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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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sches Wesen dermassen, daß meinen Eltern dieser-
halb nicht allzuwohl zu Muthe wurde/ indem sie be-
fürchteten, ich möchte mit der Zeit gar eine Närrin
werden.

Meine Schwester Philippine hergegen, schlug
ihren erstochenen Liebhaber in wenig Wochen aus
dem Sinne, entweder, weil sie ihn eden noch nicht
sinrck genung geliebet, oder Lust hatte, dessen Stelle
bald mit einem andern ersetzt zu sehen, denn sie war
zwar voller Feuer, jedoch in der Liebe sehr behutsam
und eckel. Wenige Zeit hernach stellete sich ein
mit allen Glücks-Gaben wohlversehener Liebhaber
dey ihr dar, er hatte bey einer Gasterey Gelegenheit
genommen, meine Schwester zu unterhalten, sich
in sie verliebt, den Zutritt in unser Hauß gesunden,
ihr Hertz fust gäntzlich gewonnen, und es war schon
so weit gekommen, daß beyderseits Eltern das öf-
fentliche Verlöbniß zwischen diesen Verliebten an-
stellen wolten, als dieser mein zukünfftiger Schwa-
ger, vor dem ich mich jederzeit verborgen gehalten
hatte, meiner Person eines Tages unverhofft, und
zwar in meiner Schwester Zimmer, ansichtig wur-
de. Jch wäre ihm gerne entwischt, allein, er ver-
rannte mir den Paß, so, daß mich recht gezwungen
sahe, seine Complimenten anzuhören und zu be-
antworten. Aber welch ein Unglück entstunde
nicht hieraus? Denn der thörigte Mensch, welcher
nicht einmahl eine völlige Stunde mit mir umgan-
gen war, veränderte so fort sein gantzes Vorhaben,
und wirfft alle Liebe, die er bißhero eintzig und allein
zu meiner Schwester getragen hatte, nunmehro auf
mich, ließ auch gleich folgendes Tages offenhertzig

bey
U 4

ſches Weſen dermaſſen, daß meinen Eltern dieſer-
halb nicht allzuwohl zu Muthe wurde/ indem ſie be-
fuͤrchteten, ich moͤchte mit der Zeit gar eine Naͤrrin
werden.

Meine Schweſter Philippine hergegen, ſchlug
ihren erſtochenen Liebhaber in wenig Wochen aus
dem Sinne, entweder, weil ſie ihn eden noch nicht
ſinrck genung geliebet, oder Luſt hatte, deſſen Stelle
bald mit einem andern erſetzt zu ſehen, denn ſie war
zwar voller Feuer, jedoch in der Liebe ſehr behutſam
und eckel. Wenige Zeit hernach ſtellete ſich ein
mit allen Gluͤcks-Gaben wohlverſehener Liebhaber
dey ihr dar, er hatte bey einer Gaſterey Gelegenheit
genommen, meine Schweſter zu unterhalten, ſich
in ſie verliebt, den Zutritt in unſer Hauß geſunden,
ihr Hertz fuſt gaͤntzlich gewonnen, und es war ſchon
ſo weit gekommen, daß beyderſeits Eltern das oͤf-
fentliche Verloͤbniß zwiſchen dieſen Verliebten an-
ſtellen wolten, als dieſer mein zukuͤnfftiger Schwa-
ger, vor dem ich mich jederzeit verborgen gehalten
hatte, meiner Perſon eines Tages unverhofft, und
zwar in meiner Schweſter Zimmer, anſichtig wur-
de. Jch waͤre ihm gerne entwiſcht, allein, er ver-
rannte mir den Paß, ſo, daß mich recht gezwungen
ſahe, ſeine Complimenten anzuhoͤren und zu be-
antworten. Aber welch ein Ungluͤck entſtunde
nicht hieraus? Denn der thoͤrigte Menſch, welcher
nicht einmahl eine voͤllige Stunde mit mir umgan-
gen war, veraͤnderte ſo fort ſein gantzes Vorhaben,
und wirfft alle Liebe, die er bißhero eintzig und allein
zu meiner Schweſter getragen hatte, nunmehro auf
mich, ließ auch gleich folgendes Tages offenhertzig

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U 4
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[311/0325] ſches Weſen dermaſſen, daß meinen Eltern dieſer- halb nicht allzuwohl zu Muthe wurde/ indem ſie be- fuͤrchteten, ich moͤchte mit der Zeit gar eine Naͤrrin werden. Meine Schweſter Philippine hergegen, ſchlug ihren erſtochenen Liebhaber in wenig Wochen aus dem Sinne, entweder, weil ſie ihn eden noch nicht ſinrck genung geliebet, oder Luſt hatte, deſſen Stelle bald mit einem andern erſetzt zu ſehen, denn ſie war zwar voller Feuer, jedoch in der Liebe ſehr behutſam und eckel. Wenige Zeit hernach ſtellete ſich ein mit allen Gluͤcks-Gaben wohlverſehener Liebhaber dey ihr dar, er hatte bey einer Gaſterey Gelegenheit genommen, meine Schweſter zu unterhalten, ſich in ſie verliebt, den Zutritt in unſer Hauß geſunden, ihr Hertz fuſt gaͤntzlich gewonnen, und es war ſchon ſo weit gekommen, daß beyderſeits Eltern das oͤf- fentliche Verloͤbniß zwiſchen dieſen Verliebten an- ſtellen wolten, als dieſer mein zukuͤnfftiger Schwa- ger, vor dem ich mich jederzeit verborgen gehalten hatte, meiner Perſon eines Tages unverhofft, und zwar in meiner Schweſter Zimmer, anſichtig wur- de. Jch waͤre ihm gerne entwiſcht, allein, er ver- rannte mir den Paß, ſo, daß mich recht gezwungen ſahe, ſeine Complimenten anzuhoͤren und zu be- antworten. Aber welch ein Ungluͤck entſtunde nicht hieraus? Denn der thoͤrigte Menſch, welcher nicht einmahl eine voͤllige Stunde mit mir umgan- gen war, veraͤnderte ſo fort ſein gantzes Vorhaben, und wirfft alle Liebe, die er bißhero eintzig und allein zu meiner Schweſter getragen hatte, nunmehro auf mich, ließ auch gleich folgendes Tages offenhertzig bey U 4

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/325>, abgerufen am 26.11.2024.