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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die glückliche Organisation der Seidenweberei.
gen. "Wohl wird" -- sagt Harpke1 -- "durch dieses
System der Arbeitslohn vertheuert, doch genießt der
Fabrikant den Vortheil, für ganz kleine Gruppen von
Stühlen verantwortliche Werkführer zu besitzen, welche
die Ausführung der Arbeit mit der größten Sorgfalt
überwachen, wovon in vielen Fällen die Lösung mancher
schwierigen Aufgabe abhängt."

In Deutschland sind die Verhältnisse verschieden;
neben Maschinenstühlen für glatte Gewebe trifft man
auch Handstühle in geschlossenen Etablissements, aber
im ganzen überwiegt auch im Zollverein bis jetzt der
Handstuhl und die Hausindustrie. Auf 30699 Web-
stühle zählt man in Preußen 1861 erst einige hundert
Maschinenstühle; 4533 Handstühle sind bei den Fabri-
ken gezählt; und selbst von diesen ist ja nach der
unvollkommenen Art der Aufnahme fraglich, ob sie alle
in den Fabriken selbst stehen. In Krefeld und Elber-
feld wohnen die Weber mehr in der Stadt und nähern
sich damit mehr der gewöhnlichen Arbeiterbevölkerung.
Die großen Geschäfte in Viersen und Gladbach beschäf-
tigen mehr auf dem Lande zerstreut wohnende Weber;
auch hier wird die Verbindung einer kleinen Landwirth-
schaft mit der Weberei als der größte Segen empfunden.
Dem Bericht des erst kürzlich verstorbenen Herr von
Diergardt,2 welcher das hauptsächlich auch betont, über
sein enormes Seidengeschäft entnehme ich folgendes: Die

1 Oestr. Ausstellungsbericht Band IV, 136.
2 Der Freiherrn von Diergardt Maßregeln zur Förderung
der arbeitenden Klassen, Arbeiterfreund V, 1867. S. 181--189.
38 *

Die glückliche Organiſation der Seidenweberei.
gen. „Wohl wird“ — ſagt Harpke1 — „durch dieſes
Syſtem der Arbeitslohn vertheuert, doch genießt der
Fabrikant den Vortheil, für ganz kleine Gruppen von
Stühlen verantwortliche Werkführer zu beſitzen, welche
die Ausführung der Arbeit mit der größten Sorgfalt
überwachen, wovon in vielen Fällen die Löſung mancher
ſchwierigen Aufgabe abhängt.“

In Deutſchland ſind die Verhältniſſe verſchieden;
neben Maſchinenſtühlen für glatte Gewebe trifft man
auch Handſtühle in geſchloſſenen Etabliſſements, aber
im ganzen überwiegt auch im Zollverein bis jetzt der
Handſtuhl und die Hausinduſtrie. Auf 30699 Web-
ſtühle zählt man in Preußen 1861 erſt einige hundert
Maſchinenſtühle; 4533 Handſtühle ſind bei den Fabri-
ken gezählt; und ſelbſt von dieſen iſt ja nach der
unvollkommenen Art der Aufnahme fraglich, ob ſie alle
in den Fabriken ſelbſt ſtehen. In Krefeld und Elber-
feld wohnen die Weber mehr in der Stadt und nähern
ſich damit mehr der gewöhnlichen Arbeiterbevölkerung.
Die großen Geſchäfte in Vierſen und Gladbach beſchäf-
tigen mehr auf dem Lande zerſtreut wohnende Weber;
auch hier wird die Verbindung einer kleinen Landwirth-
ſchaft mit der Weberei als der größte Segen empfunden.
Dem Bericht des erſt kürzlich verſtorbenen Herr von
Diergardt,2 welcher das hauptſächlich auch betont, über
ſein enormes Seidengeſchäft entnehme ich folgendes: Die

1 Oeſtr. Ausſtellungsbericht Band IV, 136.
2 Der Freiherrn von Diergardt Maßregeln zur Förderung
der arbeitenden Klaſſen, Arbeiterfreund V, 1867. S. 181—189.
38 *
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[595/0617] Die glückliche Organiſation der Seidenweberei. gen. „Wohl wird“ — ſagt Harpke 1 — „durch dieſes Syſtem der Arbeitslohn vertheuert, doch genießt der Fabrikant den Vortheil, für ganz kleine Gruppen von Stühlen verantwortliche Werkführer zu beſitzen, welche die Ausführung der Arbeit mit der größten Sorgfalt überwachen, wovon in vielen Fällen die Löſung mancher ſchwierigen Aufgabe abhängt.“ In Deutſchland ſind die Verhältniſſe verſchieden; neben Maſchinenſtühlen für glatte Gewebe trifft man auch Handſtühle in geſchloſſenen Etabliſſements, aber im ganzen überwiegt auch im Zollverein bis jetzt der Handſtuhl und die Hausinduſtrie. Auf 30699 Web- ſtühle zählt man in Preußen 1861 erſt einige hundert Maſchinenſtühle; 4533 Handſtühle ſind bei den Fabri- ken gezählt; und ſelbſt von dieſen iſt ja nach der unvollkommenen Art der Aufnahme fraglich, ob ſie alle in den Fabriken ſelbſt ſtehen. In Krefeld und Elber- feld wohnen die Weber mehr in der Stadt und nähern ſich damit mehr der gewöhnlichen Arbeiterbevölkerung. Die großen Geſchäfte in Vierſen und Gladbach beſchäf- tigen mehr auf dem Lande zerſtreut wohnende Weber; auch hier wird die Verbindung einer kleinen Landwirth- ſchaft mit der Weberei als der größte Segen empfunden. Dem Bericht des erſt kürzlich verſtorbenen Herr von Diergardt, 2 welcher das hauptſächlich auch betont, über ſein enormes Seidengeſchäft entnehme ich folgendes: Die 1 Oeſtr. Ausſtellungsbericht Band IV, 136. 2 Der Freiherrn von Diergardt Maßregeln zur Förderung der arbeitenden Klaſſen, Arbeiterfreund V, 1867. S. 181—189. 38 *

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 595. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/617>, abgerufen am 22.11.2024.