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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.
noch nicht allzu gefährlich war. Die letzteren bestreiten
noch immer den größten Theil des Bedürfnisses. Der
Mehlhandel im Großen ist verschwindend gegen den loka-
len Mehlbedarf. Alle technische Vollendung und billige
Produktion großer Unternehmungen kann nicht aufkom-
men gegen die Transportkosten, die aus einer größern
Konzentration des Mühlenwesens entstehen würden. Und
theilweise sind ja die Verbesserungen auch im kleinen
Betrieb anzubringen.

Die ländlichen Mühlen sind auch jetzt noch die Haupt-
sache; 1861 sind von den preußischen Wassermühlen
88 % ländliche,1 von den Windmühlen wohl noch mehr.
In Sachsen existiren 1855 - 512 städtische, 3543 länd-
liche Mühlen; von 5328 gewöhnlichen deutschen Gängen
sind 2979 noch nicht über 4 Monate im Gange.2 Der
kleine Müller ist nebenher Bauer, Wirth, er hat eine
kleine Säge- oder Oelmühle mit seiner Wasserkraft ver-
bunden und ist trotz unvollkommener Technik ein wohl-
habender Bürger und Handwerker, der nicht unter der
Konkurrenz der großen Mühlen leidet. Als Beweis,
daß selbst die kleinen Windmühlen die neuern Fortschritte
der Technik theilweise adoptiren können, führe ich die
Bemerkungen der Greifswalder Handelskammer von
1865 an;3 es wird, nachdem der schwunghafte Betrieb
der einzigen Dampfmühle erwähnt ist, berichtet, die
dortigen 20 Windmühlen hätten ungefähr die gleiche

1 Viebahn III, 756.
2 Zeitschrift d. sächs. stat. Bur. 1857. S. 53.
3 Preußische Handelskammerberichte pro 1865. S. 316.

Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.
noch nicht allzu gefährlich war. Die letzteren beſtreiten
noch immer den größten Theil des Bedürfniſſes. Der
Mehlhandel im Großen iſt verſchwindend gegen den loka-
len Mehlbedarf. Alle techniſche Vollendung und billige
Produktion großer Unternehmungen kann nicht aufkom-
men gegen die Transportkoſten, die aus einer größern
Konzentration des Mühlenweſens entſtehen würden. Und
theilweiſe ſind ja die Verbeſſerungen auch im kleinen
Betrieb anzubringen.

Die ländlichen Mühlen ſind auch jetzt noch die Haupt-
ſache; 1861 ſind von den preußiſchen Waſſermühlen
88 % ländliche,1 von den Windmühlen wohl noch mehr.
In Sachſen exiſtiren 1855 - 512 ſtädtiſche, 3543 länd-
liche Mühlen; von 5328 gewöhnlichen deutſchen Gängen
ſind 2979 noch nicht über 4 Monate im Gange.2 Der
kleine Müller iſt nebenher Bauer, Wirth, er hat eine
kleine Säge- oder Oelmühle mit ſeiner Waſſerkraft ver-
bunden und iſt trotz unvollkommener Technik ein wohl-
habender Bürger und Handwerker, der nicht unter der
Konkurrenz der großen Mühlen leidet. Als Beweis,
daß ſelbſt die kleinen Windmühlen die neuern Fortſchritte
der Technik theilweiſe adoptiren können, führe ich die
Bemerkungen der Greifswalder Handelskammer von
1865 an;3 es wird, nachdem der ſchwunghafte Betrieb
der einzigen Dampfmühle erwähnt iſt, berichtet, die
dortigen 20 Windmühlen hätten ungefähr die gleiche

1 Viebahn III, 756.
2 Zeitſchrift d. ſächſ. ſtat. Bur. 1857. S. 53.
3 Preußiſche Handelskammerberichte pro 1865. S. 316.
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[400/0422] Die Umbildung einzelner Gewerbszweige. noch nicht allzu gefährlich war. Die letzteren beſtreiten noch immer den größten Theil des Bedürfniſſes. Der Mehlhandel im Großen iſt verſchwindend gegen den loka- len Mehlbedarf. Alle techniſche Vollendung und billige Produktion großer Unternehmungen kann nicht aufkom- men gegen die Transportkoſten, die aus einer größern Konzentration des Mühlenweſens entſtehen würden. Und theilweiſe ſind ja die Verbeſſerungen auch im kleinen Betrieb anzubringen. Die ländlichen Mühlen ſind auch jetzt noch die Haupt- ſache; 1861 ſind von den preußiſchen Waſſermühlen 88 % ländliche, 1 von den Windmühlen wohl noch mehr. In Sachſen exiſtiren 1855 - 512 ſtädtiſche, 3543 länd- liche Mühlen; von 5328 gewöhnlichen deutſchen Gängen ſind 2979 noch nicht über 4 Monate im Gange. 2 Der kleine Müller iſt nebenher Bauer, Wirth, er hat eine kleine Säge- oder Oelmühle mit ſeiner Waſſerkraft ver- bunden und iſt trotz unvollkommener Technik ein wohl- habender Bürger und Handwerker, der nicht unter der Konkurrenz der großen Mühlen leidet. Als Beweis, daß ſelbſt die kleinen Windmühlen die neuern Fortſchritte der Technik theilweiſe adoptiren können, führe ich die Bemerkungen der Greifswalder Handelskammer von 1865 an; 3 es wird, nachdem der ſchwunghafte Betrieb der einzigen Dampfmühle erwähnt iſt, berichtet, die dortigen 20 Windmühlen hätten ungefähr die gleiche 1 Viebahn III, 756. 2 Zeitſchrift d. ſächſ. ſtat. Bur. 1857. S. 53. 3 Preußiſche Handelskammerberichte pro 1865. S. 316.

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/422>, abgerufen am 22.11.2024.