Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.Zweites Buch. Die gesellschaftliche Verfassung der Volkswirtschaft. einzutreten. Aus dem Zusammenwirken der neuen Technik, des neuen Rechtes, derpersönlichen Freiheit, der vordringenden Geldwirtschaft, der bestehenden Gesellschafts- verhältnisse, der Bevölkerungszunahme ergab sich das neuere Arbeitsverhältnis, der moderne Stand von Lohnarbeitern, seine Basierung auf den freien Arbeitsvertrag. Das Wesentliche ist dabei folgendes. Nicht mehr bloß jüngere Leute stehen in abhängigen dauernden Arbeitsstellungen, Hier haben wir nur die Entstehung des freien Arbeiterstandes klarzulegen als Hier haben wir nur noch die Frage zu beantworten, wie groß dieser Lohn- [Tabelle] Also ohne Dienstboten von 1816--67 eine Zunahme von 1,3 auf 3,9 mit ihnen Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft. einzutreten. Aus dem Zuſammenwirken der neuen Technik, des neuen Rechtes, derperſönlichen Freiheit, der vordringenden Geldwirtſchaft, der beſtehenden Geſellſchafts- verhältniſſe, der Bevölkerungszunahme ergab ſich das neuere Arbeitsverhältnis, der moderne Stand von Lohnarbeitern, ſeine Baſierung auf den freien Arbeitsvertrag. Das Weſentliche iſt dabei folgendes. Nicht mehr bloß jüngere Leute ſtehen in abhängigen dauernden Arbeitsſtellungen, Hier haben wir nur die Entſtehung des freien Arbeiterſtandes klarzulegen als Hier haben wir nur noch die Frage zu beantworten, wie groß dieſer Lohn- [Tabelle] Alſo ohne Dienſtboten von 1816—67 eine Zunahme von 1,3 auf 3,9 mit ihnen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0360" n="344"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft.</fw><lb/> einzutreten. 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Aber dafür iſt auch für die Mehrzahl der Arbeiter durch eine gleichmäßig<lb/> fortgehende Einnahme die Exiſtenz wenigſtens einigermaßen geſichert; eine erbliche oder<lb/> lebenslängliche Berufsbindung, wie früher, beſteht nicht; jeder kann ſeiner Fähigkeit<lb/> entſprechend ſich ſeinen Verdienſt ſuchen, wo und wie er will. Darin lag eben der<lb/> weſentliche Fortſchritt. Der Arbeiter iſt ſelbſt verantwortlich gemacht; und wenn erſt<lb/> langſam das rechte Gefühl dieſer Verantwortlichkeit ſich bildete, wenn es zunächſt nur<lb/> eine Elite haben konnte, die übrigen ohne die alten Gängelbande teilweiſe zurückgingen,<lb/> der Segen der Freiheit trat doch nach und nach ein, zeigte ſich in dem Maße, wie der<lb/> Arbeitsvertrag ſich richtig ausgeſtaltete, der Arbeiterſtand ſich hob. Auch wo der<lb/> größere Teil der Arbeitenden erhebliche andere wirtſchaftliche Mittel der Exiſtenz nicht<lb/> hat als den täglich verdienten Lohn, der nur bei den höheren Stufen ſich in Jahres-<lb/> gehalte mit dauernder Anſtellung verwandelt, konnten Reformen aller Art das Arbeits-<lb/> verhältnis verbeſſern, wie wir im zweiten Teile ſehen werden. Auf die einzelnen Seiten<lb/> des heutigen Arbeitsvertrages in wirtſchaftlicher und rechtlicher Hinſicht kommen<lb/> wir daſelbſt.</p><lb/> <p>Hier haben wir nur die Entſtehung des freien Arbeiterſtandes klarzulegen als<lb/> ein Glied in der Kette der geſellſchaftlichen Arbeits- und Berufsteilung. 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Zweites Buch. Die geſellſchaftliche Verfaſſung der Volkswirtſchaft.
einzutreten. Aus dem Zuſammenwirken der neuen Technik, des neuen Rechtes, der
perſönlichen Freiheit, der vordringenden Geldwirtſchaft, der beſtehenden Geſellſchafts-
verhältniſſe, der Bevölkerungszunahme ergab ſich das neuere Arbeitsverhältnis, der
moderne Stand von Lohnarbeitern, ſeine Baſierung auf den freien Arbeitsvertrag. Das
Weſentliche iſt dabei folgendes.
Nicht mehr bloß jüngere Leute ſtehen in abhängigen dauernden Arbeitsſtellungen,
ſondern auch verheiratete Familienväter und Frauen; ein großer Teil der Arbeitenden
hat keine Hoffnung, wie es früher vielfach der Fall war, mit den Jahren an die Spitze
eines Kleinbetriebes zu kommen; die Mehrzahl der Arbeitenden verkauft nicht einzelne
Arbeitsleiſtungen, wie die Dienſte leiſtenden Handwerker, ſondern ſie verrichten in einem
wenn auch löslichen, doch feſten und ihre Lebensführung beherrſchenden Arbeitsverhältnis
für einen Arbeitgeber täglich beſtimmte gleichmäßig ſich wiederholende Dienſte und
Arbeiten. Aber dafür iſt auch für die Mehrzahl der Arbeiter durch eine gleichmäßig
fortgehende Einnahme die Exiſtenz wenigſtens einigermaßen geſichert; eine erbliche oder
lebenslängliche Berufsbindung, wie früher, beſteht nicht; jeder kann ſeiner Fähigkeit
entſprechend ſich ſeinen Verdienſt ſuchen, wo und wie er will. Darin lag eben der
weſentliche Fortſchritt. Der Arbeiter iſt ſelbſt verantwortlich gemacht; und wenn erſt
langſam das rechte Gefühl dieſer Verantwortlichkeit ſich bildete, wenn es zunächſt nur
eine Elite haben konnte, die übrigen ohne die alten Gängelbande teilweiſe zurückgingen,
der Segen der Freiheit trat doch nach und nach ein, zeigte ſich in dem Maße, wie der
Arbeitsvertrag ſich richtig ausgeſtaltete, der Arbeiterſtand ſich hob. Auch wo der
größere Teil der Arbeitenden erhebliche andere wirtſchaftliche Mittel der Exiſtenz nicht
hat als den täglich verdienten Lohn, der nur bei den höheren Stufen ſich in Jahres-
gehalte mit dauernder Anſtellung verwandelt, konnten Reformen aller Art das Arbeits-
verhältnis verbeſſern, wie wir im zweiten Teile ſehen werden. Auf die einzelnen Seiten
des heutigen Arbeitsvertrages in wirtſchaftlicher und rechtlicher Hinſicht kommen
wir daſelbſt.
Hier haben wir nur die Entſtehung des freien Arbeiterſtandes klarzulegen als
ein Glied in der Kette der geſellſchaftlichen Arbeits- und Berufsteilung. So Ver-
ſchiedenes er umfaßt, wie einſt die Sklaverei und die Hörigkeit, alle, welche wir zu ihm rechnen,
ſtehen nicht bloß unter einer ähnlichen Rechts- und Wirtſchaftsinſtitution, ſondern zeigen
auch den übereinſtimmenden Zug, daß ſie die mehr ausführende, die mehr mechaniſche
Arbeit arbeitsteilig auszuführen haben, daß ſie durch dieſe Teilung an ihre Arbeitgeber
gekettet ſind, daß beide zuſammen eine geſellſchaftliche Organiſation darſtellen, auf deren
Weſen wir bei der Lehre von der Unternehmung kommen.
Hier haben wir nur noch die Frage zu beantworten, wie groß dieſer Lohn-
arbeiterſtand ſei und aus welchen einzelnen Elementen er ſich zuſammenſetze. So wenig
ſicher die ſtatiſtiſchen Grundlagen hiefür ſind, ſo geben ſie doch einigen Anhalt. Für
den alten preußiſchen Staat möchte ich folgende, freilich weder erſchöpfende noch ganz
ſichere Angaben wagen. Es gab etwa:
Alſo ohne Dienſtboten von 1816—67 eine Zunahme von 1,3 auf 3,9 mit ihnen
von etwa 2,3 auf 4,9 Mill.; in Prozenten der ganzen Bevölkerung ein Wachstum von
13 auf 19, mit den Dienſtboten von 22 auf 24 %; der ganze preußiſche Staat dürfte
1867 etwas über 5, mit Dienſtboten etwas über 6 Mill. Arbeiter gehabt haben; im
Jahre 1895 zählte Preußen in Landwirtſchaft, Induſtrie und Handel 7,5 Mill. Arbeiter
(ohne Dienſtboten). Das Deutſche Reich hatte nach den Berufszählungen von 1882
10,7, von 1895 12,8 Mill. Arbeiter in dieſen Produktionszweigen (ohne 0,6 Mill.
höhere Angeſtellte, 0,4 Mill. wechſelnde Lohnarbeiter und 1,3 Mill. Dienſtboten, auch
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