Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

bey den Eltern um meine Person anhalten. Die-
ses machte eine ziemliche Verwirrung in unserm
Hause. Unsere Eltern wolten diese herrliche Par-
thie durch aus nicht fahren lassen, es möchte auch un-
ter ihren beyden Töchtern betreffen, welche es wol-
te. Meine Schwester stellete sich über ihren unge-
treuen Liebhaber halb rasend an, und ohngeacht ich
hoch und theuer schwur, einem solchen Wetterhahne
nimmermehr die ehlige Hand zu geben, so wolte sich
doch dadurch keines von allen Interessenten befrie-
digen lassen. Meine Schwester hätte mich gern
mit den Augen ermordet, die Eltern wandten allen
Fleiß an, uns zu versöhnen, und versuchten, bald
den wanckelmüthigen Liebhaber auf vorige Wege
zu bringen, bald mich zu bereden, daß ich ihm mein
Hertz schencken solte; Allein, es war so wohl eines
als das anderere vergeblich, indem ich bey meinem
einmahl gethanen Schwure beständig zu verharren
beschloß, und wenn es auch mein Leben kosten solte.

Wie demnach der Wetterhahn fahe, daß bey
mir durchaus nichts zu erhalten war, fing er wie-
derum an, bey meiner Schwester gelinde Sayten
aufzuziehen, und diese spielete ihre Person dermas-
sen schalckhafft, biß er sich aus eigenem Antriebe
bequemete, sie auf den Knien um Vergebung seines
begangenen Fehlers, und um die vormahlige Ge-
gen-Liebe anzusprechen. Allein, diese vermeinete
nunmehro erstlich sich völlige Genugthuung vor ihre
beleidigte Ehre zu verschaffen, sagte derowegen, so
bald sie ihn von der Eede aufgehoben hatte: Mein
Herr! ich glaube, daß ihr mich vor einiger Zeit voll-
kommen geliebt, auch so viel Merckmahle einer hertz-

lichen

bey den Eltern um meine Perſon anhalten. Die-
ſes machte eine ziemliche Verwirrung in unſerm
Hauſe. Unſere Eltern wolten dieſe herrliche Par-
thie durch aus nicht fahren laſſen, es moͤchte auch un-
ter ihren beyden Toͤchtern betreffen, welche es wol-
te. Meine Schweſter ſtellete ſich uͤber ihren unge-
treuen Liebhaber halb raſend an, und ohngeacht ich
hoch und theuer ſchwur, einem ſolchen Wetterhahne
nimmermehr die ehlige Hand zu geben, ſo wolte ſich
doch dadurch keines von allen Intereſſenten befrie-
digen laſſen. Meine Schweſter haͤtte mich gern
mit den Augen ermordet, die Eltern wandten allen
Fleiß an, uns zu verſoͤhnen, und verſuchten, bald
den wanckelmuͤthigen Liebhaber auf vorige Wege
zu bringen, bald mich zu bereden, daß ich ihm mein
Hertz ſchencken ſolte; Allein, es war ſo wohl eines
als das anderere vergeblich, indem ich bey meinem
einmahl gethanen Schwure beſtaͤndig zu verharren
beſchloß, und wenn es auch mein Leben koſten ſolte.

Wie demnach der Wetterhahn fahe, daß bey
mir durchaus nichts zu erhalten war, fing er wie-
derum an, bey meiner Schweſter gelinde Sayten
aufzuziehen, und dieſe ſpielete ihre Perſon dermaſ-
ſen ſchalckhafft, biß er ſich aus eigenem Antriebe
bequemete, ſie auf den Knien um Vergebung ſeines
begangenen Fehlers, und um die vormahlige Ge-
gen-Liebe anzuſprechen. Allein, dieſe vermeinete
nunmehro erſtlich ſich voͤllige Genugthuung vor ihre
beleidigte Ehre zu verſchaffen, ſagte derowegen, ſo
bald ſie ihn von der Eede aufgehoben hatte: Mein
Herr! ich glaube, daß ihr mich vor einiger Zeit voll-
kommen geliebt, auch ſo viel Merckmahle einer hertz-

lichen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0326" n="312"/>
bey den Eltern um meine Per&#x017F;on anhalten. Die-<lb/>
&#x017F;es machte eine ziemliche Verwirrung in un&#x017F;erm<lb/>
Hau&#x017F;e. Un&#x017F;ere Eltern wolten die&#x017F;e herrliche Par-<lb/>
thie durch aus nicht fahren la&#x017F;&#x017F;en, es mo&#x0364;chte auch un-<lb/>
ter ihren beyden To&#x0364;chtern betreffen, welche es wol-<lb/>
te. Meine Schwe&#x017F;ter &#x017F;tellete &#x017F;ich u&#x0364;ber ihren unge-<lb/>
treuen Liebhaber halb ra&#x017F;end an, und ohngeacht ich<lb/>
hoch und theuer &#x017F;chwur, einem &#x017F;olchen Wetterhahne<lb/>
nimmermehr die ehlige Hand zu geben, &#x017F;o wolte &#x017F;ich<lb/>
doch dadurch keines von allen <hi rendition="#aq">Intere&#x017F;&#x017F;ent</hi>en befrie-<lb/>
digen la&#x017F;&#x017F;en. Meine Schwe&#x017F;ter ha&#x0364;tte mich gern<lb/>
mit den Augen ermordet, die Eltern wandten allen<lb/>
Fleiß an, uns zu ver&#x017F;o&#x0364;hnen, und ver&#x017F;uchten, bald<lb/>
den wanckelmu&#x0364;thigen Liebhaber auf vorige Wege<lb/>
zu bringen, bald mich zu bereden, daß ich ihm mein<lb/>
Hertz &#x017F;chencken &#x017F;olte; Allein, es war &#x017F;o wohl eines<lb/>
als das anderere vergeblich, indem ich bey meinem<lb/>
einmahl gethanen Schwure be&#x017F;ta&#x0364;ndig zu verharren<lb/>
be&#x017F;chloß, und wenn es auch mein Leben ko&#x017F;ten &#x017F;olte.</p><lb/>
        <p>Wie demnach der Wetterhahn fahe, daß bey<lb/>
mir durchaus nichts zu erhalten war, fing er wie-<lb/>
derum an, bey meiner Schwe&#x017F;ter gelinde Sayten<lb/>
aufzuziehen, und die&#x017F;e &#x017F;pielete ihre Per&#x017F;on derma&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en &#x017F;chalckhafft, biß er &#x017F;ich aus eigenem Antriebe<lb/>
bequemete, &#x017F;ie auf den Knien um Vergebung &#x017F;eines<lb/>
begangenen Fehlers, und um die vormahlige Ge-<lb/>
gen-Liebe anzu&#x017F;prechen. Allein, die&#x017F;e vermeinete<lb/>
nunmehro er&#x017F;tlich &#x017F;ich vo&#x0364;llige Genugthuung vor ihre<lb/>
beleidigte Ehre zu ver&#x017F;chaffen, &#x017F;agte derowegen, &#x017F;o<lb/>
bald &#x017F;ie ihn von der Eede aufgehoben hatte: Mein<lb/>
Herr! ich glaube, daß ihr mich vor einiger Zeit voll-<lb/>
kommen geliebt, auch &#x017F;o viel Merckmahle einer hertz-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">lichen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[312/0326] bey den Eltern um meine Perſon anhalten. Die- ſes machte eine ziemliche Verwirrung in unſerm Hauſe. Unſere Eltern wolten dieſe herrliche Par- thie durch aus nicht fahren laſſen, es moͤchte auch un- ter ihren beyden Toͤchtern betreffen, welche es wol- te. Meine Schweſter ſtellete ſich uͤber ihren unge- treuen Liebhaber halb raſend an, und ohngeacht ich hoch und theuer ſchwur, einem ſolchen Wetterhahne nimmermehr die ehlige Hand zu geben, ſo wolte ſich doch dadurch keines von allen Intereſſenten befrie- digen laſſen. Meine Schweſter haͤtte mich gern mit den Augen ermordet, die Eltern wandten allen Fleiß an, uns zu verſoͤhnen, und verſuchten, bald den wanckelmuͤthigen Liebhaber auf vorige Wege zu bringen, bald mich zu bereden, daß ich ihm mein Hertz ſchencken ſolte; Allein, es war ſo wohl eines als das anderere vergeblich, indem ich bey meinem einmahl gethanen Schwure beſtaͤndig zu verharren beſchloß, und wenn es auch mein Leben koſten ſolte. Wie demnach der Wetterhahn fahe, daß bey mir durchaus nichts zu erhalten war, fing er wie- derum an, bey meiner Schweſter gelinde Sayten aufzuziehen, und dieſe ſpielete ihre Perſon dermaſ- ſen ſchalckhafft, biß er ſich aus eigenem Antriebe bequemete, ſie auf den Knien um Vergebung ſeines begangenen Fehlers, und um die vormahlige Ge- gen-Liebe anzuſprechen. Allein, dieſe vermeinete nunmehro erſtlich ſich voͤllige Genugthuung vor ihre beleidigte Ehre zu verſchaffen, ſagte derowegen, ſo bald ſie ihn von der Eede aufgehoben hatte: Mein Herr! ich glaube, daß ihr mich vor einiger Zeit voll- kommen geliebt, auch ſo viel Merckmahle einer hertz- lichen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/326
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/326>, abgerufen am 26.11.2024.