Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Einnahmen der Gemeinde.
den Staatsaufgaben näher stehenden Gemeindeaufgaben Steuern nach der allgemeinen
Leistungsfähigkeit nicht zu entbehren.

Die älteren indirekten Steuern, welche die Gemeinden, besonders die Städte, bei
sich ausgebildet hatten, hat der Staat ihnen vielfach genommen, weil sie die Handhabe
einer lokalen, egoistischen, wirtschaftlichen Sonderpolitik waren, und die Staatsbeamten
technisch zur Verwaltung der indirekten Steuern viel fähiger sind. Auch die selbständigen
direkten Kommunalsteuern gingen auf dem Kontinente meist von 1600--1850 in
Staatssteuern über, während England sein besonderes Lokalsteuersystem auf Grund des
sichtbaren äußeren Vermögensbesitzes beibehielt. So sind die Kommunen heute auf dem
Kontinente überwiegend auf Zuschläge zu den direkten Staatssteuern angewiesen, was
die Gemeinden in vieler Beziehung lähmt und hindert. Es ist daher ein glücklicher
Gedanke, daß man in Preußen den Ertrag der Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer
ganz den Gemeinden überlassen hat.

Ausreichen mit den Gemeindesteuern wird man trotzdem nicht, zumal in den
kleineren und ärmeren Gemeinden und gegenüber den zunehmenden Staatsaufträgen und
vom Staate geforderten Zwangsausgaben. Nie sollte der vom Staate auf die Gemeinden
in dieser Richtung geübte, in gewissem Umfange freilich notwendige Druck so weit gehen,
daß die Gemeinde zur bloßen Abwehrverbindung gegen staatliche Zumutungen wird.
Im übrigen ist zu helfen durch Schaffung größerer, leistungsfähigerer Gemeinden,
durch Übertragung einzelner Aufgaben von den Gemeinden auf das Amt, den Kreis, den
Bezirk, ferner dadurch, daß die Gemeinden vom Staate oder den größeren Verbänden
mit Kapital oder jährlichen Zuschüssen dotiert werden oder schließlich, was die beste
Form ist, dadurch, daß sie für bestimmte Zwangsaufgaben, die sie nach dem Gesetz erfüllen
müssen, durch staatliche Vorschüsse und Zuschüsse subventioniert werden, die sich einer-
seits nach ihrer Bedürftigkeit, andererseits nach ihrer eigenen Aufwendung richten. Indem
in steigendem Umfange komplizierte, gerechte Maßstäbe für solche Subventionen gefunden
werden, erhält man die Selbstthätigkeit und das Selbstinteresse der Gemeinden und
kommt zugleich zu einem passenden Zusammenwirken von Staat und Kommune. --

112. Gesamtergebnisse. Das neuere Anwachsen der wirtschaft-
lichen Staats- und Gemeindethätigkeit, ihre Grenze und Verschieden-
heit
. Der vorstehende Überblick über die Geschichte und den gegenwärtigen Bestand
der gebietskörperschaftlichen Wirtschaften und öffentlichen Haushalte konnte und sollte
den Gegenstand nicht erschöpfen, sondern nur die Hauptpunkte hervorheben; zumal auf die
Wirtschaften der Kirchen, der Stiftungen, der humanitären Korporationen und Vereine,
welche A. Wagner der Volkswirtschaft als ein besonderes caritatives System neben Gemein-
wirtschaft und Privatwirtschaft einfügen will, ist dabei gar nicht eingegangen; zunächst
des Raumes und ihrer geringeren Bedeutung wegen, dann aber auch, weil die wirtschaft-
lichen Aufgaben und die finanziellen Mittel, ebenso die Licht- und Schattenseiten aller
dieser Organe doch im Grunde mit denen von Staat und Gemeinde identisch oder nahe
verwandt sind, nur eigentümliche Abarten derselben darstellen. Wir haben hier zum
Schluß nur noch ein zusammenfassendes Wort über das Resultat unserer Untersuchung
und über die neueste Entwickelung beizufügen.

Wir sahen, daß aus genossenschaftlichen herrschaftliche Wirtschaftsgebilde, gebiets-
körperschaftliche Organisationen entstehen, daß an ihrer Spitze öffentliche Haushalte
sich bilden, die über allen anderen Wirtschaftsorganen des Gebietes stehen, daß an
die herrschaftliche Spitze von Staat und Gemeinde sich wirtschaftliche Institutionen an-
schließen, welche das ganze Wirtschaftsleben beeinflussen oder beherrschen. Wir sahen,
daß die Ausbildung der Volkswirtschaft, der öffentlichen Haushalte und der staatlichen
Wirtschaftsinstitutionen nur Glieder eines und desselben großen Prozesses sind. Die
öffentlichen Haushalte bilden den Kern der Staats-, Macht- und Rechtsorganisation,
den Mittelpunkt der Volkswirtschaft, den ernährenden Quell für alle Staatsverwaltung
und alle staatlichen Wirtschaftseinrichtungen. Die gesamte Verwaltung von Staat und
Gemeinde ist so bestimmend für alle volkswirtschaftlichen Zustände, daß ohne ihre
Kenntnis nur über wenige Gebiete der Volkswirtschaft ein begründetes Urteil möglich

Die Einnahmen der Gemeinde.
den Staatsaufgaben näher ſtehenden Gemeindeaufgaben Steuern nach der allgemeinen
Leiſtungsfähigkeit nicht zu entbehren.

Die älteren indirekten Steuern, welche die Gemeinden, beſonders die Städte, bei
ſich ausgebildet hatten, hat der Staat ihnen vielfach genommen, weil ſie die Handhabe
einer lokalen, egoiſtiſchen, wirtſchaftlichen Sonderpolitik waren, und die Staatsbeamten
techniſch zur Verwaltung der indirekten Steuern viel fähiger ſind. Auch die ſelbſtändigen
direkten Kommunalſteuern gingen auf dem Kontinente meiſt von 1600—1850 in
Staatsſteuern über, während England ſein beſonderes Lokalſteuerſyſtem auf Grund des
ſichtbaren äußeren Vermögensbeſitzes beibehielt. So ſind die Kommunen heute auf dem
Kontinente überwiegend auf Zuſchläge zu den direkten Staatsſteuern angewieſen, was
die Gemeinden in vieler Beziehung lähmt und hindert. Es iſt daher ein glücklicher
Gedanke, daß man in Preußen den Ertrag der Grund-, Gebäude- und Gewerbeſteuer
ganz den Gemeinden überlaſſen hat.

Ausreichen mit den Gemeindeſteuern wird man trotzdem nicht, zumal in den
kleineren und ärmeren Gemeinden und gegenüber den zunehmenden Staatsaufträgen und
vom Staate geforderten Zwangsausgaben. Nie ſollte der vom Staate auf die Gemeinden
in dieſer Richtung geübte, in gewiſſem Umfange freilich notwendige Druck ſo weit gehen,
daß die Gemeinde zur bloßen Abwehrverbindung gegen ſtaatliche Zumutungen wird.
Im übrigen iſt zu helfen durch Schaffung größerer, leiſtungsfähigerer Gemeinden,
durch Übertragung einzelner Aufgaben von den Gemeinden auf das Amt, den Kreis, den
Bezirk, ferner dadurch, daß die Gemeinden vom Staate oder den größeren Verbänden
mit Kapital oder jährlichen Zuſchüſſen dotiert werden oder ſchließlich, was die beſte
Form iſt, dadurch, daß ſie für beſtimmte Zwangsaufgaben, die ſie nach dem Geſetz erfüllen
müſſen, durch ſtaatliche Vorſchüſſe und Zuſchüſſe ſubventioniert werden, die ſich einer-
ſeits nach ihrer Bedürftigkeit, andererſeits nach ihrer eigenen Aufwendung richten. Indem
in ſteigendem Umfange komplizierte, gerechte Maßſtäbe für ſolche Subventionen gefunden
werden, erhält man die Selbſtthätigkeit und das Selbſtintereſſe der Gemeinden und
kommt zugleich zu einem paſſenden Zuſammenwirken von Staat und Kommune. —

112. Geſamtergebniſſe. Das neuere Anwachſen der wirtſchaft-
lichen Staats- und Gemeindethätigkeit, ihre Grenze und Verſchieden-
heit
. Der vorſtehende Überblick über die Geſchichte und den gegenwärtigen Beſtand
der gebietskörperſchaftlichen Wirtſchaften und öffentlichen Haushalte konnte und ſollte
den Gegenſtand nicht erſchöpfen, ſondern nur die Hauptpunkte hervorheben; zumal auf die
Wirtſchaften der Kirchen, der Stiftungen, der humanitären Korporationen und Vereine,
welche A. Wagner der Volkswirtſchaft als ein beſonderes caritatives Syſtem neben Gemein-
wirtſchaft und Privatwirtſchaft einfügen will, iſt dabei gar nicht eingegangen; zunächſt
des Raumes und ihrer geringeren Bedeutung wegen, dann aber auch, weil die wirtſchaft-
lichen Aufgaben und die finanziellen Mittel, ebenſo die Licht- und Schattenſeiten aller
dieſer Organe doch im Grunde mit denen von Staat und Gemeinde identiſch oder nahe
verwandt ſind, nur eigentümliche Abarten derſelben darſtellen. Wir haben hier zum
Schluß nur noch ein zuſammenfaſſendes Wort über das Reſultat unſerer Unterſuchung
und über die neueſte Entwickelung beizufügen.

Wir ſahen, daß aus genoſſenſchaftlichen herrſchaftliche Wirtſchaftsgebilde, gebiets-
körperſchaftliche Organiſationen entſtehen, daß an ihrer Spitze öffentliche Haushalte
ſich bilden, die über allen anderen Wirtſchaftsorganen des Gebietes ſtehen, daß an
die herrſchaftliche Spitze von Staat und Gemeinde ſich wirtſchaftliche Inſtitutionen an-
ſchließen, welche das ganze Wirtſchaftsleben beeinfluſſen oder beherrſchen. Wir ſahen,
daß die Ausbildung der Volkswirtſchaft, der öffentlichen Haushalte und der ſtaatlichen
Wirtſchaftsinſtitutionen nur Glieder eines und desſelben großen Prozeſſes ſind. Die
öffentlichen Haushalte bilden den Kern der Staats-, Macht- und Rechtsorganiſation,
den Mittelpunkt der Volkswirtſchaft, den ernährenden Quell für alle Staatsverwaltung
und alle ſtaatlichen Wirtſchaftseinrichtungen. Die geſamte Verwaltung von Staat und
Gemeinde iſt ſo beſtimmend für alle volkswirtſchaftlichen Zuſtände, daß ohne ihre
Kenntnis nur über wenige Gebiete der Volkswirtſchaft ein begründetes Urteil möglich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0333" n="317"/><fw place="top" type="header">Die Einnahmen der Gemeinde.</fw><lb/>
den Staatsaufgaben näher &#x017F;tehenden Gemeindeaufgaben Steuern nach der allgemeinen<lb/>
Lei&#x017F;tungsfähigkeit nicht zu entbehren.</p><lb/>
          <p>Die älteren indirekten Steuern, welche die Gemeinden, be&#x017F;onders die Städte, bei<lb/>
&#x017F;ich ausgebildet hatten, hat der Staat ihnen vielfach genommen, weil &#x017F;ie die Handhabe<lb/>
einer lokalen, egoi&#x017F;ti&#x017F;chen, wirt&#x017F;chaftlichen Sonderpolitik waren, und die Staatsbeamten<lb/>
techni&#x017F;ch zur Verwaltung der indirekten Steuern viel fähiger &#x017F;ind. Auch die &#x017F;elb&#x017F;tändigen<lb/>
direkten Kommunal&#x017F;teuern gingen auf dem Kontinente mei&#x017F;t von 1600&#x2014;1850 in<lb/>
Staats&#x017F;teuern über, während England &#x017F;ein be&#x017F;onderes Lokal&#x017F;teuer&#x017F;y&#x017F;tem auf Grund des<lb/>
&#x017F;ichtbaren äußeren Vermögensbe&#x017F;itzes beibehielt. So &#x017F;ind die Kommunen heute auf dem<lb/>
Kontinente überwiegend auf Zu&#x017F;chläge zu den direkten Staats&#x017F;teuern angewie&#x017F;en, was<lb/>
die Gemeinden in vieler Beziehung lähmt und hindert. Es i&#x017F;t daher ein glücklicher<lb/>
Gedanke, daß man in Preußen den Ertrag der Grund-, Gebäude- und Gewerbe&#x017F;teuer<lb/>
ganz den Gemeinden überla&#x017F;&#x017F;en hat.</p><lb/>
          <p>Ausreichen mit den Gemeinde&#x017F;teuern wird man trotzdem nicht, zumal in den<lb/>
kleineren und ärmeren Gemeinden und gegenüber den zunehmenden Staatsaufträgen und<lb/>
vom Staate geforderten Zwangsausgaben. Nie &#x017F;ollte der vom Staate auf die Gemeinden<lb/>
in die&#x017F;er Richtung geübte, in gewi&#x017F;&#x017F;em Umfange freilich notwendige Druck &#x017F;o weit gehen,<lb/>
daß die Gemeinde zur bloßen Abwehrverbindung gegen &#x017F;taatliche Zumutungen wird.<lb/>
Im übrigen i&#x017F;t zu helfen durch Schaffung größerer, lei&#x017F;tungsfähigerer Gemeinden,<lb/>
durch Übertragung einzelner Aufgaben von den Gemeinden auf das Amt, den Kreis, den<lb/>
Bezirk, ferner dadurch, daß die Gemeinden vom Staate oder den größeren Verbänden<lb/>
mit Kapital oder jährlichen Zu&#x017F;chü&#x017F;&#x017F;en dotiert werden oder &#x017F;chließlich, was die be&#x017F;te<lb/>
Form i&#x017F;t, dadurch, daß &#x017F;ie für be&#x017F;timmte Zwangsaufgaben, die &#x017F;ie nach dem Ge&#x017F;etz erfüllen<lb/>&#x017F;&#x017F;en, durch &#x017F;taatliche Vor&#x017F;chü&#x017F;&#x017F;e und Zu&#x017F;chü&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ubventioniert werden, die &#x017F;ich einer-<lb/>
&#x017F;eits nach ihrer Bedürftigkeit, anderer&#x017F;eits nach ihrer eigenen Aufwendung richten. Indem<lb/>
in &#x017F;teigendem Umfange komplizierte, gerechte Maß&#x017F;täbe für &#x017F;olche Subventionen gefunden<lb/>
werden, erhält man die Selb&#x017F;tthätigkeit und das Selb&#x017F;tintere&#x017F;&#x017F;e der Gemeinden und<lb/>
kommt zugleich zu einem pa&#x017F;&#x017F;enden Zu&#x017F;ammenwirken von Staat und Kommune. &#x2014;</p><lb/>
          <p>112. <hi rendition="#g">Ge&#x017F;amtergebni&#x017F;&#x017F;e. Das neuere Anwach&#x017F;en der wirt&#x017F;chaft-<lb/>
lichen Staats- und Gemeindethätigkeit, ihre Grenze und Ver&#x017F;chieden-<lb/>
heit</hi>. Der vor&#x017F;tehende Überblick über die Ge&#x017F;chichte und den gegenwärtigen Be&#x017F;tand<lb/>
der gebietskörper&#x017F;chaftlichen Wirt&#x017F;chaften und öffentlichen Haushalte konnte und &#x017F;ollte<lb/>
den Gegen&#x017F;tand nicht er&#x017F;chöpfen, &#x017F;ondern nur die Hauptpunkte hervorheben; zumal auf die<lb/>
Wirt&#x017F;chaften der Kirchen, der Stiftungen, der humanitären Korporationen und Vereine,<lb/>
welche A. Wagner der Volkswirt&#x017F;chaft als ein be&#x017F;onderes caritatives Sy&#x017F;tem neben Gemein-<lb/>
wirt&#x017F;chaft und Privatwirt&#x017F;chaft einfügen will, i&#x017F;t dabei gar nicht eingegangen; zunäch&#x017F;t<lb/>
des Raumes und ihrer geringeren Bedeutung wegen, dann aber auch, weil die wirt&#x017F;chaft-<lb/>
lichen Aufgaben und die finanziellen Mittel, eben&#x017F;o die Licht- und Schatten&#x017F;eiten aller<lb/>
die&#x017F;er Organe doch im Grunde mit denen von Staat und Gemeinde identi&#x017F;ch oder nahe<lb/>
verwandt &#x017F;ind, nur eigentümliche Abarten der&#x017F;elben dar&#x017F;tellen. Wir haben hier zum<lb/>
Schluß nur noch ein zu&#x017F;ammenfa&#x017F;&#x017F;endes Wort über das Re&#x017F;ultat un&#x017F;erer Unter&#x017F;uchung<lb/>
und über die neue&#x017F;te Entwickelung beizufügen.</p><lb/>
          <p>Wir &#x017F;ahen, daß aus geno&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen herr&#x017F;chaftliche Wirt&#x017F;chaftsgebilde, gebiets-<lb/>
körper&#x017F;chaftliche Organi&#x017F;ationen ent&#x017F;tehen, daß an ihrer Spitze öffentliche Haushalte<lb/>
&#x017F;ich bilden, die über allen anderen Wirt&#x017F;chaftsorganen des Gebietes &#x017F;tehen, daß an<lb/>
die herr&#x017F;chaftliche Spitze von Staat und Gemeinde &#x017F;ich wirt&#x017F;chaftliche In&#x017F;titutionen an-<lb/>
&#x017F;chließen, welche das ganze Wirt&#x017F;chaftsleben beeinflu&#x017F;&#x017F;en oder beherr&#x017F;chen. Wir &#x017F;ahen,<lb/>
daß die Ausbildung der Volkswirt&#x017F;chaft, der öffentlichen Haushalte und der &#x017F;taatlichen<lb/>
Wirt&#x017F;chaftsin&#x017F;titutionen nur Glieder eines und des&#x017F;elben großen Proze&#x017F;&#x017F;es &#x017F;ind. Die<lb/>
öffentlichen Haushalte bilden den Kern der Staats-, Macht- und Rechtsorgani&#x017F;ation,<lb/>
den Mittelpunkt der Volkswirt&#x017F;chaft, den ernährenden Quell für alle Staatsverwaltung<lb/>
und alle &#x017F;taatlichen Wirt&#x017F;chaftseinrichtungen. Die ge&#x017F;amte Verwaltung von Staat und<lb/>
Gemeinde i&#x017F;t &#x017F;o be&#x017F;timmend für alle volkswirt&#x017F;chaftlichen Zu&#x017F;tände, daß ohne ihre<lb/>
Kenntnis nur über wenige Gebiete der Volkswirt&#x017F;chaft ein begründetes Urteil möglich<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[317/0333] Die Einnahmen der Gemeinde. den Staatsaufgaben näher ſtehenden Gemeindeaufgaben Steuern nach der allgemeinen Leiſtungsfähigkeit nicht zu entbehren. Die älteren indirekten Steuern, welche die Gemeinden, beſonders die Städte, bei ſich ausgebildet hatten, hat der Staat ihnen vielfach genommen, weil ſie die Handhabe einer lokalen, egoiſtiſchen, wirtſchaftlichen Sonderpolitik waren, und die Staatsbeamten techniſch zur Verwaltung der indirekten Steuern viel fähiger ſind. Auch die ſelbſtändigen direkten Kommunalſteuern gingen auf dem Kontinente meiſt von 1600—1850 in Staatsſteuern über, während England ſein beſonderes Lokalſteuerſyſtem auf Grund des ſichtbaren äußeren Vermögensbeſitzes beibehielt. So ſind die Kommunen heute auf dem Kontinente überwiegend auf Zuſchläge zu den direkten Staatsſteuern angewieſen, was die Gemeinden in vieler Beziehung lähmt und hindert. Es iſt daher ein glücklicher Gedanke, daß man in Preußen den Ertrag der Grund-, Gebäude- und Gewerbeſteuer ganz den Gemeinden überlaſſen hat. Ausreichen mit den Gemeindeſteuern wird man trotzdem nicht, zumal in den kleineren und ärmeren Gemeinden und gegenüber den zunehmenden Staatsaufträgen und vom Staate geforderten Zwangsausgaben. Nie ſollte der vom Staate auf die Gemeinden in dieſer Richtung geübte, in gewiſſem Umfange freilich notwendige Druck ſo weit gehen, daß die Gemeinde zur bloßen Abwehrverbindung gegen ſtaatliche Zumutungen wird. Im übrigen iſt zu helfen durch Schaffung größerer, leiſtungsfähigerer Gemeinden, durch Übertragung einzelner Aufgaben von den Gemeinden auf das Amt, den Kreis, den Bezirk, ferner dadurch, daß die Gemeinden vom Staate oder den größeren Verbänden mit Kapital oder jährlichen Zuſchüſſen dotiert werden oder ſchließlich, was die beſte Form iſt, dadurch, daß ſie für beſtimmte Zwangsaufgaben, die ſie nach dem Geſetz erfüllen müſſen, durch ſtaatliche Vorſchüſſe und Zuſchüſſe ſubventioniert werden, die ſich einer- ſeits nach ihrer Bedürftigkeit, andererſeits nach ihrer eigenen Aufwendung richten. Indem in ſteigendem Umfange komplizierte, gerechte Maßſtäbe für ſolche Subventionen gefunden werden, erhält man die Selbſtthätigkeit und das Selbſtintereſſe der Gemeinden und kommt zugleich zu einem paſſenden Zuſammenwirken von Staat und Kommune. — 112. Geſamtergebniſſe. Das neuere Anwachſen der wirtſchaft- lichen Staats- und Gemeindethätigkeit, ihre Grenze und Verſchieden- heit. Der vorſtehende Überblick über die Geſchichte und den gegenwärtigen Beſtand der gebietskörperſchaftlichen Wirtſchaften und öffentlichen Haushalte konnte und ſollte den Gegenſtand nicht erſchöpfen, ſondern nur die Hauptpunkte hervorheben; zumal auf die Wirtſchaften der Kirchen, der Stiftungen, der humanitären Korporationen und Vereine, welche A. Wagner der Volkswirtſchaft als ein beſonderes caritatives Syſtem neben Gemein- wirtſchaft und Privatwirtſchaft einfügen will, iſt dabei gar nicht eingegangen; zunächſt des Raumes und ihrer geringeren Bedeutung wegen, dann aber auch, weil die wirtſchaft- lichen Aufgaben und die finanziellen Mittel, ebenſo die Licht- und Schattenſeiten aller dieſer Organe doch im Grunde mit denen von Staat und Gemeinde identiſch oder nahe verwandt ſind, nur eigentümliche Abarten derſelben darſtellen. Wir haben hier zum Schluß nur noch ein zuſammenfaſſendes Wort über das Reſultat unſerer Unterſuchung und über die neueſte Entwickelung beizufügen. Wir ſahen, daß aus genoſſenſchaftlichen herrſchaftliche Wirtſchaftsgebilde, gebiets- körperſchaftliche Organiſationen entſtehen, daß an ihrer Spitze öffentliche Haushalte ſich bilden, die über allen anderen Wirtſchaftsorganen des Gebietes ſtehen, daß an die herrſchaftliche Spitze von Staat und Gemeinde ſich wirtſchaftliche Inſtitutionen an- ſchließen, welche das ganze Wirtſchaftsleben beeinfluſſen oder beherrſchen. Wir ſahen, daß die Ausbildung der Volkswirtſchaft, der öffentlichen Haushalte und der ſtaatlichen Wirtſchaftsinſtitutionen nur Glieder eines und desſelben großen Prozeſſes ſind. Die öffentlichen Haushalte bilden den Kern der Staats-, Macht- und Rechtsorganiſation, den Mittelpunkt der Volkswirtſchaft, den ernährenden Quell für alle Staatsverwaltung und alle ſtaatlichen Wirtſchaftseinrichtungen. Die geſamte Verwaltung von Staat und Gemeinde iſt ſo beſtimmend für alle volkswirtſchaftlichen Zuſtände, daß ohne ihre Kenntnis nur über wenige Gebiete der Volkswirtſchaft ein begründetes Urteil möglich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900/333
Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900/333>, abgerufen am 25.11.2024.