den vierziger Jahren nahm man an, daß ein Arbeiter mit Hilfe der Spinnmaschine 500 mal so viel liefern könne, als ein Handspinner. Auch das konnte nicht ohne Wirkung bleiben, daß sich heraus stellte, der Weber könne mit Maschinengarn täglich 1/3 mehr zu Stande bringen. 1
Die größte Noth der Spinner fällt in die vierziger Jahre. Tausende sind dem Hungertyphus erlegen. Die Uebelstände waren da am größten, wo das Spinnen ausschließliche Beschäftigung der Leute, ja ausschließlicher Erwerb ganzer Dörfer war, welche, erst im 18. Jahr- hundert gegründet, oft kaum einigen Grundbesitz hatten. Am meisten war dieß in Schlesien und der Lausitz der Fall, weniger in Westfalen. Schwer entschloß sich die schwächliche, durch Generationen herabgekommene Spinner- bevölkerung zu anderer Thätigkeit überzugehen. Es gab auch damals noch nicht so viele Aushülfswege, noch nicht so viele neu aufblühende Industrien, die Arbeiter suchten. Der Lohn war allerwärts noch gedrückt, erst gegen 1850 fangen die Eisenbahnbauten an, ihn zu heben.
Die preußischen Gewerbetabellen verzeichnen erst von 1849 an die noch mit Handspinnerei von Leinengarn beschäftigten Personen. Ihre Zahl betrug:
[Tabelle]
1 Degenkolb, Arbeitsverhältnisse, S. 35 und 69.
Schmoller, Gesch. d. Kleingewerbe. 30
Die Kriſis der deutſchen Handſpinnerei.
den vierziger Jahren nahm man an, daß ein Arbeiter mit Hilfe der Spinnmaſchine 500 mal ſo viel liefern könne, als ein Handſpinner. Auch das konnte nicht ohne Wirkung bleiben, daß ſich heraus ſtellte, der Weber könne mit Maſchinengarn täglich ⅓ mehr zu Stande bringen. 1
Die größte Noth der Spinner fällt in die vierziger Jahre. Tauſende ſind dem Hungertyphus erlegen. Die Uebelſtände waren da am größten, wo das Spinnen ausſchließliche Beſchäftigung der Leute, ja ausſchließlicher Erwerb ganzer Dörfer war, welche, erſt im 18. Jahr- hundert gegründet, oft kaum einigen Grundbeſitz hatten. Am meiſten war dieß in Schleſien und der Lauſitz der Fall, weniger in Weſtfalen. Schwer entſchloß ſich die ſchwächliche, durch Generationen herabgekommene Spinner- bevölkerung zu anderer Thätigkeit überzugehen. Es gab auch damals noch nicht ſo viele Aushülfswege, noch nicht ſo viele neu aufblühende Induſtrien, die Arbeiter ſuchten. Der Lohn war allerwärts noch gedrückt, erſt gegen 1850 fangen die Eiſenbahnbauten an, ihn zu heben.
Die preußiſchen Gewerbetabellen verzeichnen erſt von 1849 an die noch mit Handſpinnerei von Leinengarn beſchäftigten Perſonen. Ihre Zahl betrug:
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1 Degenkolb, Arbeitsverhältniſſe, S. 35 und 69.
Schmoller, Geſch. d. Kleingewerbe. 30
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Die Kriſis der deutſchen Handſpinnerei.
den vierziger Jahren nahm man an, daß ein Arbeiter
mit Hilfe der Spinnmaſchine 500 mal ſo viel liefern
könne, als ein Handſpinner. Auch das konnte nicht ohne
Wirkung bleiben, daß ſich heraus ſtellte, der Weber
könne mit Maſchinengarn täglich ⅓ mehr zu Stande
bringen. 1
Die größte Noth der Spinner fällt in die vierziger
Jahre. Tauſende ſind dem Hungertyphus erlegen. Die
Uebelſtände waren da am größten, wo das Spinnen
ausſchließliche Beſchäftigung der Leute, ja ausſchließlicher
Erwerb ganzer Dörfer war, welche, erſt im 18. Jahr-
hundert gegründet, oft kaum einigen Grundbeſitz hatten.
Am meiſten war dieß in Schleſien und der Lauſitz der
Fall, weniger in Weſtfalen. Schwer entſchloß ſich die
ſchwächliche, durch Generationen herabgekommene Spinner-
bevölkerung zu anderer Thätigkeit überzugehen. Es gab
auch damals noch nicht ſo viele Aushülfswege, noch
nicht ſo viele neu aufblühende Induſtrien, die Arbeiter
ſuchten. Der Lohn war allerwärts noch gedrückt, erſt
gegen 1850 fangen die Eiſenbahnbauten an, ihn zu heben.
Die preußiſchen Gewerbetabellen verzeichnen erſt von
1849 an die noch mit Handſpinnerei von Leinengarn
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1 Degenkolb, Arbeitsverhältniſſe, S. 35 und 69.
Schmoller, Geſch. d. Kleingewerbe. 30
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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/487>, abgerufen am 22.11.2024.
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