Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

vieler Thorheiten, wiewohl bey einem mehr als bey
dem andern zu nennen ist, will ich mich nicht abschre-
cken lassen, dem Befehle meines hertzlich geliebten
Schwieger-Vaters Gehorsam zu leisten, und die
Aufmercksamkeit edler Freunde zu vergnügen, wel-
che mir als einer betagten Frauen nicht verüblen
werden, wenn ich nicht alles mehr in behöriger Zier-
lichkeit und Ordnung vorzubringen geschickt bin.

Meine Nahme ist Judith van Manders, und bin
1648. eben um selbige Zeit gebohren, da die verei-
nigten Niederländer wegen des allgemeinen Frie-
dens-Schlusses und ihrer glücklich erlangten Frey-
heit in grösten Freuden begriffen gewesen. Mein
Vater war einer der ansehnlichsten und reichsten
Männer zu Middelburg in Seeland wohnhafft,
der der Republic so wohl als seine Vorfahren ge-
wiß recht wichtige Dienste geleistet hatte, auch die-
serwegen zu einem Mit-Gliede des hohen Raths er-
wehlet worden. Jch wurde nebst einer ältern
Schwester und zweyen Brüdern so erzogen, wie
es der Stand und das grosse Vermögen unserer El-
tern erfoderte, deren Haupt-Zweck eintzig und al-
lein dieser war, aus ihren Kindern Gottesfürchtige
und tugendhaffte Menschen zu machen. Wie denn
auch keines aus der Art schlug, als unser ältester
Bruder, der zwar jederzeit von aussen einen guten
Schein von sich gab, in geheim aber allen Wollü-
sten und liederlichem Leben oblage. Kaum hatte
meine Schwester das 16te und ich mein 14 des Jahr
erreicht, als sich schon eine ziemliche Anzahl junger
vornehmer Leute um unsere Bekandtschafft bewar-

ben,
U 2

vieler Thorheiten, wiewohl bey einem mehr als bey
dem andern zu nennen iſt, will ich mich nicht abſchre-
cken laſſen, dem Befehle meines hertzlich geliebten
Schwieger-Vaters Gehorſam zu leiſten, und die
Aufmerckſamkeit edler Freunde zu vergnuͤgen, wel-
che mir als einer betagten Frauen nicht veruͤblen
werden, wenn ich nicht alles mehr in behoͤriger Zier-
lichkeit und Ordnung vorzubringen geſchickt bin.

Meine Nahme iſt Judith van Manders, und bin
1648. eben um ſelbige Zeit gebohren, da die verei-
nigten Niederlaͤnder wegen des allgemeinen Frie-
dens-Schluſſes und ihrer gluͤcklich erlangten Frey-
heit in groͤſten Freuden begriffen geweſen. Mein
Vater war einer der anſehnlichſten und reichſten
Maͤnner zu Middelburg in Seeland wohnhafft,
der der Republic ſo wohl als ſeine Vorfahren ge-
wiß recht wichtige Dienſte geleiſtet hatte, auch die-
ſerwegen zu einem Mit-Gliede des hohen Raths er-
wehlet worden. Jch wurde nebſt einer aͤltern
Schweſter und zweyen Bruͤdern ſo erzogen, wie
es der Stand und das groſſe Vermoͤgen unſerer El-
tern erfoderte, deren Haupt-Zweck eintzig und al-
lein dieſer war, aus ihren Kindern Gottesfuͤrchtige
und tugendhaffte Menſchen zu machen. Wie denn
auch keines aus der Art ſchlug, als unſer aͤlteſter
Bruder, der zwar jederzeit von auſſen einen guten
Schein von ſich gab, in geheim aber allen Wolluͤ-
ſten und liederlichem Leben oblage. Kaum hatte
meine Schweſter das 16te und ich mein 14 des Jahr
erreicht, als ſich ſchon eine ziemliche Anzahl junger
vornehmer Leute um unſere Bekandtſchafft bewar-

ben,
U 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0321" n="307"/>
vieler Thorheiten, wiewohl bey einem mehr als bey<lb/>
dem andern zu nennen i&#x017F;t, will ich mich nicht ab&#x017F;chre-<lb/>
cken la&#x017F;&#x017F;en, dem Befehle meines hertzlich geliebten<lb/>
Schwieger-Vaters Gehor&#x017F;am zu lei&#x017F;ten, und die<lb/>
Aufmerck&#x017F;amkeit edler Freunde zu vergnu&#x0364;gen, wel-<lb/>
che mir als einer betagten Frauen nicht veru&#x0364;blen<lb/>
werden, wenn ich nicht alles mehr in beho&#x0364;riger Zier-<lb/>
lichkeit und Ordnung vorzubringen ge&#x017F;chickt bin.</p><lb/>
        <p>Meine Nahme i&#x017F;t <hi rendition="#aq">Judith van Manders,</hi> und bin<lb/>
1648. eben um &#x017F;elbige Zeit gebohren, da die verei-<lb/>
nigten Niederla&#x0364;nder wegen des allgemeinen Frie-<lb/>
dens-Schlu&#x017F;&#x017F;es und ihrer glu&#x0364;cklich erlangten Frey-<lb/>
heit in gro&#x0364;&#x017F;ten Freuden begriffen gewe&#x017F;en. Mein<lb/>
Vater war einer der an&#x017F;ehnlich&#x017F;ten und reich&#x017F;ten<lb/>
Ma&#x0364;nner zu Middelburg in Seeland wohnhafft,<lb/>
der der <hi rendition="#aq">Republic</hi> &#x017F;o wohl als &#x017F;eine Vorfahren ge-<lb/>
wiß recht wichtige Dien&#x017F;te gelei&#x017F;tet hatte, auch die-<lb/>
&#x017F;erwegen zu einem Mit-Gliede des hohen Raths er-<lb/>
wehlet worden. Jch wurde neb&#x017F;t einer a&#x0364;ltern<lb/>
Schwe&#x017F;ter und zweyen Bru&#x0364;dern &#x017F;o erzogen, wie<lb/>
es der Stand und das gro&#x017F;&#x017F;e Vermo&#x0364;gen un&#x017F;erer El-<lb/>
tern erfoderte, deren Haupt-Zweck eintzig und al-<lb/>
lein die&#x017F;er war, aus ihren Kindern Gottesfu&#x0364;rchtige<lb/>
und tugendhaffte Men&#x017F;chen zu machen. Wie denn<lb/>
auch keines aus der Art &#x017F;chlug, als un&#x017F;er a&#x0364;lte&#x017F;ter<lb/>
Bruder, der zwar jederzeit von au&#x017F;&#x017F;en einen guten<lb/>
Schein von &#x017F;ich gab, in geheim aber allen Wollu&#x0364;-<lb/>
&#x017F;ten und liederlichem Leben oblage. Kaum hatte<lb/>
meine Schwe&#x017F;ter das 16te und ich mein 14 des Jahr<lb/>
erreicht, als &#x017F;ich &#x017F;chon eine ziemliche Anzahl junger<lb/>
vornehmer Leute um un&#x017F;ere Bekandt&#x017F;chafft bewar-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">U 2</fw><fw place="bottom" type="catch">ben,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[307/0321] vieler Thorheiten, wiewohl bey einem mehr als bey dem andern zu nennen iſt, will ich mich nicht abſchre- cken laſſen, dem Befehle meines hertzlich geliebten Schwieger-Vaters Gehorſam zu leiſten, und die Aufmerckſamkeit edler Freunde zu vergnuͤgen, wel- che mir als einer betagten Frauen nicht veruͤblen werden, wenn ich nicht alles mehr in behoͤriger Zier- lichkeit und Ordnung vorzubringen geſchickt bin. Meine Nahme iſt Judith van Manders, und bin 1648. eben um ſelbige Zeit gebohren, da die verei- nigten Niederlaͤnder wegen des allgemeinen Frie- dens-Schluſſes und ihrer gluͤcklich erlangten Frey- heit in groͤſten Freuden begriffen geweſen. Mein Vater war einer der anſehnlichſten und reichſten Maͤnner zu Middelburg in Seeland wohnhafft, der der Republic ſo wohl als ſeine Vorfahren ge- wiß recht wichtige Dienſte geleiſtet hatte, auch die- ſerwegen zu einem Mit-Gliede des hohen Raths er- wehlet worden. Jch wurde nebſt einer aͤltern Schweſter und zweyen Bruͤdern ſo erzogen, wie es der Stand und das groſſe Vermoͤgen unſerer El- tern erfoderte, deren Haupt-Zweck eintzig und al- lein dieſer war, aus ihren Kindern Gottesfuͤrchtige und tugendhaffte Menſchen zu machen. Wie denn auch keines aus der Art ſchlug, als unſer aͤlteſter Bruder, der zwar jederzeit von auſſen einen guten Schein von ſich gab, in geheim aber allen Wolluͤ- ſten und liederlichem Leben oblage. Kaum hatte meine Schweſter das 16te und ich mein 14 des Jahr erreicht, als ſich ſchon eine ziemliche Anzahl junger vornehmer Leute um unſere Bekandtſchafft bewar- ben, U 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/321
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/321>, abgerufen am 02.06.2024.