Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 1. Chemnitz, 1705.

Bild:
<< vorherige Seite

Weibern hochgehaltenen Aberglauben.
gauer Bier zu holen/ da hätte der Böttger ihr
geschenckt/ und sie genöthiget/ daß sie so viel
Bretzeln darzu gessen/ nach welchen sie es alsbald
an das Hertz gedrucket hätte/ und sey ihr der
Leib von dato an täglich mehr geschwollen. Hier-
aus ist nun zu sehen/ was die Grünen-Donners-
tags-Bretzeln vor Krafft und Wirckung haben/
es werden aber dieses wohl keine krummen ge-
wesen seyn.

Das 45. Capitel.

Wenn man über ein Kind hin schrei-
tet/ so wächset es nicht grösser.

ICh will das Gegentheil behaupten/ und sa-
ge: Wenn man über die Kinder hin schrei-
tet/ so wachsen sie grösser; und setze ich mei-
ne Ehre zum Pfande/ ihr abergläubischen Tho-
ren! daß eure Kinder/ welche noch zu wachsen ha-
ben/ wenn ihr gleich über sie wegschreitet/ den-
noch ungehindert wachsen werden; denn/ so lan-
ge ihr eure Kinder überschreiten könnt/ so lange
werden sie wachsen/ wenn ihr sie aber nicht über-
schreiten könnet/ so sind sie gewiß schon so groß/ daß
sie ausgewachsen haben. Zu dem frage ich euch/
ob nicht eure kleinen zwey- und drey-jährigen
Kinder offt sich in die Stuben/ ja gar an die Thü-
ren legen/ daß die Ein- und Ausgehenden über sie
hinschreiten müssen? Da schreyet ihr mit vollem

Halse
F

Weibern hochgehaltenen Aberglauben.
gauer Bier zu holen/ da haͤtte der Boͤttger ihr
geſchenckt/ und ſie genoͤthiget/ daß ſie ſo viel
Bretzeln darzu geſſen/ nach welchen ſie es alsbald
an das Hertz gedrucket haͤtte/ und ſey ihr der
Leib von dato an taͤglich mehr geſchwollen. Hier-
aus iſt nun zu ſehen/ was die Gruͤnen-Donners-
tags-Bretzeln vor Krafft und Wirckung haben/
es werden aber dieſes wohl keine krummen ge-
weſen ſeyn.

Das 45. Capitel.

Wenn man uͤber ein Kind hin ſchrei-
tet/ ſo waͤchſet es nicht groͤſſer.

ICh will das Gegentheil behaupten/ und ſa-
ge: Wenn man uͤber die Kinder hin ſchrei-
tet/ ſo wachſen ſie groͤſſer; und ſetze ich mei-
ne Ehre zum Pfande/ ihr aberglaͤubiſchen Tho-
ren! daß eure Kinder/ welche noch zu wachſen ha-
ben/ wenn ihr gleich uͤber ſie wegſchreitet/ den-
noch ungehindert wachſen werden; denn/ ſo lan-
ge ihr eure Kinder uͤberſchreiten koͤnnt/ ſo lange
werden ſie wachſen/ wenn ihr ſie aber nicht uͤber-
ſchreiten koͤñet/ ſo ſind ſie gewiß ſchon ſo groß/ daß
ſie ausgewachſen haben. Zu dem frage ich euch/
ob nicht eure kleinen zwey- und drey-jaͤhrigen
Kinder offt ſich in die Stuben/ ja gar an die Thuͤ-
ren legen/ daß die Ein- und Ausgehenden uͤber ſie
hinſchreiten muͤſſen? Da ſchreyet ihr mit vollem

Halſe
F
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0103" n="81"/><fw place="top" type="header">Weibern hochgehaltenen Aberglauben.</fw><lb/>
gauer Bier zu holen/ da ha&#x0364;tte der Bo&#x0364;ttger ihr<lb/>
ge&#x017F;chenckt/ und &#x017F;ie geno&#x0364;thiget/ daß &#x017F;ie &#x017F;o viel<lb/>
Bretzeln darzu ge&#x017F;&#x017F;en/ nach welchen &#x017F;ie es alsbald<lb/>
an das Hertz gedrucket ha&#x0364;tte/ und &#x017F;ey ihr der<lb/>
Leib von <hi rendition="#aq">dato</hi> an ta&#x0364;glich mehr ge&#x017F;chwollen. Hier-<lb/>
aus i&#x017F;t nun zu &#x017F;ehen/ was die Gru&#x0364;nen-Donners-<lb/>
tags-Bretzeln vor Krafft und Wirckung haben/<lb/>
es werden aber die&#x017F;es wohl keine krummen ge-<lb/>
we&#x017F;en &#x017F;eyn.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Das 45. Capitel.</hi> </head><lb/>
        <argument>
          <p>Wenn man u&#x0364;ber ein Kind hin &#x017F;chrei-<lb/><hi rendition="#c">tet/ &#x017F;o wa&#x0364;ch&#x017F;et es nicht gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er.</hi></p>
        </argument><lb/>
        <p><hi rendition="#in">I</hi>Ch will das Gegentheil behaupten/ und &#x017F;a-<lb/>
ge: Wenn man u&#x0364;ber die Kinder hin &#x017F;chrei-<lb/>
tet/ &#x017F;o wach&#x017F;en &#x017F;ie gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er; und &#x017F;etze ich mei-<lb/>
ne Ehre zum Pfande/ ihr abergla&#x0364;ubi&#x017F;chen Tho-<lb/>
ren! daß eure Kinder/ welche noch zu wach&#x017F;en ha-<lb/>
ben/ wenn ihr gleich u&#x0364;ber &#x017F;ie weg&#x017F;chreitet/ den-<lb/>
noch ungehindert wach&#x017F;en werden; denn/ &#x017F;o lan-<lb/>
ge ihr eure Kinder u&#x0364;ber&#x017F;chreiten ko&#x0364;nnt/ &#x017F;o lange<lb/>
werden &#x017F;ie wach&#x017F;en/ wenn ihr &#x017F;ie aber nicht u&#x0364;ber-<lb/>
&#x017F;chreiten ko&#x0364;n&#x0303;et/ &#x017F;o &#x017F;ind &#x017F;ie gewiß &#x017F;chon &#x017F;o groß/ daß<lb/>
&#x017F;ie ausgewach&#x017F;en haben. Zu dem frage ich euch/<lb/>
ob nicht eure kleinen zwey- und drey-ja&#x0364;hrigen<lb/>
Kinder offt &#x017F;ich in die Stuben/ ja gar an die Thu&#x0364;-<lb/>
ren legen/ daß die Ein- und Ausgehenden u&#x0364;ber &#x017F;ie<lb/>
hin&#x017F;chreiten mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en? Da &#x017F;chreyet ihr mit vollem<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F</fw><fw place="bottom" type="catch">Hal&#x017F;e</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[81/0103] Weibern hochgehaltenen Aberglauben. gauer Bier zu holen/ da haͤtte der Boͤttger ihr geſchenckt/ und ſie genoͤthiget/ daß ſie ſo viel Bretzeln darzu geſſen/ nach welchen ſie es alsbald an das Hertz gedrucket haͤtte/ und ſey ihr der Leib von dato an taͤglich mehr geſchwollen. Hier- aus iſt nun zu ſehen/ was die Gruͤnen-Donners- tags-Bretzeln vor Krafft und Wirckung haben/ es werden aber dieſes wohl keine krummen ge- weſen ſeyn. Das 45. Capitel. Wenn man uͤber ein Kind hin ſchrei- tet/ ſo waͤchſet es nicht groͤſſer. ICh will das Gegentheil behaupten/ und ſa- ge: Wenn man uͤber die Kinder hin ſchrei- tet/ ſo wachſen ſie groͤſſer; und ſetze ich mei- ne Ehre zum Pfande/ ihr aberglaͤubiſchen Tho- ren! daß eure Kinder/ welche noch zu wachſen ha- ben/ wenn ihr gleich uͤber ſie wegſchreitet/ den- noch ungehindert wachſen werden; denn/ ſo lan- ge ihr eure Kinder uͤberſchreiten koͤnnt/ ſo lange werden ſie wachſen/ wenn ihr ſie aber nicht uͤber- ſchreiten koͤñet/ ſo ſind ſie gewiß ſchon ſo groß/ daß ſie ausgewachſen haben. Zu dem frage ich euch/ ob nicht eure kleinen zwey- und drey-jaͤhrigen Kinder offt ſich in die Stuben/ ja gar an die Thuͤ- ren legen/ daß die Ein- und Ausgehenden uͤber ſie hinſchreiten muͤſſen? Da ſchreyet ihr mit vollem Halſe F

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia01_1705
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia01_1705/103
Zitationshilfe: Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 1. Chemnitz, 1705, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia01_1705/103>, abgerufen am 21.11.2024.