Das Handwerk in den sächsischen Städten 1830 u. 1856.
dieser Einfluß auf die Gestaltung des städtischen Hand- werksbetriebs überschätzt worden ist, und daß viele kleine Städte noch immer die Mittelpunkte des Handwerks auch für das Land geblieben sind, soweit man dies nach den Personalverhältnissen beurtheilen kann. Je größer eine Stadt wird, desto mehr tritt von selbst der Antheil in den Hintergrund, welchen das umgebende platte Land von der Beschäftigung der städtischen Handwerker hat. Solche Städte dürften auch von völliger Freigebung des Gewerbebetriebs auf dem Lande nur wenig oder gar nicht berührt werden."
Wenn in Leipzig, in Dresden, in Chemnitz die Zahl der Meister, Gesellen und Lehrlinge nur in 2--3 Handwerken zugenommen, in vielen aber um 20--50, ja bis 70 % gegenüber der Bevölkerung abgenommen hat,1 wenn das in den kleinen Städten nicht ganz so, aber ähnlich ist, so ist neben der veränderten Gesetzge- bung die Hauptursache die, daß in den großen Städten die neue Richtung, die nach spezialisirter Produktion und nach dem Magazinsystem drängt, am gewaltigsten sich jetzt schon geltend gemacht hat.
Die Ergebnisse der Beschäftigungs- und Gewerbe- statistik von 1849 und 18612 bestätigen im Allgemeinen
1 Die prozentuale Abnahme ist berechnet in Tabelle 35 S. 122--124 a. a. O.
2 Zeitschrift des stat. Bureaus für 1863. Nr. 3 u. 4: "Beiträge zur Statistik der in geschlossenen Etablissements mit mechanischen Mitteln betriebenen Industriezweige Sachsens im Jahre 1861." Nr. 5--8.: "Die Bevölkerung des Königreichs Sachsen nach ihrer Beschäftigung und ihrem Erwerbe 1861."
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Das Handwerk in den ſächſiſchen Städten 1830 u. 1856.
dieſer Einfluß auf die Geſtaltung des ſtädtiſchen Hand- werksbetriebs überſchätzt worden iſt, und daß viele kleine Städte noch immer die Mittelpunkte des Handwerks auch für das Land geblieben ſind, ſoweit man dies nach den Perſonalverhältniſſen beurtheilen kann. Je größer eine Stadt wird, deſto mehr tritt von ſelbſt der Antheil in den Hintergrund, welchen das umgebende platte Land von der Beſchäftigung der ſtädtiſchen Handwerker hat. Solche Städte dürften auch von völliger Freigebung des Gewerbebetriebs auf dem Lande nur wenig oder gar nicht berührt werden.“
Wenn in Leipzig, in Dresden, in Chemnitz die Zahl der Meiſter, Geſellen und Lehrlinge nur in 2—3 Handwerken zugenommen, in vielen aber um 20—50, ja bis 70 % gegenüber der Bevölkerung abgenommen hat,1 wenn das in den kleinen Städten nicht ganz ſo, aber ähnlich iſt, ſo iſt neben der veränderten Geſetzge- bung die Haupturſache die, daß in den großen Städten die neue Richtung, die nach ſpezialiſirter Produktion und nach dem Magazinſyſtem drängt, am gewaltigſten ſich jetzt ſchon geltend gemacht hat.
Die Ergebniſſe der Beſchäftigungs- und Gewerbe- ſtatiſtik von 1849 und 18612 beſtätigen im Allgemeinen
1 Die prozentuale Abnahme iſt berechnet in Tabelle 35 S. 122—124 a. a. O.
2 Zeitſchrift des ſtat. Bureaus für 1863. Nr. 3 u. 4: „Beiträge zur Statiſtik der in geſchloſſenen Etabliſſements mit mechaniſchen Mitteln betriebenen Induſtriezweige Sachſens im Jahre 1861.“ Nr. 5—8.: „Die Bevölkerung des Königreichs Sachſen nach ihrer Beſchäftigung und ihrem Erwerbe 1861.“
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Das Handwerk in den ſächſiſchen Städten 1830 u. 1856.
dieſer Einfluß auf die Geſtaltung des ſtädtiſchen Hand-
werksbetriebs überſchätzt worden iſt, und daß viele kleine
Städte noch immer die Mittelpunkte des Handwerks
auch für das Land geblieben ſind, ſoweit man dies nach
den Perſonalverhältniſſen beurtheilen kann. Je größer
eine Stadt wird, deſto mehr tritt von ſelbſt der Antheil
in den Hintergrund, welchen das umgebende platte Land
von der Beſchäftigung der ſtädtiſchen Handwerker hat.
Solche Städte dürften auch von völliger Freigebung des
Gewerbebetriebs auf dem Lande nur wenig oder gar
nicht berührt werden.“
Wenn in Leipzig, in Dresden, in Chemnitz die
Zahl der Meiſter, Geſellen und Lehrlinge nur in 2—3
Handwerken zugenommen, in vielen aber um 20—50,
ja bis 70 % gegenüber der Bevölkerung abgenommen
hat, 1 wenn das in den kleinen Städten nicht ganz ſo,
aber ähnlich iſt, ſo iſt neben der veränderten Geſetzge-
bung die Haupturſache die, daß in den großen Städten
die neue Richtung, die nach ſpezialiſirter Produktion
und nach dem Magazinſyſtem drängt, am gewaltigſten
ſich jetzt ſchon geltend gemacht hat.
Die Ergebniſſe der Beſchäftigungs- und Gewerbe-
ſtatiſtik von 1849 und 1861 2 beſtätigen im Allgemeinen
1 Die prozentuale Abnahme iſt berechnet in Tabelle 35
S. 122—124 a. a. O.
2 Zeitſchrift des ſtat. Bureaus für 1863. Nr. 3 u. 4:
„Beiträge zur Statiſtik der in geſchloſſenen Etabliſſements mit
mechaniſchen Mitteln betriebenen Induſtriezweige Sachſens im
Jahre 1861.“ Nr. 5—8.: „Die Bevölkerung des Königreichs
Sachſen nach ihrer Beſchäftigung und ihrem Erwerbe 1861.“
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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/169>, abgerufen am 16.02.2025.
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