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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die preußischen Aufnahmen.
meisten leuchtet doch eine wahrheitsgetreue Bericht-
erstattung durch, und sie lautet mehr oder weniger
dahin, daß der Absatz der Handwerker abnimmt, sich
immer mehr auf die untern Klassen beschränkt, daß ihre
Zahl dagegen vielfach noch wächst, daß nur, wo Haus-
oder Grundbesitz vorhanden, ihre Lage behaglich ist,
daß ohne denselben die Lage des kleinen Meisters sich
nicht über die des einfachen Tagelöhners erhebt, daß
die kleinen Meister auf Jahrmärkten herumziehen oder
auf Tagelohn neben der Gewerbsarbeit gehen müssen.
Ich will nur einige im Jahrbuch nicht wörtlich, aber
dem Sinne nach treu wiedergegebene Mittheilungen der
Landräthe anführen.

Aus Fraustadt (Reg.-Bez. Posen) wird 1860
geschrieben: "Nur die größte Betriebsamkeit und Ein-
schränkung vermag den städtischen Handwerkern eine
sorgenfreie Existenz zu sichern." Aus Schroda (Posen)
1863: "Weil die Handwerker vielfach ihren Betrieb mit
Schulden beginnen und mit den Industriellen der großen
Städte nicht konkurriren können, so müssen sie nicht
selten tagelöhnern oder Erwerb durch Transport von
Vagabunden oder durch Pachtung von Obstgärten suchen."
Aus Kröben (Posen) 1863: "Die kleinen Städte
werden meistens von dürftigen, schlecht ausgebildeten und
ungeschickten, mit mangelhaftem Arbeitszeug versehenen
Handwerkern bewohnt, deren Zahl das Bedürfniß über-
steigt." Aus Habelschwerdt (Schlesien) 1860: "Die
Mehrzahl der Handwerker arbeitet ohne Gesellen und
Lehrling bei wenig schwunghaftem Betrieb; ebenso über-
schreitet die große Anzahl der Viktualienhändler, welche

Die preußiſchen Aufnahmen.
meiſten leuchtet doch eine wahrheitsgetreue Bericht-
erſtattung durch, und ſie lautet mehr oder weniger
dahin, daß der Abſatz der Handwerker abnimmt, ſich
immer mehr auf die untern Klaſſen beſchränkt, daß ihre
Zahl dagegen vielfach noch wächſt, daß nur, wo Haus-
oder Grundbeſitz vorhanden, ihre Lage behaglich iſt,
daß ohne denſelben die Lage des kleinen Meiſters ſich
nicht über die des einfachen Tagelöhners erhebt, daß
die kleinen Meiſter auf Jahrmärkten herumziehen oder
auf Tagelohn neben der Gewerbsarbeit gehen müſſen.
Ich will nur einige im Jahrbuch nicht wörtlich, aber
dem Sinne nach treu wiedergegebene Mittheilungen der
Landräthe anführen.

Aus Frauſtadt (Reg.-Bez. Poſen) wird 1860
geſchrieben: „Nur die größte Betriebſamkeit und Ein-
ſchränkung vermag den ſtädtiſchen Handwerkern eine
ſorgenfreie Exiſtenz zu ſichern.“ Aus Schroda (Poſen)
1863: „Weil die Handwerker vielfach ihren Betrieb mit
Schulden beginnen und mit den Induſtriellen der großen
Städte nicht konkurriren können, ſo müſſen ſie nicht
ſelten tagelöhnern oder Erwerb durch Transport von
Vagabunden oder durch Pachtung von Obſtgärten ſuchen.“
Aus Kröben (Poſen) 1863: „Die kleinen Städte
werden meiſtens von dürftigen, ſchlecht ausgebildeten und
ungeſchickten, mit mangelhaftem Arbeitszeug verſehenen
Handwerkern bewohnt, deren Zahl das Bedürfniß über-
ſteigt.“ Aus Habelſchwerdt (Schleſien) 1860: „Die
Mehrzahl der Handwerker arbeitet ohne Geſellen und
Lehrling bei wenig ſchwunghaftem Betrieb; ebenſo über-
ſchreitet die große Anzahl der Viktualienhändler, welche

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[96/0118] Die preußiſchen Aufnahmen. meiſten leuchtet doch eine wahrheitsgetreue Bericht- erſtattung durch, und ſie lautet mehr oder weniger dahin, daß der Abſatz der Handwerker abnimmt, ſich immer mehr auf die untern Klaſſen beſchränkt, daß ihre Zahl dagegen vielfach noch wächſt, daß nur, wo Haus- oder Grundbeſitz vorhanden, ihre Lage behaglich iſt, daß ohne denſelben die Lage des kleinen Meiſters ſich nicht über die des einfachen Tagelöhners erhebt, daß die kleinen Meiſter auf Jahrmärkten herumziehen oder auf Tagelohn neben der Gewerbsarbeit gehen müſſen. Ich will nur einige im Jahrbuch nicht wörtlich, aber dem Sinne nach treu wiedergegebene Mittheilungen der Landräthe anführen. Aus Frauſtadt (Reg.-Bez. Poſen) wird 1860 geſchrieben: „Nur die größte Betriebſamkeit und Ein- ſchränkung vermag den ſtädtiſchen Handwerkern eine ſorgenfreie Exiſtenz zu ſichern.“ Aus Schroda (Poſen) 1863: „Weil die Handwerker vielfach ihren Betrieb mit Schulden beginnen und mit den Induſtriellen der großen Städte nicht konkurriren können, ſo müſſen ſie nicht ſelten tagelöhnern oder Erwerb durch Transport von Vagabunden oder durch Pachtung von Obſtgärten ſuchen.“ Aus Kröben (Poſen) 1863: „Die kleinen Städte werden meiſtens von dürftigen, ſchlecht ausgebildeten und ungeſchickten, mit mangelhaftem Arbeitszeug verſehenen Handwerkern bewohnt, deren Zahl das Bedürfniß über- ſteigt.“ Aus Habelſchwerdt (Schleſien) 1860: „Die Mehrzahl der Handwerker arbeitet ohne Geſellen und Lehrling bei wenig ſchwunghaftem Betrieb; ebenſo über- ſchreitet die große Anzahl der Viktualienhändler, welche

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/118>, abgerufen am 21.11.2024.