So weit bleibt das Anwachsen der Meister hinter dem der Bevölkerung zurück. Aber dürfen wir darin, wie Mayr, nur eine Folge der Erschwerung des Mei- sterwerdens sehen? Die Erschwerung tritt erst seit 1834 ein; von 1810--34 herrschen liberale Grundsätze; von dem ganzen Zuwachs der Bevölkerung um 118642 Seelen kommen 90494 auf die vier großen Städte, München, Nürnberg, Augsburg und Würzburg; die andern Städte bleiben stabil, nehmen vielfach sogar ab; hier in den kleinen Städten ist man am engherzigsten mit neuen Niederlassungen. In den vier großen Städten, die allein bedeutend zunehmen, ist man es wohl auch, aber zugleich wirken hier alle die neuen Faktoren schon, welche dem kleinen Meister Konkurrenz machen. Da entstehen schon die größer und besser eingerichteten Unter- nehmungen, welche mit kleinerer Personenzahl die glei- chen, ja die vielfach gesteigerten Bedürfnisse befriedigen. Zieht man alles das mit in Erwägung, so wird man die Hauptursache der Stabilität in allgemeineren Zustän- den finden müssen, hauptsächlich darin, daß die Mehr- zahl der Mittel- und Kleinstädte nicht vorwärts schrei- tet, daß besonders für die Langsamkeit der allgemeinen wirthschaftlichen Entwickelung die Zahl der vorhandenen Meister schon zu Anfang der Periode eher zu groß ist. Verschlimmernd mußten allerdings darauf die engher- zigen Grundsätze von 1834 an wirken. Statt durch freie Konkurrenz haltlose Geschäfte zu beseitigen und sie da, wo sie am Platze sind, neu entstehen zu lassen, sucht man überall nur das Meisterwerden zu erschwe- ren, hindert leichte Uebersiedelungen und steigert dadurch
Das Haudwerk in den Städten 1810 und 1847.
So weit bleibt das Anwachſen der Meiſter hinter dem der Bevölkerung zurück. Aber dürfen wir darin, wie Mayr, nur eine Folge der Erſchwerung des Mei- ſterwerdens ſehen? Die Erſchwerung tritt erſt ſeit 1834 ein; von 1810—34 herrſchen liberale Grundſätze; von dem ganzen Zuwachs der Bevölkerung um 118642 Seelen kommen 90494 auf die vier großen Städte, München, Nürnberg, Augsburg und Würzburg; die andern Städte bleiben ſtabil, nehmen vielfach ſogar ab; hier in den kleinen Städten iſt man am engherzigſten mit neuen Niederlaſſungen. In den vier großen Städten, die allein bedeutend zunehmen, iſt man es wohl auch, aber zugleich wirken hier alle die neuen Faktoren ſchon, welche dem kleinen Meiſter Konkurrenz machen. Da entſtehen ſchon die größer und beſſer eingerichteten Unter- nehmungen, welche mit kleinerer Perſonenzahl die glei- chen, ja die vielfach geſteigerten Bedürfniſſe befriedigen. Zieht man alles das mit in Erwägung, ſo wird man die Haupturſache der Stabilität in allgemeineren Zuſtän- den finden müſſen, hauptſächlich darin, daß die Mehr- zahl der Mittel- und Kleinſtädte nicht vorwärts ſchrei- tet, daß beſonders für die Langſamkeit der allgemeinen wirthſchaftlichen Entwickelung die Zahl der vorhandenen Meiſter ſchon zu Anfang der Periode eher zu groß iſt. Verſchlimmernd mußten allerdings darauf die engher- zigen Grundſätze von 1834 an wirken. Statt durch freie Konkurrenz haltloſe Geſchäfte zu beſeitigen und ſie da, wo ſie am Platze ſind, neu entſtehen zu laſſen, ſucht man überall nur das Meiſterwerden zu erſchwe- ren, hindert leichte Ueberſiedelungen und ſteigert dadurch
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0145"n="123"/><fwplace="top"type="header">Das Haudwerk in den Städten 1810 und 1847.</fw><lb/><p>So weit bleibt das Anwachſen der Meiſter hinter<lb/>
dem der Bevölkerung zurück. Aber dürfen wir darin,<lb/>
wie Mayr, nur eine Folge der Erſchwerung des Mei-<lb/>ſterwerdens ſehen? Die Erſchwerung tritt erſt ſeit<lb/>
1834 ein; von 1810—34 herrſchen liberale Grundſätze;<lb/>
von dem ganzen Zuwachs der Bevölkerung um 118642<lb/>
Seelen kommen 90494 auf die vier großen Städte,<lb/>
München, Nürnberg, Augsburg und Würzburg; die<lb/>
andern Städte bleiben ſtabil, nehmen vielfach ſogar ab;<lb/>
hier in den kleinen Städten iſt man am engherzigſten mit<lb/>
neuen Niederlaſſungen. In den vier großen Städten,<lb/>
die allein bedeutend zunehmen, iſt man es wohl auch,<lb/>
aber zugleich wirken hier alle die neuen Faktoren ſchon,<lb/>
welche dem kleinen Meiſter Konkurrenz machen. Da<lb/>
entſtehen ſchon die größer und beſſer eingerichteten Unter-<lb/>
nehmungen, welche mit kleinerer Perſonenzahl die glei-<lb/>
chen, ja die vielfach geſteigerten Bedürfniſſe befriedigen.<lb/>
Zieht man alles das mit in Erwägung, ſo wird man<lb/>
die Haupturſache der Stabilität in allgemeineren Zuſtän-<lb/>
den finden müſſen, hauptſächlich darin, daß die Mehr-<lb/>
zahl der Mittel- und Kleinſtädte nicht vorwärts ſchrei-<lb/>
tet, daß beſonders für die Langſamkeit der allgemeinen<lb/>
wirthſchaftlichen Entwickelung die Zahl der vorhandenen<lb/>
Meiſter ſchon zu Anfang der Periode eher zu groß iſt.<lb/>
Verſchlimmernd mußten allerdings darauf die engher-<lb/>
zigen Grundſätze von 1834 an wirken. Statt durch<lb/>
freie Konkurrenz haltloſe Geſchäfte zu beſeitigen und ſie<lb/>
da, wo ſie am Platze ſind, neu entſtehen zu laſſen,<lb/>ſucht man überall nur das Meiſterwerden zu erſchwe-<lb/>
ren, hindert leichte Ueberſiedelungen und ſteigert dadurch<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[123/0145]
Das Haudwerk in den Städten 1810 und 1847.
So weit bleibt das Anwachſen der Meiſter hinter
dem der Bevölkerung zurück. Aber dürfen wir darin,
wie Mayr, nur eine Folge der Erſchwerung des Mei-
ſterwerdens ſehen? Die Erſchwerung tritt erſt ſeit
1834 ein; von 1810—34 herrſchen liberale Grundſätze;
von dem ganzen Zuwachs der Bevölkerung um 118642
Seelen kommen 90494 auf die vier großen Städte,
München, Nürnberg, Augsburg und Würzburg; die
andern Städte bleiben ſtabil, nehmen vielfach ſogar ab;
hier in den kleinen Städten iſt man am engherzigſten mit
neuen Niederlaſſungen. In den vier großen Städten,
die allein bedeutend zunehmen, iſt man es wohl auch,
aber zugleich wirken hier alle die neuen Faktoren ſchon,
welche dem kleinen Meiſter Konkurrenz machen. Da
entſtehen ſchon die größer und beſſer eingerichteten Unter-
nehmungen, welche mit kleinerer Perſonenzahl die glei-
chen, ja die vielfach geſteigerten Bedürfniſſe befriedigen.
Zieht man alles das mit in Erwägung, ſo wird man
die Haupturſache der Stabilität in allgemeineren Zuſtän-
den finden müſſen, hauptſächlich darin, daß die Mehr-
zahl der Mittel- und Kleinſtädte nicht vorwärts ſchrei-
tet, daß beſonders für die Langſamkeit der allgemeinen
wirthſchaftlichen Entwickelung die Zahl der vorhandenen
Meiſter ſchon zu Anfang der Periode eher zu groß iſt.
Verſchlimmernd mußten allerdings darauf die engher-
zigen Grundſätze von 1834 an wirken. Statt durch
freie Konkurrenz haltloſe Geſchäfte zu beſeitigen und ſie
da, wo ſie am Platze ſind, neu entſtehen zu laſſen,
ſucht man überall nur das Meiſterwerden zu erſchwe-
ren, hindert leichte Ueberſiedelungen und ſteigert dadurch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/145>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.