ranten, die sie nur so sehen, nur so kennen lernen. Aber abgesehen hiervon, beginnt man einzusehen, daß bei dem Jahrmarktsbesuch nicht viel herauskommt. Der tüchtige Geschäftsmann ist sparsamer mit seiner Zeit geworden; er widmet sich ausschließlich der Produktion oder dem stehenden Ladengeschäft. Das Publikum findet beinahe überall auch ohne Märkte Alles, was es braucht. Immer weniger suchen tüchtige Handwerker ihre Existenz auf den Jahrmarkts- und Meßbesuch zu gründen. -- Auch hierdurch ist dem kleinen Handwerk eine Position entzogen, auf die es bisher theilweise gestützt war. Und sie würde ihm längst schon noch weiter entzogen sein, wenn in diesem Verkehr mehr wirkliches Verständniß und klares Interesse herrschten, wenn nicht traditionelle An- sichten der Hausfrauen und Dienstboten, sowie der ganzen ländlichen Bevölkerung, anerzogene und schwer ausrott- bare Irrthümer noch überwiegen würden.
So unzweifelhaft der Beginn dieser veränderten Stellung der Messen und Jahrmärkte ist, so schwer läßt er sich statistisch oder durch anderweite sichere Berichte nachweisen.
Das große Meßgeschäft berührt unsere Untersuchung nicht direkt; doch sei beiläufig bemerkt, daß auch es beinahe überall in Rückgang ist. Das frühere Großmeßgeschäft beruhte auf Privilegien, auf Ermäßigung der sonst über- mäßigen Zölle, Geleite, Stapel-, Wage-, Pflastergelder. Für die Messen trat der Nachlaß ein, die Großhändler und Fabrikanten strömten herbei, um, dieser Gunst sich erfreuend, an den Handwerker und Detailhändler nach Pfund und Elle zu verkaufen. Seitdem diese Verkehrs-
Die Jahrmärkte und Meſſen früher und jetzt.
ranten, die ſie nur ſo ſehen, nur ſo kennen lernen. Aber abgeſehen hiervon, beginnt man einzuſehen, daß bei dem Jahrmarktsbeſuch nicht viel herauskommt. Der tüchtige Geſchäftsmann iſt ſparſamer mit ſeiner Zeit geworden; er widmet ſich ausſchließlich der Produktion oder dem ſtehenden Ladengeſchäft. Das Publikum findet beinahe überall auch ohne Märkte Alles, was es braucht. Immer weniger ſuchen tüchtige Handwerker ihre Exiſtenz auf den Jahrmarkts- und Meßbeſuch zu gründen. — Auch hierdurch iſt dem kleinen Handwerk eine Poſition entzogen, auf die es bisher theilweiſe geſtützt war. Und ſie würde ihm längſt ſchon noch weiter entzogen ſein, wenn in dieſem Verkehr mehr wirkliches Verſtändniß und klares Intereſſe herrſchten, wenn nicht traditionelle An- ſichten der Hausfrauen und Dienſtboten, ſowie der ganzen ländlichen Bevölkerung, anerzogene und ſchwer ausrott- bare Irrthümer noch überwiegen würden.
So unzweifelhaft der Beginn dieſer veränderten Stellung der Meſſen und Jahrmärkte iſt, ſo ſchwer läßt er ſich ſtatiſtiſch oder durch anderweite ſichere Berichte nachweiſen.
Das große Meßgeſchäft berührt unſere Unterſuchung nicht direkt; doch ſei beiläufig bemerkt, daß auch es beinahe überall in Rückgang iſt. Das frühere Großmeßgeſchäft beruhte auf Privilegien, auf Ermäßigung der ſonſt über- mäßigen Zölle, Geleite, Stapel-, Wage-, Pflaſtergelder. Für die Meſſen trat der Nachlaß ein, die Großhändler und Fabrikanten ſtrömten herbei, um, dieſer Gunſt ſich erfreuend, an den Handwerker und Detailhändler nach Pfund und Elle zu verkaufen. Seitdem dieſe Verkehrs-
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Die Jahrmärkte und Meſſen früher und jetzt.
ranten, die ſie nur ſo ſehen, nur ſo kennen lernen.
Aber abgeſehen hiervon, beginnt man einzuſehen, daß
bei dem Jahrmarktsbeſuch nicht viel herauskommt. Der
tüchtige Geſchäftsmann iſt ſparſamer mit ſeiner Zeit
geworden; er widmet ſich ausſchließlich der Produktion
oder dem ſtehenden Ladengeſchäft. Das Publikum findet
beinahe überall auch ohne Märkte Alles, was es braucht.
Immer weniger ſuchen tüchtige Handwerker ihre Exiſtenz
auf den Jahrmarkts- und Meßbeſuch zu gründen. —
Auch hierdurch iſt dem kleinen Handwerk eine Poſition
entzogen, auf die es bisher theilweiſe geſtützt war. Und
ſie würde ihm längſt ſchon noch weiter entzogen ſein,
wenn in dieſem Verkehr mehr wirkliches Verſtändniß und
klares Intereſſe herrſchten, wenn nicht traditionelle An-
ſichten der Hausfrauen und Dienſtboten, ſowie der ganzen
ländlichen Bevölkerung, anerzogene und ſchwer ausrott-
bare Irrthümer noch überwiegen würden.
So unzweifelhaft der Beginn dieſer veränderten
Stellung der Meſſen und Jahrmärkte iſt, ſo ſchwer läßt
er ſich ſtatiſtiſch oder durch anderweite ſichere Berichte
nachweiſen.
Das große Meßgeſchäft berührt unſere Unterſuchung
nicht direkt; doch ſei beiläufig bemerkt, daß auch es beinahe
überall in Rückgang iſt. Das frühere Großmeßgeſchäft
beruhte auf Privilegien, auf Ermäßigung der ſonſt über-
mäßigen Zölle, Geleite, Stapel-, Wage-, Pflaſtergelder.
Für die Meſſen trat der Nachlaß ein, die Großhändler
und Fabrikanten ſtrömten herbei, um, dieſer Gunſt ſich
erfreuend, an den Handwerker und Detailhändler nach
Pfund und Elle zu verkaufen. Seitdem dieſe Verkehrs-
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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/241>, abgerufen am 23.11.2024.
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