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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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fielen in noch stärckere Verzweiffelung, als gegen-
wärtige unsere getreue Sabina plötzlich in die Hände
schlug, und mit ängstlichen Seuffzen schrye: Ach
meine liebsten Jungfrauen! Wir sind, allem Anse-
hen nach, schändlich verrathen und verkaufft, werden
auch ohne ein besonderes Wunderwerck des Him-
mels, weder eure Eltern, noch die Stadt Middel-
burg jemals wieder zu sehen kriegen. Derowegen
lasset uns nur den festen Entschluß fassen, lieber unser
Leben, als die Keuschheit und Ehre zu verlieren.
Auf ferneres Befragen gab sie zu versiehen, daß ein
ehrliebender auf diesem Schiffe befindlicher Reisen-
der ihr mit wenig Worten so viel gesagt: Daß sie
an unsern bevorstehenden Unglücke nicht den gering-
sten Zweiffel tragen könne.

Wie gesagt, wir hätten solchergestalt verzweif-
feln mögen, und musten unter uns dreyen alle Mit-
tel anwenden, der bevorstehenden Ohnmacht zu ent-
gehen; Als ein resoluter Teutscher, Nahmens
Simon Heinrich Schimmer, Jacob Larson ein
Schwede, und gegenwärtiger David Rawkin ein
Engelländer, (welche alle drey nachhero allhier
meine werthen Schwäger worden sind,) nebst noch
2. andern redlichen Leuten, zu unserm Troste bey
uns erschienen. Schimmer führete das Wort in
aller stille, und sagte: Glaubet sicherlich, schönsten
Kinder, daß ihr durch eure eigenen Anverwandten
und Liebhaber verrathen worden. Zum Unglück
haben ich und diese redlichen Leute solches itzo erst
vor einer Stunde von einem getreuen Boots-Knech-
te erfahren, da wir schon sehr weit vom festen Lande
entfernet sind, sonsten wolten wir euch gar bald in

Frey-

fielen in noch ſtaͤrckere Verzweiffelung, als gegen-
waͤrtige unſere getreue Sabina ploͤtzlich in die Haͤnde
ſchlug, und mit aͤngſtlichen Seuffzen ſchrye: Ach
meine liebſten Jungfrauen! Wir ſind, allem Anſe-
hen nach, ſchaͤndlich verrathen und verkaufft, werden
auch ohne ein beſonderes Wunderwerck des Him-
mels, weder eure Eltern, noch die Stadt Middel-
burg jemals wieder zu ſehen kriegen. Derowegen
laſſet uns nur den feſten Entſchluß faſſen, lieber unſer
Leben, als die Keuſchheit und Ehre zu verlieren.
Auf ferneres Befragen gab ſie zu verſiehen, daß ein
ehrliebender auf dieſem Schiffe befindlicher Reiſen-
der ihr mit wenig Worten ſo viel geſagt: Daß ſie
an unſern bevorſtehenden Ungluͤcke nicht den gering-
ſten Zweiffel tragen koͤnne.

Wie geſagt, wir haͤtten ſolchergeſtalt verzweif-
feln moͤgen, und muſten unter uns dreyen alle Mit-
tel anwenden, der bevorſtehenden Ohnmacht zu ent-
gehen; Als ein reſoluter Teutſcher, Nahmens
Simon Heinrich Schimmer, Jacob Larſon ein
Schwede, und gegenwaͤrtiger David Rawkin ein
Engellaͤnder, (welche alle drey nachhero allhier
meine werthen Schwaͤger worden ſind,) nebſt noch
2. andern redlichen Leuten, zu unſerm Troſte bey
uns erſchienen. Schimmer fuͤhrete das Wort in
aller ſtille, und ſagte: Glaubet ſicherlich, ſchoͤnſten
Kinder, daß ihr durch eure eigenen Anverwandten
und Liebhaber verrathen worden. Zum Ungluͤck
haben ich und dieſe redlichen Leute ſolches itzo erſt
vor einer Stunde von einem getreuen Boots-Knech-
te erfahren, da wir ſchon ſehr weit vom feſten Lande
entfernet ſind, ſonſten wolten wir euch gar bald in

Frey-
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[320/0334] fielen in noch ſtaͤrckere Verzweiffelung, als gegen- waͤrtige unſere getreue Sabina ploͤtzlich in die Haͤnde ſchlug, und mit aͤngſtlichen Seuffzen ſchrye: Ach meine liebſten Jungfrauen! Wir ſind, allem Anſe- hen nach, ſchaͤndlich verrathen und verkaufft, werden auch ohne ein beſonderes Wunderwerck des Him- mels, weder eure Eltern, noch die Stadt Middel- burg jemals wieder zu ſehen kriegen. Derowegen laſſet uns nur den feſten Entſchluß faſſen, lieber unſer Leben, als die Keuſchheit und Ehre zu verlieren. Auf ferneres Befragen gab ſie zu verſiehen, daß ein ehrliebender auf dieſem Schiffe befindlicher Reiſen- der ihr mit wenig Worten ſo viel geſagt: Daß ſie an unſern bevorſtehenden Ungluͤcke nicht den gering- ſten Zweiffel tragen koͤnne. Wie geſagt, wir haͤtten ſolchergeſtalt verzweif- feln moͤgen, und muſten unter uns dreyen alle Mit- tel anwenden, der bevorſtehenden Ohnmacht zu ent- gehen; Als ein reſoluter Teutſcher, Nahmens Simon Heinrich Schimmer, Jacob Larſon ein Schwede, und gegenwaͤrtiger David Rawkin ein Engellaͤnder, (welche alle drey nachhero allhier meine werthen Schwaͤger worden ſind,) nebſt noch 2. andern redlichen Leuten, zu unſerm Troſte bey uns erſchienen. Schimmer fuͤhrete das Wort in aller ſtille, und ſagte: Glaubet ſicherlich, ſchoͤnſten Kinder, daß ihr durch eure eigenen Anverwandten und Liebhaber verrathen worden. Zum Ungluͤck haben ich und dieſe redlichen Leute ſolches itzo erſt vor einer Stunde von einem getreuen Boots-Knech- te erfahren, da wir ſchon ſehr weit vom feſten Lande entfernet ſind, ſonſten wolten wir euch gar bald in Frey-

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/334>, abgerufen am 27.11.2024.