tugendhaffter und Gottesfürchtiger aufführen möchte. Jch schwur ihm alles zu, was er vermuth- lich gern von mir hören und haben wolte, weßwegen wir dem äusserlichen Ansehen nach auf einmahl die allerbesten Freunde wurden unter den vertraulich- sten Gesprächen aber lockte ich ihn unvermerckt auf den obersten Gipffel des Felsens, und zwar unter dem Vorwand als ob ich ein von ferne kommen- des Schiff wahrnähme; da nun der höchsterfreute van Leuven um selbiges zu sehen auf die von mir angemerckte gefährlichste Stelle kam stürtzte ich ihn mit einem eintzigen Stosse, und zwar an einem solchen Orte hinab, wo ich wuste, daß er au- genblicklich zerschmettern muste. Nachdem ich sei- nes Todes völlig versichert war ging ich mit Zit- tern zurücke, weil mir die Worte seines gesungenen Morgen-Liedes:
Nimmst du mich, GOTT! in deine Hände, So muß gewiß mein Lebens-Ende Den Memen auch zum Trost gedeyhn, Es mag gleich schnell und kläglich seyn,
gar nicht aus den Gedancken fallen wolten, biß der Teuffel und meine unzüchtigen Begierden mir von neuen einen Muth und wegen meines künfftigen Verhaltens ferner Lehren einbliesen. Jedoch sprach er mit seuffzender und heiserer Stimme: mein Got- tes- und ehrvergessenes Aufführen kan euch alles dessen nachdrücklicher und besser überzeugen, als mein beschwerliches Reden. Und Mons. Albert, euch war der Todt ebenfalls schon vorlängst ge- schworen in so weit ihr euch als einen Verbinderer meines Vergnügens angeben und mir nicht als ei-
nem
O 5
tugendhaffter und Gottesfuͤrchtiger auffuͤhren moͤchte. Jch ſchwur ihm alles zu, was er vermuth- lich gern von mir hoͤren und haben wolte, weßwegen wir dem aͤuſſerlichen Anſehen nach auf einmahl die allerbeſten Freunde wurden unter den vertraulich- ſten Geſpraͤchen aber lockte ich ihn unvermerckt auf den oberſten Gipffel des Felſens, und zwar unter dem Vorwand als ob ich ein von ferne kommen- des Schiff wahrnaͤhme; da nun der hoͤchſterfreute van Leuven um ſelbiges zu ſehen auf die von mir angemerckte gefaͤhrlichſte Stelle kam ſtuͤrtzte ich ihn mit einem eintzigen Stoſſe, und zwar an einem ſolchen Orte hinab, wo ich wuſte, daß er au- genblicklich zerſchmettern muſte. Nachdem ich ſei- nes Todes voͤllig verſichert war ging ich mit Zit- tern zuruͤcke, weil mir die Worte ſeines geſungenen Morgen-Liedes:
Nimmſt du mich, GOTT! in deine Haͤnde, So muß gewiß mein Lebens-Ende Den Memen auch zum Troſt gedeyhn, Es mag gleich ſchnell und klaͤglich ſeyn,
gar nicht aus den Gedancken fallen wolten, biß der Teuffel und meine unzuͤchtigen Begierden mir von neuen einen Muth und wegen meines kuͤnfftigen Verhaltens ferner Lehren einblieſen. Jedoch ſprach er mit ſeuffzender und heiſerer Stimme: mein Got- tes- und ehrvergeſſenes Auffuͤhren kan euch alles deſſen nachdruͤcklicher und beſſer uͤberzeugen, als mein beſchwerliches Reden. Und Monſ. Albert, euch war der Todt ebenfalls ſchon vorlaͤngſt ge- ſchworen in ſo weit ihr euch als einen Verbinderer meines Vergnuͤgens angeben und mir nicht als ei-
nem
O 5
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0231"n="217"/>
tugendhaffter und Gottesfuͤrchtiger auffuͤhren<lb/>
moͤchte. Jch ſchwur ihm alles zu, was er vermuth-<lb/>
lich gern von mir hoͤren und haben wolte, weßwegen<lb/>
wir dem aͤuſſerlichen Anſehen nach auf einmahl die<lb/>
allerbeſten Freunde wurden unter den vertraulich-<lb/>ſten Geſpraͤchen aber lockte ich ihn unvermerckt auf<lb/>
den oberſten Gipffel des Felſens, und zwar unter<lb/>
dem Vorwand als ob ich ein von ferne kommen-<lb/>
des Schiff wahrnaͤhme; da nun der hoͤchſterfreute<lb/><hirendition="#aq">van Leuven</hi> um ſelbiges zu ſehen auf die von mir<lb/>
angemerckte gefaͤhrlichſte Stelle kam ſtuͤrtzte ich<lb/>
ihn mit einem eintzigen Stoſſe, und zwar an einem<lb/>ſolchen Orte hinab, wo ich wuſte, daß er au-<lb/>
genblicklich zerſchmettern muſte. Nachdem ich ſei-<lb/>
nes Todes voͤllig verſichert war ging ich mit Zit-<lb/>
tern zuruͤcke, weil mir die Worte ſeines geſungenen<lb/>
Morgen-Liedes:</p><lb/><lgtype="poem"><l>Nimmſt du mich, GOTT! in deine Haͤnde,</l><lb/><l>So muß gewiß mein Lebens-Ende</l><lb/><l>Den Memen auch zum Troſt gedeyhn,</l><lb/><l>Es mag gleich ſchnell und klaͤglich ſeyn,</l></lg><lb/><p>gar nicht aus den Gedancken fallen wolten, biß der<lb/>
Teuffel und meine unzuͤchtigen Begierden mir von<lb/>
neuen einen Muth und wegen meines kuͤnfftigen<lb/>
Verhaltens ferner Lehren einblieſen. Jedoch ſprach<lb/>
er mit ſeuffzender und heiſerer Stimme: mein Got-<lb/>
tes- und ehrvergeſſenes Auffuͤhren kan euch alles<lb/>
deſſen nachdruͤcklicher und beſſer uͤberzeugen, als<lb/>
mein beſchwerliches Reden. Und <hirendition="#aq">Monſ. Albert,</hi><lb/>
euch war der Todt ebenfalls ſchon vorlaͤngſt ge-<lb/>ſchworen in ſo weit ihr euch als einen Verbinderer<lb/>
meines Vergnuͤgens angeben und mir nicht als ei-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">O 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">nem</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[217/0231]
tugendhaffter und Gottesfuͤrchtiger auffuͤhren
moͤchte. Jch ſchwur ihm alles zu, was er vermuth-
lich gern von mir hoͤren und haben wolte, weßwegen
wir dem aͤuſſerlichen Anſehen nach auf einmahl die
allerbeſten Freunde wurden unter den vertraulich-
ſten Geſpraͤchen aber lockte ich ihn unvermerckt auf
den oberſten Gipffel des Felſens, und zwar unter
dem Vorwand als ob ich ein von ferne kommen-
des Schiff wahrnaͤhme; da nun der hoͤchſterfreute
van Leuven um ſelbiges zu ſehen auf die von mir
angemerckte gefaͤhrlichſte Stelle kam ſtuͤrtzte ich
ihn mit einem eintzigen Stoſſe, und zwar an einem
ſolchen Orte hinab, wo ich wuſte, daß er au-
genblicklich zerſchmettern muſte. Nachdem ich ſei-
nes Todes voͤllig verſichert war ging ich mit Zit-
tern zuruͤcke, weil mir die Worte ſeines geſungenen
Morgen-Liedes:
Nimmſt du mich, GOTT! in deine Haͤnde,
So muß gewiß mein Lebens-Ende
Den Memen auch zum Troſt gedeyhn,
Es mag gleich ſchnell und klaͤglich ſeyn,
gar nicht aus den Gedancken fallen wolten, biß der
Teuffel und meine unzuͤchtigen Begierden mir von
neuen einen Muth und wegen meines kuͤnfftigen
Verhaltens ferner Lehren einblieſen. Jedoch ſprach
er mit ſeuffzender und heiſerer Stimme: mein Got-
tes- und ehrvergeſſenes Auffuͤhren kan euch alles
deſſen nachdruͤcklicher und beſſer uͤberzeugen, als
mein beſchwerliches Reden. Und Monſ. Albert,
euch war der Todt ebenfalls ſchon vorlaͤngſt ge-
ſchworen in ſo weit ihr euch als einen Verbinderer
meines Vergnuͤgens angeben und mir nicht als ei-
nem
O 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage folgte schon 1732. Zum Zeitpunkt der Digitalisierung stand nur die dritte Auflage von 1740 zur Verfügung. (Link zur Erstausgabe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-459276)
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/231>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.