Schmolck, Benjamin: Das Himmlische Vergnügen in Gott, oder vollständiges Gebett-Buch. Neue Aufl. Basel, 1753.Gebett um gute Vorbereitung zu einem seligen Ende. Laß die tägliche Gedancken des Todes, so offt ich mich vomGetümmel der Welt abgerissen, und in der stillen Einsam- keit finde, meine zum Aufbruch sich rüstende Seele unterhal- ten, so lang, bis mir der Tod nicht mehr vorkommt als etwas entsetzliches, sondern als ein angenehmer Botte meiner fro- hen Ewigkeit: Suchte ich mein Vergnügen in dem gros- sen Nichts dieser Welt, wäre ich ein Freund der sündlichen Lüste, oder suchte meine Freude in der Besitzung Geldes und Guts, bauete ich Hütten, die ich eine grosse Menge von Jahren gedächte zu besitzen, so möchte mir der Tod bitter, und das Sterben sauer ankommen, wie der Verlust der Götzen den Laban schmertzte, und wie der bald verwelckende Kürbis den Jonam betrübte: Weil ich aber alle diese Dinge, als et- was Nichtiges und Vergängliches ansehe, weil ich die Welt nicht vor mein Vatterland, sondern nur vor eine Herberge halte, woraus ich bald verreisen muß, weil ich die Bosheit und Faschheit der Welt hab kennen lernen, weil ich die Sün- de vor meinen ärgsten Feind halte, weil ich so viel Stückwerck in dieser Unvollkommenheit mercke, und weil ich überzeugt bin von der Herrlichkeit, die droben auf mich wartet, warum sollte ich dann nicht nach dem Himmel mich sehnen? Bald bey dir zu seyn, theurester JEsu! und das Erbtheil einneh- men, das du mir durch dein theures Blut erworben hast: Ich verliere nichts, sondern gewinne vielmehr durch den Tod unvergleichlich viel, für eine garstige Welt einen schönen Himmel, für eine mit Sünden befleckte Seele, einen voll- kommenen Geist: Sehnet sich doch ein müder Wanders- Mann nach dem Abend, sollte ich mich nicht auch sehnen nach dem Ort meiner Ruhe? O seliger Abend meines Lebens, der alle meines Leyds wird ein Ende, und meiner ewigen Freude einen Anfang machen. Ach komm, HErr JEsu! komme bald, und gedencke meiner, mein GOtt, im Besten, Amen. Gebett eines Sterbenden um ein seliges Ende. 1 B. Kön. 19, 4. Es ist genug, so nimm nun, HErr, meine Seele, ich bin Barm-
Gebett um gute Vorbereitung zu einem ſeligen Ende. Laß die tägliche Gedancken des Todes, ſo offt ich mich vomGetümmel der Welt abgeriſſen, und in der ſtillen Einſam- keit finde, meine zum Aufbruch ſich rüſtende Seele unterhal- ten, ſo lang, bis mir der Tod nicht mehr vorkommt als etwas entſetzliches, ſondern als ein angenehmer Botte meiner fro- hen Ewigkeit: Suchte ich mein Vergnügen in dem groſ- ſen Nichts dieſer Welt, wäre ich ein Freund der ſündlichen Lüſte, oder ſuchte meine Freude in der Beſitzung Geldes und Guts, bauete ich Hütten, die ich eine groſſe Menge von Jahren gedächte zu beſitzen, ſo möchte mir der Tod bitter, und das Sterben ſauer ankommen, wie der Verluſt der Götzen den Laban ſchmertzte, und wie der bald verwelckende Kürbis den Jonam betrübte: Weil ich aber alle dieſe Dinge, als et- was Nichtiges und Vergängliches anſehe, weil ich die Welt nicht vor mein Vatterland, ſondern nur vor eine Herberge halte, woraus ich bald verreiſen muß, weil ich die Bosheit und Faſchheit der Welt hab kennen lernen, weil ich die Sün- de vor meinen ärgſten Feind halte, weil ich ſo viel Stückwerck in dieſer Unvollkommenheit mercke, und weil ich überzeugt bin von der Herrlichkeit, die droben auf mich wartet, warum ſollte ich dann nicht nach dem Himmel mich ſehnen? Bald bey dir zu ſeyn, theureſter JEſu! und das Erbtheil einneh- men, das du mir durch dein theures Blut erworben haſt: Ich verliere nichts, ſondern gewinne vielmehr durch den Tod unvergleichlich viel, für eine garſtige Welt einen ſchönen Himmel, für eine mit Sünden befleckte Seele, einen voll- kommenen Geiſt: Sehnet ſich doch ein müder Wanders- Mann nach dem Abend, ſollte ich mich nicht auch ſehnen nach dem Ort meiner Ruhe? O ſeliger Abend meines Lebens, der alle meines Leyds wird ein Ende, und meiner ewigen Freude einen Anfang machen. Ach komm, HErr JEſu! komme bald, und gedencke meiner, mein GOtt, im Beſten, Amen. Gebett eines Sterbenden um ein ſeliges Ende. 1 B. Kön. 19, 4. Es iſt genug, ſo nimm nun, HErr, meine Seele, ich bin Barm-
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Gebett um gute Vorbereitung zu einem ſeligen Ende.
Laß die tägliche Gedancken des Todes, ſo offt ich mich vom
Getümmel der Welt abgeriſſen, und in der ſtillen Einſam-
keit finde, meine zum Aufbruch ſich rüſtende Seele unterhal-
ten, ſo lang, bis mir der Tod nicht mehr vorkommt als etwas
entſetzliches, ſondern als ein angenehmer Botte meiner fro-
hen Ewigkeit: Suchte ich mein Vergnügen in dem groſ-
ſen Nichts dieſer Welt, wäre ich ein Freund der ſündlichen
Lüſte, oder ſuchte meine Freude in der Beſitzung Geldes und
Guts, bauete ich Hütten, die ich eine groſſe Menge von
Jahren gedächte zu beſitzen, ſo möchte mir der Tod bitter, und
das Sterben ſauer ankommen, wie der Verluſt der Götzen
den Laban ſchmertzte, und wie der bald verwelckende Kürbis
den Jonam betrübte: Weil ich aber alle dieſe Dinge, als et-
was Nichtiges und Vergängliches anſehe, weil ich die Welt
nicht vor mein Vatterland, ſondern nur vor eine Herberge
halte, woraus ich bald verreiſen muß, weil ich die Bosheit
und Faſchheit der Welt hab kennen lernen, weil ich die Sün-
de vor meinen ärgſten Feind halte, weil ich ſo viel Stückwerck
in dieſer Unvollkommenheit mercke, und weil ich überzeugt
bin von der Herrlichkeit, die droben auf mich wartet, warum
ſollte ich dann nicht nach dem Himmel mich ſehnen? Bald
bey dir zu ſeyn, theureſter JEſu! und das Erbtheil einneh-
men, das du mir durch dein theures Blut erworben haſt:
Ich verliere nichts, ſondern gewinne vielmehr durch den Tod
unvergleichlich viel, für eine garſtige Welt einen ſchönen
Himmel, für eine mit Sünden befleckte Seele, einen voll-
kommenen Geiſt: Sehnet ſich doch ein müder Wanders-
Mann nach dem Abend, ſollte ich mich nicht auch ſehnen nach
dem Ort meiner Ruhe? O ſeliger Abend meines Lebens, der
alle meines Leyds wird ein Ende, und meiner ewigen Freude
einen Anfang machen. Ach komm, HErr JEſu! komme
bald, und gedencke meiner, mein GOtt, im Beſten, Amen.
Gebett eines Sterbenden um ein ſeliges
Ende.
1 B. Kön. 19, 4. Es iſt genug, ſo nimm nun, HErr, meine Seele, ich bin
nicht beſſer, denn meine Vätter.
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