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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.
Hauptsorge des Geschäfts geht auf dauernde gleichmäßige
Beschäftigung der Weber; "es giebt eine Menge von
Arbeiterfamilien, wovon der Großvater, Vater, Sohn
und Enkel fortwährend für mich beschäftigt gewesen sind,
trotzdem daß solche alle entfernt von der Fabrik wohnen
und in ihren eigenen Häusern arbeiten; eine große Zahl
der Arbeiter hat ziemlich erhebliche Ersparnisse gemacht;
viele besitzen ein eigenes Haus, darunter sind manche
im Werthe von 2000 Thalern und darüber." Zu dem
Hause gesellen sich häufig Garten, Ackerland, Wiese
oder Holzung. Für gelungene Waare und schnelle An-
fertigung werden außer dem Lohn angemessene Prämien
bezahlt.

Der Lohn der Seidenweber ist seit lange, trotz der
ab und zu schwer auf Fabrikanten und Arbeitern lasten-
den Krisen und Geschäftsstockungen, ein guter gewesen;
die steigende Entwicklung der deutschen Seidenindustrie
sowie die Thatsache, daß die meisten Gewebe nicht mit
der Maschine herzustellen sind, wirkten günstig, man
konnte nur tüchtige Leute brauchen, nur soliden zuver-
lässigen Leuten die theuern Stoffe anvertrauen. Das
ganze geistige und moralische Niveau ist damit ein höheres
geblieben. Gegenwärtig wird der Tagesverdienst eines
Seidenwebers auf etwa einen Thaler geschätzt.1 Mehr
und mehr sind die früher den Fabrikanten gehörigen
Stühle in das Eigenthum der Weber übergegangen.2

1 Zeitschrift des stat. Bureaus IV, 128, nach der mehr-
erwähnten Lohnzusammenstellung aus den Kreisbeschreibungen.
2 Viebahn III, 938.

Die Umbildung einzelner Gewerbszweige.
Hauptſorge des Geſchäfts geht auf dauernde gleichmäßige
Beſchäftigung der Weber; „es giebt eine Menge von
Arbeiterfamilien, wovon der Großvater, Vater, Sohn
und Enkel fortwährend für mich beſchäftigt geweſen ſind,
trotzdem daß ſolche alle entfernt von der Fabrik wohnen
und in ihren eigenen Häuſern arbeiten; eine große Zahl
der Arbeiter hat ziemlich erhebliche Erſparniſſe gemacht;
viele beſitzen ein eigenes Haus, darunter ſind manche
im Werthe von 2000 Thalern und darüber.“ Zu dem
Hauſe geſellen ſich häufig Garten, Ackerland, Wieſe
oder Holzung. Für gelungene Waare und ſchnelle An-
fertigung werden außer dem Lohn angemeſſene Prämien
bezahlt.

Der Lohn der Seidenweber iſt ſeit lange, trotz der
ab und zu ſchwer auf Fabrikanten und Arbeitern laſten-
den Kriſen und Geſchäftsſtockungen, ein guter geweſen;
die ſteigende Entwicklung der deutſchen Seideninduſtrie
ſowie die Thatſache, daß die meiſten Gewebe nicht mit
der Maſchine herzuſtellen ſind, wirkten günſtig, man
konnte nur tüchtige Leute brauchen, nur ſoliden zuver-
läſſigen Leuten die theuern Stoffe anvertrauen. Das
ganze geiſtige und moraliſche Niveau iſt damit ein höheres
geblieben. Gegenwärtig wird der Tagesverdienſt eines
Seidenwebers auf etwa einen Thaler geſchätzt.1 Mehr
und mehr ſind die früher den Fabrikanten gehörigen
Stühle in das Eigenthum der Weber übergegangen.2

1 Zeitſchrift des ſtat. Bureaus IV, 128, nach der mehr-
erwähnten Lohnzuſammenſtellung aus den Kreisbeſchreibungen.
2 Viebahn III, 938.
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[596/0618] Die Umbildung einzelner Gewerbszweige. Hauptſorge des Geſchäfts geht auf dauernde gleichmäßige Beſchäftigung der Weber; „es giebt eine Menge von Arbeiterfamilien, wovon der Großvater, Vater, Sohn und Enkel fortwährend für mich beſchäftigt geweſen ſind, trotzdem daß ſolche alle entfernt von der Fabrik wohnen und in ihren eigenen Häuſern arbeiten; eine große Zahl der Arbeiter hat ziemlich erhebliche Erſparniſſe gemacht; viele beſitzen ein eigenes Haus, darunter ſind manche im Werthe von 2000 Thalern und darüber.“ Zu dem Hauſe geſellen ſich häufig Garten, Ackerland, Wieſe oder Holzung. Für gelungene Waare und ſchnelle An- fertigung werden außer dem Lohn angemeſſene Prämien bezahlt. Der Lohn der Seidenweber iſt ſeit lange, trotz der ab und zu ſchwer auf Fabrikanten und Arbeitern laſten- den Kriſen und Geſchäftsſtockungen, ein guter geweſen; die ſteigende Entwicklung der deutſchen Seideninduſtrie ſowie die Thatſache, daß die meiſten Gewebe nicht mit der Maſchine herzuſtellen ſind, wirkten günſtig, man konnte nur tüchtige Leute brauchen, nur ſoliden zuver- läſſigen Leuten die theuern Stoffe anvertrauen. Das ganze geiſtige und moraliſche Niveau iſt damit ein höheres geblieben. Gegenwärtig wird der Tagesverdienſt eines Seidenwebers auf etwa einen Thaler geſchätzt. 1 Mehr und mehr ſind die früher den Fabrikanten gehörigen Stühle in das Eigenthum der Weber übergegangen. 2 1 Zeitſchrift des ſtat. Bureaus IV, 128, nach der mehr- erwähnten Lohnzuſammenſtellung aus den Kreisbeſchreibungen. 2 Viebahn III, 938.

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 596. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/618>, abgerufen am 22.11.2024.