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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die jetzige Lage der Streichgarnspinnerei.
denere Anforderungen an die Spinnerei, hat etwas
Stabileres, Einfacheres, als die Produktion der Mode-,
der Phantasieartikel, der nouveautes und hautes
nouveautes,
wie sie vor allem die Franzosen erzeugen,
oder die Produktion der ganz feinen Modetücher, wie
sie von Aachen aus Absatz auf allen Weltmärkten finden.

Je feiner die Artikel sind, für welche das Garn
bestimmt ist, desto mehr werden alle die neuen
komplizirten Maschinen nothwendig, desto mehr wächst
der Umfang der Spinnereien. Die Krämpel- oder
Krazmaschinen, die Vorspinn- und die Feinspinn-
maschinen fehlen in keiner großen Fabrik mehr.
Dagegen sind Selfactors noch selten. Erst seit Anfang
der sechsziger Jahre wurden dieselben auf die Streich-
garnspinnerei angewandt. Erst in neuerer Zeit gewinnen
die Wollwasch- und Trocknungsmaschinen an Ausdeh-
nung. Auf der pariser Ausstellung von 1867 machte
eine Wollwaschmaschine aus Rouen großes Aufsehen,
welche mit einer Frau und einem Arbeiter leistet, was
früher 28 Leute thaten, wodurch sich der dortige Fabri-
kant eine tägliche Ersparniß von 60 Francs berechnet.1

Das läßt sich nicht leugnen, daß die neugegrün-
deten Geschäfte meist auf breitester Grundlage beginnen;
besonders in ganz neuen Branchen ist das ersichtlich,
z. B. in der Kunstwollfabrikation, d. h. der Herstellung
von neuem Garn aus alten Tuchresten. Eine Reihe
großer Aktiengesellschaften hat sich auch in der Streich-
garnspinnerei gebildet.

1 Oestr. Ausstellungsbericht Bd. II, S. 536.
Schmoller, Gesch. d. Kleingewerbe. 31

Die jetzige Lage der Streichgarnſpinnerei.
denere Anforderungen an die Spinnerei, hat etwas
Stabileres, Einfacheres, als die Produktion der Mode-,
der Phantaſieartikel, der nouveautés und hautes
nouveautés,
wie ſie vor allem die Franzoſen erzeugen,
oder die Produktion der ganz feinen Modetücher, wie
ſie von Aachen aus Abſatz auf allen Weltmärkten finden.

Je feiner die Artikel ſind, für welche das Garn
beſtimmt iſt, deſto mehr werden alle die neuen
komplizirten Maſchinen nothwendig, deſto mehr wächſt
der Umfang der Spinnereien. Die Krämpel- oder
Krazmaſchinen, die Vorſpinn- und die Feinſpinn-
maſchinen fehlen in keiner großen Fabrik mehr.
Dagegen ſind Selfactors noch ſelten. Erſt ſeit Anfang
der ſechsziger Jahre wurden dieſelben auf die Streich-
garnſpinnerei angewandt. Erſt in neuerer Zeit gewinnen
die Wollwaſch- und Trocknungsmaſchinen an Ausdeh-
nung. Auf der pariſer Ausſtellung von 1867 machte
eine Wollwaſchmaſchine aus Rouen großes Aufſehen,
welche mit einer Frau und einem Arbeiter leiſtet, was
früher 28 Leute thaten, wodurch ſich der dortige Fabri-
kant eine tägliche Erſparniß von 60 Francs berechnet.1

Das läßt ſich nicht leugnen, daß die neugegrün-
deten Geſchäfte meiſt auf breiteſter Grundlage beginnen;
beſonders in ganz neuen Branchen iſt das erſichtlich,
z. B. in der Kunſtwollfabrikation, d. h. der Herſtellung
von neuem Garn aus alten Tuchreſten. Eine Reihe
großer Aktiengeſellſchaften hat ſich auch in der Streich-
garnſpinnerei gebildet.

1 Oeſtr. Ausſtellungsbericht Bd. II, S. 536.
Schmoller, Geſch. d. Kleingewerbe. 31
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[481/0503] Die jetzige Lage der Streichgarnſpinnerei. denere Anforderungen an die Spinnerei, hat etwas Stabileres, Einfacheres, als die Produktion der Mode-, der Phantaſieartikel, der nouveautés und hautes nouveautés, wie ſie vor allem die Franzoſen erzeugen, oder die Produktion der ganz feinen Modetücher, wie ſie von Aachen aus Abſatz auf allen Weltmärkten finden. Je feiner die Artikel ſind, für welche das Garn beſtimmt iſt, deſto mehr werden alle die neuen komplizirten Maſchinen nothwendig, deſto mehr wächſt der Umfang der Spinnereien. Die Krämpel- oder Krazmaſchinen, die Vorſpinn- und die Feinſpinn- maſchinen fehlen in keiner großen Fabrik mehr. Dagegen ſind Selfactors noch ſelten. Erſt ſeit Anfang der ſechsziger Jahre wurden dieſelben auf die Streich- garnſpinnerei angewandt. Erſt in neuerer Zeit gewinnen die Wollwaſch- und Trocknungsmaſchinen an Ausdeh- nung. Auf der pariſer Ausſtellung von 1867 machte eine Wollwaſchmaſchine aus Rouen großes Aufſehen, welche mit einer Frau und einem Arbeiter leiſtet, was früher 28 Leute thaten, wodurch ſich der dortige Fabri- kant eine tägliche Erſparniß von 60 Francs berechnet. 1 Das läßt ſich nicht leugnen, daß die neugegrün- deten Geſchäfte meiſt auf breiteſter Grundlage beginnen; beſonders in ganz neuen Branchen iſt das erſichtlich, z. B. in der Kunſtwollfabrikation, d. h. der Herſtellung von neuem Garn aus alten Tuchreſten. Eine Reihe großer Aktiengeſellſchaften hat ſich auch in der Streich- garnſpinnerei gebildet. 1 Oeſtr. Ausſtellungsbericht Bd. II, S. 536. Schmoller, Geſch. d. Kleingewerbe. 31

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/503>, abgerufen am 22.11.2024.