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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die Vertheilung der Gewerbetreibenden.
in diese Bahnen; das blühende Handwerk selbst braucht eine
größere Gehülfenzahl. Aber für diese steigende Gehülfen-
zahl wird die Zahl der Meisterstellen bald zu klein.
Die alte Ordnung läßt sich nicht oder nur gewaltsam
aufrecht erhalten. Die zunehmende Bevölkerung zer-
sprengt hier, wie in andern Verhältnissen, immer wie-
der die bestehenden volkswirthschaftlichen Formen.

Die deutsche Zunftverfassung half sich in ihrer
spätern Zeit damit, sowohl die Lehrlings- als die Ge-
sellenzahl zu beschränken1 und das Meisterwerden immer
mehr zu erschweren. Das hatte wieder die Kehrseite,
daß in dieser spätern Epoche der Gesellenstand als solcher
sich zusammenschloß gegen die Meister, in systematische
Opposition und Feindschaft zu dem Meisterstande kam.2

In Frankreich drängte die frühere industrielle Ent-
wickelung auch früher zu einem Verlassen der alten
Formen. Auf dem Höhepunkt der mittelalterlichen
Entwickelung im 13. Jahrhundert lebte in den größern
Städten wohl der Lehrling aber nicht der Geselle im
Hause des Meisters; die Zahl der zu haltenden
Lehrlinge war beschränkt, die Zahl der Gesellen unbe-
schränkt; vielfach waren die Gesellen verheirathet und
ließen ihre Frauen mit arbeiten.3 Später, im 14 ten

1 Schönberg, zur wirthschaftlichen Bedeutung des deut-
schen Zunftwesens im Mittelalter. Hildebrand's Jahrbücher IX,
S. 105.
2 S. Wackernagel, Werkstattfehden in alter Zeit, in der
Vierteljahrsschrift für Volkswirthschaft XX, S. 81--92.
3 Siehe die Beweise Levasseur, histoire des classes
ouvrieres en France. Paris 1859. I, 235, 236, 238.

Die Vertheilung der Gewerbetreibenden.
in dieſe Bahnen; das blühende Handwerk ſelbſt braucht eine
größere Gehülfenzahl. Aber für dieſe ſteigende Gehülfen-
zahl wird die Zahl der Meiſterſtellen bald zu klein.
Die alte Ordnung läßt ſich nicht oder nur gewaltſam
aufrecht erhalten. Die zunehmende Bevölkerung zer-
ſprengt hier, wie in andern Verhältniſſen, immer wie-
der die beſtehenden volkswirthſchaftlichen Formen.

Die deutſche Zunftverfaſſung half ſich in ihrer
ſpätern Zeit damit, ſowohl die Lehrlings- als die Ge-
ſellenzahl zu beſchränken1 und das Meiſterwerden immer
mehr zu erſchweren. Das hatte wieder die Kehrſeite,
daß in dieſer ſpätern Epoche der Geſellenſtand als ſolcher
ſich zuſammenſchloß gegen die Meiſter, in ſyſtematiſche
Oppoſition und Feindſchaft zu dem Meiſterſtande kam.2

In Frankreich drängte die frühere induſtrielle Ent-
wickelung auch früher zu einem Verlaſſen der alten
Formen. Auf dem Höhepunkt der mittelalterlichen
Entwickelung im 13. Jahrhundert lebte in den größern
Städten wohl der Lehrling aber nicht der Geſelle im
Hauſe des Meiſters; die Zahl der zu haltenden
Lehrlinge war beſchränkt, die Zahl der Geſellen unbe-
ſchränkt; vielfach waren die Geſellen verheirathet und
ließen ihre Frauen mit arbeiten.3 Später, im 14 ten

1 Schönberg, zur wirthſchaftlichen Bedeutung des deut-
ſchen Zunftweſens im Mittelalter. Hildebrand’s Jahrbücher IX,
S. 105.
2 S. Wackernagel, Werkſtattfehden in alter Zeit, in der
Vierteljahrsſchrift für Volkswirthſchaft XX, S. 81—92.
3 Siehe die Beweiſe Levasseur, histoire des classes
ouvrières en France. Paris 1859. I, 235, 236, 238.
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[328/0350] Die Vertheilung der Gewerbetreibenden. in dieſe Bahnen; das blühende Handwerk ſelbſt braucht eine größere Gehülfenzahl. Aber für dieſe ſteigende Gehülfen- zahl wird die Zahl der Meiſterſtellen bald zu klein. Die alte Ordnung läßt ſich nicht oder nur gewaltſam aufrecht erhalten. Die zunehmende Bevölkerung zer- ſprengt hier, wie in andern Verhältniſſen, immer wie- der die beſtehenden volkswirthſchaftlichen Formen. Die deutſche Zunftverfaſſung half ſich in ihrer ſpätern Zeit damit, ſowohl die Lehrlings- als die Ge- ſellenzahl zu beſchränken 1 und das Meiſterwerden immer mehr zu erſchweren. Das hatte wieder die Kehrſeite, daß in dieſer ſpätern Epoche der Geſellenſtand als ſolcher ſich zuſammenſchloß gegen die Meiſter, in ſyſtematiſche Oppoſition und Feindſchaft zu dem Meiſterſtande kam. 2 In Frankreich drängte die frühere induſtrielle Ent- wickelung auch früher zu einem Verlaſſen der alten Formen. Auf dem Höhepunkt der mittelalterlichen Entwickelung im 13. Jahrhundert lebte in den größern Städten wohl der Lehrling aber nicht der Geſelle im Hauſe des Meiſters; die Zahl der zu haltenden Lehrlinge war beſchränkt, die Zahl der Geſellen unbe- ſchränkt; vielfach waren die Geſellen verheirathet und ließen ihre Frauen mit arbeiten. 3 Später, im 14 ten 1 Schönberg, zur wirthſchaftlichen Bedeutung des deut- ſchen Zunftweſens im Mittelalter. Hildebrand’s Jahrbücher IX, S. 105. 2 S. Wackernagel, Werkſtattfehden in alter Zeit, in der Vierteljahrsſchrift für Volkswirthſchaft XX, S. 81—92. 3 Siehe die Beweiſe Levasseur, histoire des classes ouvrières en France. Paris 1859. I, 235, 236, 238.

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/350>, abgerufen am 22.11.2024.