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Schmidlin, Johann Gottlieb: Ueber öffentliche Kinder-Industrie-Anstalten überhaupt, und insbesondere in Württemberg. Stuttgart, 1821.

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§. 38.

Ueberdieß gibt es ja eine Menge von Menschen,
welche durchaus keine Aussicht haben, je-
mals zu dem Besitz von Grundstücken zu
gelangen,
oder auch nur Gelegenheit zu finden,
als Pächter oder Taglöhner mit schwereren
landwirthschaftlichen Geschäften ihr Brod erwerben zu
können. -- Was nützt den armen Mann die herrlichste
Markung seiner Gemeinde, wenn jeder Schuh breit
Landes bereits seinen anderen Besitzer hat, oder wenn
das etwa vorhandene unkultivirte Feld zur Viehweide
unentbehrlich ist, oder wenn die Gesetze, früheren Ver-
träge, oder altes Herkommen ihn, selbst im Falle einer
Vertheilung, von dem Mitgenusse ausschließen. Auch
braucht zwar in der Regel jeder Landwirth, jede Ge-
meinde wenigstens, ihre Taglöhner, es gibt sogar Orte,
wo Mangel an Taglöhnern ist, aber das Bedürfniß
an solchen Gehülfen hat doch auch seine Grenzen, so
mancher findet niemand im Orte, der ihn als Tag-
löhner anstellen kann oder will, und in fremden Orten
wird nicht leicht ein armer Mann als Taglöhner auf-
genommen. -- Mancher ist überhaupt schon vermöge
seines Geschlechts und seiner körperlichen Constitution
oder seiner Gesundheits-Umstände den schwereren Land-
und Hauswirthschaftlichen Geschäften gar nicht gewach-
sen. -- Gelehrte, Geistliche, Schullehrer, Beamte,
und sonstige Geschäftsmänner, oder Kaufleute, Künst-
ler, Handwerker etc. und deren Gattinnen können aber
nicht alle werden. -- Es bleibt daher so manchen,
wollen sie nicht bitteren Mangel leiden, absolut nichts
anderes übrig, als sich auf irgend eine Art von
Kunst-Arbeiten zu legen, wodurch sie sich ihren
Unterhalt zu erwerben hoffen können, und wenn also

§. 38.

Ueberdieß gibt es ja eine Menge von Menſchen,
welche durchaus keine Ausſicht haben, je-
mals zu dem Beſitz von Grundſtuͤcken zu
gelangen,
oder auch nur Gelegenheit zu finden,
als Paͤchter oder Tagloͤhner mit ſchwereren
landwirthſchaftlichen Geſchaͤften ihr Brod erwerben zu
koͤnnen. — Was nuͤtzt den armen Mann die herrlichſte
Markung ſeiner Gemeinde, wenn jeder Schuh breit
Landes bereits ſeinen anderen Beſitzer hat, oder wenn
das etwa vorhandene unkultivirte Feld zur Viehweide
unentbehrlich iſt, oder wenn die Geſetze, fruͤheren Ver-
traͤge, oder altes Herkommen ihn, ſelbſt im Falle einer
Vertheilung, von dem Mitgenuſſe ausſchließen. Auch
braucht zwar in der Regel jeder Landwirth, jede Ge-
meinde wenigſtens, ihre Tagloͤhner, es gibt ſogar Orte,
wo Mangel an Tagloͤhnern iſt, aber das Beduͤrfniß
an ſolchen Gehuͤlfen hat doch auch ſeine Grenzen, ſo
mancher findet niemand im Orte, der ihn als Tag-
loͤhner anſtellen kann oder will, und in fremden Orten
wird nicht leicht ein armer Mann als Tagloͤhner auf-
genommen. — Mancher iſt uͤberhaupt ſchon vermoͤge
ſeines Geſchlechts und ſeiner koͤrperlichen Conſtitution
oder ſeiner Geſundheits-Umſtaͤnde den ſchwereren Land-
und Hauswirthſchaftlichen Geſchaͤften gar nicht gewach-
ſen. — Gelehrte, Geiſtliche, Schullehrer, Beamte,
und ſonſtige Geſchaͤftsmaͤnner, oder Kaufleute, Kuͤnſt-
ler, Handwerker ꝛc. und deren Gattinnen koͤnnen aber
nicht alle werden. — Es bleibt daher ſo manchen,
wollen ſie nicht bitteren Mangel leiden, abſolut nichts
anderes uͤbrig, als ſich auf irgend eine Art von
Kunſt-Arbeiten zu legen, wodurch ſie ſich ihren
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[42/0052] §. 38. Ueberdieß gibt es ja eine Menge von Menſchen, welche durchaus keine Ausſicht haben, je- mals zu dem Beſitz von Grundſtuͤcken zu gelangen, oder auch nur Gelegenheit zu finden, als Paͤchter oder Tagloͤhner mit ſchwereren landwirthſchaftlichen Geſchaͤften ihr Brod erwerben zu koͤnnen. — Was nuͤtzt den armen Mann die herrlichſte Markung ſeiner Gemeinde, wenn jeder Schuh breit Landes bereits ſeinen anderen Beſitzer hat, oder wenn das etwa vorhandene unkultivirte Feld zur Viehweide unentbehrlich iſt, oder wenn die Geſetze, fruͤheren Ver- traͤge, oder altes Herkommen ihn, ſelbſt im Falle einer Vertheilung, von dem Mitgenuſſe ausſchließen. Auch braucht zwar in der Regel jeder Landwirth, jede Ge- meinde wenigſtens, ihre Tagloͤhner, es gibt ſogar Orte, wo Mangel an Tagloͤhnern iſt, aber das Beduͤrfniß an ſolchen Gehuͤlfen hat doch auch ſeine Grenzen, ſo mancher findet niemand im Orte, der ihn als Tag- loͤhner anſtellen kann oder will, und in fremden Orten wird nicht leicht ein armer Mann als Tagloͤhner auf- genommen. — Mancher iſt uͤberhaupt ſchon vermoͤge ſeines Geſchlechts und ſeiner koͤrperlichen Conſtitution oder ſeiner Geſundheits-Umſtaͤnde den ſchwereren Land- und Hauswirthſchaftlichen Geſchaͤften gar nicht gewach- ſen. — Gelehrte, Geiſtliche, Schullehrer, Beamte, und ſonſtige Geſchaͤftsmaͤnner, oder Kaufleute, Kuͤnſt- ler, Handwerker ꝛc. und deren Gattinnen koͤnnen aber nicht alle werden. — Es bleibt daher ſo manchen, wollen ſie nicht bitteren Mangel leiden, abſolut nichts anderes uͤbrig, als ſich auf irgend eine Art von Kunſt-Arbeiten zu legen, wodurch ſie ſich ihren Unterhalt zu erwerben hoffen koͤnnen, und wenn alſo

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Zitationshilfe: Schmidlin, Johann Gottlieb: Ueber öffentliche Kinder-Industrie-Anstalten überhaupt, und insbesondere in Württemberg. Stuttgart, 1821, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmidlin_kinderindustrie_1821/52>, abgerufen am 21.11.2024.