und rufen Ihnen zu: Warum
wollen Sie uns von den Hörbänken herunter drängen? Welchen
Grund in aller Welt können Sie haben, es uns verwehren zu wollen,
in Gemeinschaft mit Ihnen den Worten zu lauschen, die durch den
Mund ihrer Vertreter die Wissenschaft spricht? - Nehmen Sie ein
Aergerniss daran, dass auch die Frauen lernen wollen, dass sie
Ihnen in's Handwerk pfuschen, in die Karten gucken? - Ist was
Sie bewegt Eifersucht und Entrüstung, die darob Sie empfinden,
dass die Frauen es Ihnen gleich thun wollen, dass auch sie sich
geistiger Kräfte bewusst worden, auch sie die Schwingen regen
und ihren Flug dem Licht entgegen richten möchten? Meinen Sie,
nur den Männern, nur dem königlichen Geschlecht der Adler stehe
dieses Vorrecht zu, den kühnen, stolzen Flug in die scharfe, klare

Frauensache zu kämpfen und zu streiten – und Sie sind Gegner der
Emanzipation, des öffentlichen Heraustretens der Frauen, aber ge-
rade Sie, Sie drücken uns die Waffen in die Hand und zwingen
uns, uns zu vertheidigen; Sie machen uns den Platz, den wir
mit der Hoffnung einnahmen, einen schönen, friedlichen, gedeihlichen
Boden zu betreten, Sie machen ihn uns zu einem Kampfplatz, zu
einem gefährdeten, bedrohten Posten. Sie, die Sie von der Ten-
denz ausgehen, Stille und Eingezogenheit sei das Element der Frau:
Sie drängen uns in die Oeffentlichkeit hinein, Sie allarmiren die
Welt gegen uns und lenken die allgemeine Aufmerksamkeit auf
uns hin. Wohlan, da Sie uns angreifen, so wollen wir Ihnen stehen,
so wollen wir, voll redlichen Gewissens, mit offenem Blick in das
Antlitz unserer Feinde schauen. Aber eh’ wir unsrerseits den Kampf
beginnen, oder vielmehr den von Ihnen begonnenen Kampf nur
fortsetzen, indem wir nothgedrungene Abwehr üben, rufen wir
vorher es Ihnen in das Gedächtniss zurück: wir sind Frauen, und
selbst da, wo wir gezwungen kämpfen, verehren wir, ihrer uns
freuend, heilige Schranken; selbst da wollen wir Gesetz und Form
und Sitte herrschend wissen. Nur der reinsten spiegelhellsten
Waffen mögen wir uns bedienen; unfähig aber sind wir, aus dem
Schlamme Steine aufzuraffen, und unfähig wären wir, derartiges
Geschoss zu erwidern. Jeder unedlen Angriffsweise stehen wir
wehrlos gegenüber, weil es uns unmöglich ist, auf gleiche Art zu
kämpfen. Also ritterlicher Kampf! Sie greifen Frauen an – wenig-
stens die Art und Weise, wie Sie es thun, möge in unsern Augen
Ihnen gewissermassen zur Entschuldigung gereichen, dass Sie es
thun.

Wir beginnen unsere Vertheidigung und rufen Ihnen zu: Warum
wollen Sie uns von den Hörbänken herunter drängen? Welchen
Grund in aller Welt können Sie haben, es uns verwehren zu wollen,
in Gemeinschaft mit Ihnen den Worten zu lauschen, die durch den
Mund ihrer Vertreter die Wissenschaft spricht? – Nehmen Sie ein
Aergerniss daran, dass auch die Frauen lernen wollen, dass sie
Ihnen in’s Handwerk pfuschen, in die Karten gucken? – Ist was
Sie bewegt Eifersucht und Entrüstung, die darob Sie empfinden,
dass die Frauen es Ihnen gleich thun wollen, dass auch sie sich
geistiger Kräfte bewusst worden, auch sie die Schwingen regen
und ihren Flug dem Licht entgegen richten möchten? Meinen Sie,
nur den Männern, nur dem königlichen Geschlecht der Adler stehe
dieses Vorrecht zu, den kühnen, stolzen Flug in die scharfe, klare

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[4/0004] Frauensache zu kämpfen und zu streiten – und Sie sind Gegner der Emanzipation, des öffentlichen Heraustretens der Frauen, aber ge- rade Sie, Sie drücken uns die Waffen in die Hand und zwingen uns, uns zu vertheidigen; Sie machen uns den Platz, den wir mit der Hoffnung einnahmen, einen schönen, friedlichen, gedeihlichen Boden zu betreten, Sie machen ihn uns zu einem Kampfplatz, zu einem gefährdeten, bedrohten Posten. Sie, die Sie von der Ten- denz ausgehen, Stille und Eingezogenheit sei das Element der Frau: Sie drängen uns in die Oeffentlichkeit hinein, Sie allarmiren die Welt gegen uns und lenken die allgemeine Aufmerksamkeit auf uns hin. Wohlan, da Sie uns angreifen, so wollen wir Ihnen stehen, so wollen wir, voll redlichen Gewissens, mit offenem Blick in das Antlitz unserer Feinde schauen. Aber eh’ wir unsrerseits den Kampf beginnen, oder vielmehr den von Ihnen begonnenen Kampf nur fortsetzen, indem wir nothgedrungene Abwehr üben, rufen wir vorher es Ihnen in das Gedächtniss zurück: wir sind Frauen, und selbst da, wo wir gezwungen kämpfen, verehren wir, ihrer uns freuend, heilige Schranken; selbst da wollen wir Gesetz und Form und Sitte herrschend wissen. Nur der reinsten spiegelhellsten Waffen mögen wir uns bedienen; unfähig aber sind wir, aus dem Schlamme Steine aufzuraffen, und unfähig wären wir, derartiges Geschoss zu erwidern. Jeder unedlen Angriffsweise stehen wir wehrlos gegenüber, weil es uns unmöglich ist, auf gleiche Art zu kämpfen. Also ritterlicher Kampf! Sie greifen Frauen an – wenig- stens die Art und Weise, wie Sie es thun, möge in unsern Augen Ihnen gewissermassen zur Entschuldigung gereichen, dass Sie es thun. Wir beginnen unsere Vertheidigung und rufen Ihnen zu: Warum wollen Sie uns von den Hörbänken herunter drängen? Welchen Grund in aller Welt können Sie haben, es uns verwehren zu wollen, in Gemeinschaft mit Ihnen den Worten zu lauschen, die durch den Mund ihrer Vertreter die Wissenschaft spricht? – Nehmen Sie ein Aergerniss daran, dass auch die Frauen lernen wollen, dass sie Ihnen in’s Handwerk pfuschen, in die Karten gucken? – Ist was Sie bewegt Eifersucht und Entrüstung, die darob Sie empfinden, dass die Frauen es Ihnen gleich thun wollen, dass auch sie sich geistiger Kräfte bewusst worden, auch sie die Schwingen regen und ihren Flug dem Licht entgegen richten möchten? Meinen Sie, nur den Männern, nur dem königlichen Geschlecht der Adler stehe dieses Vorrecht zu, den kühnen, stolzen Flug in die scharfe, klare

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Zitationshilfe: Schleinitz, Alexandra von: Offener Brief einer Studirenden an die Gegner der „Studentinnen“ unter den Studenten. Zürich, 1872, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleinitz_brief_1872/4>, abgerufen am 29.03.2024.