Zweites Buch. Die gesellschaftliche Verfassung der Volkswirtschaft.
Damit ist auch der Charakter der modernen Gemeindewirtschaft bestimmt. Sie ist nicht mehr wie einst eine dorfgenossenschaftliche Gesamtwirtschaft, d. h. Verwaltung eines von den Genossen genutzten Eigentums, sondern eine der Staatsfinanz ähnliche und ihr nachgebildete Vermögens-, Schulden- und Steuerverwaltung, nebst einer Summe speciali- sierter Anstaltsverwaltungen, wie die Kirchen-, Schul-, Straßen-, Wege-, Wasserwerks-, Gasanstalts-, Armen-, Krankenhaus-, Sparkassen-, Leihhausverwaltung und Ähnliches mehr.
Ein Teil der Gemeinden hat noch aus alter Zeit Forsten, Kämmereigüter, Reste der Allmende und bezieht daraus ein wertvolles, die Steuerlast erleichterndes Einkommen, kann auch da und dort noch ihren Gliedern freies Holz, Waldweide, einem Teile derselben gegen mäßige Bezahlung ein Stückchen Kartoffelland liefern. Überall hat die Gemeinde für Meliorationen und Wegeanlagen, für Wohnungsreform und Errichtung öffentlicher Anstalten, Gebäude, Schulen, Kirchen, Parks, wie für ihre ganze Finanzgebarung durch solchen Grundbesitz eine wertvolle Stütze. Der größere Teil des Gemeindevermögens besteht allerwärts aus Gebäuden für den Gemeinde-, Schul-, Kirchen- und sonstigen Dienst und aus den Wegen und öffentlichen Plätzen; dieser Teil giebt keine oder nur nebenbei eine geringe Einnahme; er wirkt durch seine direkte Nutzung; auch Museen, Bibliotheken und Ähnliches gehören hieher. Einen dritten Bestandteil des Gemeinde- vermögens bilden die öffentlichen Gemeindeanstalten, wie sie besonders die großen Städte in ihren Wasserwerken, Gasanstalten, Schlachthäusern, Sparkassen, Leihhäusern, Markt- hallen etc. haben. Diese Anstalten lassen sich ihre Leistungen im ganzen nach ihrem Werte bezahlen; einige erheben noch in der Bezahlung Steuern, d. h. sie stellen ihre Preise so, daß große Überschüsse für die Gemeinde sich ergeben. Dazu kommt endlich das unter Gemeindeverwaltung stehende Stiftungsvermögen und eigenes werbendes Kapital. Im Westen der Vereinigten Staaten hat die township als Lokalgemeinde die Wurzeln ihrer Kraft dadurch erhalten, daß 1/36 alles Grund und Bodens ihr als Schul- fonds angewiesen wurde.
Allen diesen Vermögensposten stehen nun die wachsenden Gemeindeschulden gegen- über; sie übersteigen jetzt vielfach das Vermögen; die englischen Selbstverwaltungskörper hatten 1881--82 auf 50 Mill. L Jahresausgabe 140 Mill. L Schulden, die französischen Gemeinden 1876--77 auf 239 Mill. Francs Ausgabe 1988 Mill. Francs Schulden; selbst die östlichen preußischen kleinen Landgemeinden hatten 1890 37 Mill. Mark Schulden. Berlin hatte 1889 eine fundierte Stadtschuld von 163 Mill. Mark, der allerdings ein Wert von 120 Mill. in den großen Anstalten der Stadt gegenüber- stand. Paris hatte 1885 eine Schuld von 1810 Mill. Francs. Immer ist heute die Verschuldung der Städte verhältnismäßig wohl noch nicht so groß wie gegen 1600; das Schuldenwesen ist gut geordnet und vom Staate kontrolliert; es bildet ein die Gemeindeglieder verbindendes Band.
In Bezug auf die Geldmittel, welche die Gemeinde sich jährlich von den Bürgern und Einwohnern verschaffen muß, unterscheidet sie sich vom Staate hauptsächlich in folgendem. Sie hat, wenigstens die größere Stadt, meist eine verhältnismäßig bedeutende Anstaltsverwaltung (Gas-, Wasserwerke, Markthallen), für welche sie sich in privat- wirtschaftlicher Weise bezahlen läßt. Sie hat mehr als der Staat Gelegenheit, das Ge- bührensystem auszubilden, wird sich häufiger als er für bestimmte Leistungen, z. B. den Schulunterricht, wenigstens teilweise durch tarifierte Geldansätze bezahlen lassen. Noch mehr wird sie für viele ihrer Thätigkeiten, wie z. B. für Pflasterung und Straßenreinigung, statt eigentlicher Steuern, welche alle Bürger nach der Leistungsfähigkeit heranziehen, sogenannte Beiträge erheben, die von denen zu zahlen sind, die den Vorteil haben, und nach dem Maßstabe, nach welchem sie ihn haben. Nur bleibt stets die gerechte Bemessung dieser Beiträge sehr schwierig, da doch immer schematisch und nicht nach individueller Bewertung verfahren werden muß. Die stärkere Ausbildung der Gebühren und Beiträge hat man mit Recht vielfach neuerdings als eine Hauptpflicht der Gemeinde betont; auch die Vorliebe der Gemeindepolitiker für Grund-, Gebäude- und Mietssteuer beruht auf dem Gedanken, daß diese Steuern dem Princip der Beiträge, der Bezahlung nach dem Vorteile sich nähern. Jedenfalls aber sind für Unterricht, Armenwesen und alle anderen
Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft.
Damit iſt auch der Charakter der modernen Gemeindewirtſchaft beſtimmt. Sie iſt nicht mehr wie einſt eine dorfgenoſſenſchaftliche Geſamtwirtſchaft, d. h. Verwaltung eines von den Genoſſen genutzten Eigentums, ſondern eine der Staatsfinanz ähnliche und ihr nachgebildete Vermögens-, Schulden- und Steuerverwaltung, nebſt einer Summe ſpeciali- ſierter Anſtaltsverwaltungen, wie die Kirchen-, Schul-, Straßen-, Wege-, Waſſerwerks-, Gasanſtalts-, Armen-, Krankenhaus-, Sparkaſſen-, Leihhausverwaltung und Ähnliches mehr.
Ein Teil der Gemeinden hat noch aus alter Zeit Forſten, Kämmereigüter, Reſte der Allmende und bezieht daraus ein wertvolles, die Steuerlaſt erleichterndes Einkommen, kann auch da und dort noch ihren Gliedern freies Holz, Waldweide, einem Teile derſelben gegen mäßige Bezahlung ein Stückchen Kartoffelland liefern. Überall hat die Gemeinde für Meliorationen und Wegeanlagen, für Wohnungsreform und Errichtung öffentlicher Anſtalten, Gebäude, Schulen, Kirchen, Parks, wie für ihre ganze Finanzgebarung durch ſolchen Grundbeſitz eine wertvolle Stütze. Der größere Teil des Gemeindevermögens beſteht allerwärts aus Gebäuden für den Gemeinde-, Schul-, Kirchen- und ſonſtigen Dienſt und aus den Wegen und öffentlichen Plätzen; dieſer Teil giebt keine oder nur nebenbei eine geringe Einnahme; er wirkt durch ſeine direkte Nutzung; auch Muſeen, Bibliotheken und Ähnliches gehören hieher. Einen dritten Beſtandteil des Gemeinde- vermögens bilden die öffentlichen Gemeindeanſtalten, wie ſie beſonders die großen Städte in ihren Waſſerwerken, Gasanſtalten, Schlachthäuſern, Sparkaſſen, Leihhäuſern, Markt- hallen ꝛc. haben. Dieſe Anſtalten laſſen ſich ihre Leiſtungen im ganzen nach ihrem Werte bezahlen; einige erheben noch in der Bezahlung Steuern, d. h. ſie ſtellen ihre Preiſe ſo, daß große Überſchüſſe für die Gemeinde ſich ergeben. Dazu kommt endlich das unter Gemeindeverwaltung ſtehende Stiftungsvermögen und eigenes werbendes Kapital. Im Weſten der Vereinigten Staaten hat die township als Lokalgemeinde die Wurzeln ihrer Kraft dadurch erhalten, daß 1/36 alles Grund und Bodens ihr als Schul- fonds angewieſen wurde.
Allen dieſen Vermögenspoſten ſtehen nun die wachſenden Gemeindeſchulden gegen- über; ſie überſteigen jetzt vielfach das Vermögen; die engliſchen Selbſtverwaltungskörper hatten 1881—82 auf 50 Mill. ₤ Jahresausgabe 140 Mill. ₤ Schulden, die franzöſiſchen Gemeinden 1876—77 auf 239 Mill. Francs Ausgabe 1988 Mill. Francs Schulden; ſelbſt die öſtlichen preußiſchen kleinen Landgemeinden hatten 1890 37 Mill. Mark Schulden. Berlin hatte 1889 eine fundierte Stadtſchuld von 163 Mill. Mark, der allerdings ein Wert von 120 Mill. in den großen Anſtalten der Stadt gegenüber- ſtand. Paris hatte 1885 eine Schuld von 1810 Mill. Francs. Immer iſt heute die Verſchuldung der Städte verhältnismäßig wohl noch nicht ſo groß wie gegen 1600; das Schuldenweſen iſt gut geordnet und vom Staate kontrolliert; es bildet ein die Gemeindeglieder verbindendes Band.
In Bezug auf die Geldmittel, welche die Gemeinde ſich jährlich von den Bürgern und Einwohnern verſchaffen muß, unterſcheidet ſie ſich vom Staate hauptſächlich in folgendem. Sie hat, wenigſtens die größere Stadt, meiſt eine verhältnismäßig bedeutende Anſtaltsverwaltung (Gas-, Waſſerwerke, Markthallen), für welche ſie ſich in privat- wirtſchaftlicher Weiſe bezahlen läßt. Sie hat mehr als der Staat Gelegenheit, das Ge- bührenſyſtem auszubilden, wird ſich häufiger als er für beſtimmte Leiſtungen, z. B. den Schulunterricht, wenigſtens teilweiſe durch tarifierte Geldanſätze bezahlen laſſen. Noch mehr wird ſie für viele ihrer Thätigkeiten, wie z. B. für Pflaſterung und Straßenreinigung, ſtatt eigentlicher Steuern, welche alle Bürger nach der Leiſtungsfähigkeit heranziehen, ſogenannte Beiträge erheben, die von denen zu zahlen ſind, die den Vorteil haben, und nach dem Maßſtabe, nach welchem ſie ihn haben. Nur bleibt ſtets die gerechte Bemeſſung dieſer Beiträge ſehr ſchwierig, da doch immer ſchematiſch und nicht nach individueller Bewertung verfahren werden muß. Die ſtärkere Ausbildung der Gebühren und Beiträge hat man mit Recht vielfach neuerdings als eine Hauptpflicht der Gemeinde betont; auch die Vorliebe der Gemeindepolitiker für Grund-, Gebäude- und Mietsſteuer beruht auf dem Gedanken, daß dieſe Steuern dem Princip der Beiträge, der Bezahlung nach dem Vorteile ſich nähern. Jedenfalls aber ſind für Unterricht, Armenweſen und alle anderen
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Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft.
Damit iſt auch der Charakter der modernen Gemeindewirtſchaft beſtimmt. Sie iſt
nicht mehr wie einſt eine dorfgenoſſenſchaftliche Geſamtwirtſchaft, d. h. Verwaltung eines
von den Genoſſen genutzten Eigentums, ſondern eine der Staatsfinanz ähnliche und ihr
nachgebildete Vermögens-, Schulden- und Steuerverwaltung, nebſt einer Summe ſpeciali-
ſierter Anſtaltsverwaltungen, wie die Kirchen-, Schul-, Straßen-, Wege-, Waſſerwerks-,
Gasanſtalts-, Armen-, Krankenhaus-, Sparkaſſen-, Leihhausverwaltung und Ähnliches mehr.
Ein Teil der Gemeinden hat noch aus alter Zeit Forſten, Kämmereigüter, Reſte
der Allmende und bezieht daraus ein wertvolles, die Steuerlaſt erleichterndes Einkommen,
kann auch da und dort noch ihren Gliedern freies Holz, Waldweide, einem Teile derſelben
gegen mäßige Bezahlung ein Stückchen Kartoffelland liefern. Überall hat die Gemeinde
für Meliorationen und Wegeanlagen, für Wohnungsreform und Errichtung öffentlicher
Anſtalten, Gebäude, Schulen, Kirchen, Parks, wie für ihre ganze Finanzgebarung durch
ſolchen Grundbeſitz eine wertvolle Stütze. Der größere Teil des Gemeindevermögens
beſteht allerwärts aus Gebäuden für den Gemeinde-, Schul-, Kirchen- und ſonſtigen
Dienſt und aus den Wegen und öffentlichen Plätzen; dieſer Teil giebt keine oder nur
nebenbei eine geringe Einnahme; er wirkt durch ſeine direkte Nutzung; auch Muſeen,
Bibliotheken und Ähnliches gehören hieher. Einen dritten Beſtandteil des Gemeinde-
vermögens bilden die öffentlichen Gemeindeanſtalten, wie ſie beſonders die großen Städte
in ihren Waſſerwerken, Gasanſtalten, Schlachthäuſern, Sparkaſſen, Leihhäuſern, Markt-
hallen ꝛc. haben. Dieſe Anſtalten laſſen ſich ihre Leiſtungen im ganzen nach ihrem
Werte bezahlen; einige erheben noch in der Bezahlung Steuern, d. h. ſie ſtellen ihre
Preiſe ſo, daß große Überſchüſſe für die Gemeinde ſich ergeben. Dazu kommt endlich
das unter Gemeindeverwaltung ſtehende Stiftungsvermögen und eigenes werbendes
Kapital. Im Weſten der Vereinigten Staaten hat die township als Lokalgemeinde die
Wurzeln ihrer Kraft dadurch erhalten, daß 1/36 alles Grund und Bodens ihr als Schul-
fonds angewieſen wurde.
Allen dieſen Vermögenspoſten ſtehen nun die wachſenden Gemeindeſchulden gegen-
über; ſie überſteigen jetzt vielfach das Vermögen; die engliſchen Selbſtverwaltungskörper
hatten 1881—82 auf 50 Mill. ₤ Jahresausgabe 140 Mill. ₤ Schulden, die franzöſiſchen
Gemeinden 1876—77 auf 239 Mill. Francs Ausgabe 1988 Mill. Francs Schulden;
ſelbſt die öſtlichen preußiſchen kleinen Landgemeinden hatten 1890 37 Mill. Mark
Schulden. Berlin hatte 1889 eine fundierte Stadtſchuld von 163 Mill. Mark, der
allerdings ein Wert von 120 Mill. in den großen Anſtalten der Stadt gegenüber-
ſtand. Paris hatte 1885 eine Schuld von 1810 Mill. Francs. Immer iſt heute die
Verſchuldung der Städte verhältnismäßig wohl noch nicht ſo groß wie gegen 1600;
das Schuldenweſen iſt gut geordnet und vom Staate kontrolliert; es bildet ein die
Gemeindeglieder verbindendes Band.
In Bezug auf die Geldmittel, welche die Gemeinde ſich jährlich von den Bürgern
und Einwohnern verſchaffen muß, unterſcheidet ſie ſich vom Staate hauptſächlich in
folgendem. Sie hat, wenigſtens die größere Stadt, meiſt eine verhältnismäßig bedeutende
Anſtaltsverwaltung (Gas-, Waſſerwerke, Markthallen), für welche ſie ſich in privat-
wirtſchaftlicher Weiſe bezahlen läßt. Sie hat mehr als der Staat Gelegenheit, das Ge-
bührenſyſtem auszubilden, wird ſich häufiger als er für beſtimmte Leiſtungen, z. B. den
Schulunterricht, wenigſtens teilweiſe durch tarifierte Geldanſätze bezahlen laſſen. Noch mehr
wird ſie für viele ihrer Thätigkeiten, wie z. B. für Pflaſterung und Straßenreinigung,
ſtatt eigentlicher Steuern, welche alle Bürger nach der Leiſtungsfähigkeit heranziehen,
ſogenannte Beiträge erheben, die von denen zu zahlen ſind, die den Vorteil haben, und
nach dem Maßſtabe, nach welchem ſie ihn haben. Nur bleibt ſtets die gerechte Bemeſſung
dieſer Beiträge ſehr ſchwierig, da doch immer ſchematiſch und nicht nach individueller
Bewertung verfahren werden muß. Die ſtärkere Ausbildung der Gebühren und Beiträge
hat man mit Recht vielfach neuerdings als eine Hauptpflicht der Gemeinde betont; auch
die Vorliebe der Gemeindepolitiker für Grund-, Gebäude- und Mietsſteuer beruht auf
dem Gedanken, daß dieſe Steuern dem Princip der Beiträge, der Bezahlung nach dem
Vorteile ſich nähern. Jedenfalls aber ſind für Unterricht, Armenweſen und alle anderen
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Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900/332>, abgerufen am 22.11.2024.
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