fielen in noch stärckere Verzweiffelung, als gegen- wärtige unsere getreue Sabina plötzlich in die Hände schlug, und mit ängstlichen Seuffzen schrye: Ach meine liebsten Jungfrauen! Wir sind, allem Anse- hen nach, schändlich verrathen und verkaufft, werden auch ohne ein besonderes Wunderwerck des Him- mels, weder eure Eltern, noch die Stadt Middel- burg jemals wieder zu sehen kriegen. Derowegen lasset uns nur den festen Entschluß fassen, lieber unser Leben, als die Keuschheit und Ehre zu verlieren. Auf ferneres Befragen gab sie zu versiehen, daß ein ehrliebender auf diesem Schiffe befindlicher Reisen- der ihr mit wenig Worten so viel gesagt: Daß sie an unsern bevorstehenden Unglücke nicht den gering- sten Zweiffel tragen könne.
Wie gesagt, wir hätten solchergestalt verzweif- feln mögen, und musten unter uns dreyen alle Mit- tel anwenden, der bevorstehenden Ohnmacht zu ent- gehen; Als ein resoluter Teutscher, Nahmens Simon Heinrich Schimmer, Jacob Larson ein Schwede, und gegenwärtiger David Rawkin ein Engelländer, (welche alle drey nachhero allhier meine werthen Schwäger worden sind,) nebst noch 2. andern redlichen Leuten, zu unserm Troste bey uns erschienen. Schimmer führete das Wort in aller stille, und sagte: Glaubet sicherlich, schönsten Kinder, daß ihr durch eure eigenen Anverwandten und Liebhaber verrathen worden. Zum Unglück haben ich und diese redlichen Leute solches itzo erst vor einer Stunde von einem getreuen Boots-Knech- te erfahren, da wir schon sehr weit vom festen Lande entfernet sind, sonsten wolten wir euch gar bald in
Frey-
fielen in noch ſtaͤrckere Verzweiffelung, als gegen- waͤrtige unſere getreue Sabina ploͤtzlich in die Haͤnde ſchlug, und mit aͤngſtlichen Seuffzen ſchrye: Ach meine liebſten Jungfrauen! Wir ſind, allem Anſe- hen nach, ſchaͤndlich verrathen und verkaufft, werden auch ohne ein beſonderes Wunderwerck des Him- mels, weder eure Eltern, noch die Stadt Middel- burg jemals wieder zu ſehen kriegen. Derowegen laſſet uns nur den feſten Entſchluß faſſen, lieber unſer Leben, als die Keuſchheit und Ehre zu verlieren. Auf ferneres Befragen gab ſie zu verſiehen, daß ein ehrliebender auf dieſem Schiffe befindlicher Reiſen- der ihr mit wenig Worten ſo viel geſagt: Daß ſie an unſern bevorſtehenden Ungluͤcke nicht den gering- ſten Zweiffel tragen koͤnne.
Wie geſagt, wir haͤtten ſolchergeſtalt verzweif- feln moͤgen, und muſten unter uns dreyen alle Mit- tel anwenden, der bevorſtehenden Ohnmacht zu ent- gehen; Als ein reſoluter Teutſcher, Nahmens Simon Heinrich Schimmer, Jacob Larſon ein Schwede, und gegenwaͤrtiger David Rawkin ein Engellaͤnder, (welche alle drey nachhero allhier meine werthen Schwaͤger worden ſind,) nebſt noch 2. andern redlichen Leuten, zu unſerm Troſte bey uns erſchienen. Schimmer fuͤhrete das Wort in aller ſtille, und ſagte: Glaubet ſicherlich, ſchoͤnſten Kinder, daß ihr durch eure eigenen Anverwandten und Liebhaber verrathen worden. Zum Ungluͤck haben ich und dieſe redlichen Leute ſolches itzo erſt vor einer Stunde von einem getreuen Boots-Knech- te erfahren, da wir ſchon ſehr weit vom feſten Lande entfernet ſind, ſonſten wolten wir euch gar bald in
Frey-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0334"n="320"/>
fielen in noch ſtaͤrckere Verzweiffelung, als gegen-<lb/>
waͤrtige unſere getreue <hirendition="#aq">Sabina</hi> ploͤtzlich in die Haͤnde<lb/>ſchlug, und mit aͤngſtlichen Seuffzen ſchrye: Ach<lb/>
meine liebſten Jungfrauen! Wir ſind, allem Anſe-<lb/>
hen nach, ſchaͤndlich verrathen und verkaufft, werden<lb/>
auch ohne ein beſonderes Wunderwerck des Him-<lb/>
mels, weder eure Eltern, noch die Stadt Middel-<lb/>
burg jemals wieder zu ſehen kriegen. Derowegen<lb/>
laſſet uns nur den feſten Entſchluß faſſen, lieber unſer<lb/>
Leben, als die Keuſchheit und Ehre zu verlieren.<lb/>
Auf ferneres Befragen gab ſie zu verſiehen, daß ein<lb/>
ehrliebender auf dieſem Schiffe befindlicher Reiſen-<lb/>
der ihr mit wenig Worten ſo viel geſagt: Daß ſie<lb/>
an unſern bevorſtehenden Ungluͤcke nicht den gering-<lb/>ſten Zweiffel tragen koͤnne.</p><lb/><p>Wie geſagt, wir haͤtten ſolchergeſtalt verzweif-<lb/>
feln moͤgen, und muſten unter uns dreyen alle Mit-<lb/>
tel anwenden, der bevorſtehenden Ohnmacht zu ent-<lb/>
gehen; Als ein <hirendition="#aq">reſoluter</hi> Teutſcher, Nahmens<lb/><hirendition="#aq">Simon Heinrich Schimmer, Jacob Larſon</hi> ein<lb/>
Schwede, und gegenwaͤrtiger <hirendition="#aq">David Rawkin</hi> ein<lb/>
Engellaͤnder, (welche alle drey nachhero allhier<lb/>
meine werthen Schwaͤger worden ſind,) nebſt noch<lb/>
2. andern redlichen Leuten, zu unſerm Troſte bey<lb/>
uns erſchienen. <hirendition="#aq">Schimmer</hi> fuͤhrete das Wort in<lb/>
aller ſtille, und ſagte: Glaubet ſicherlich, ſchoͤnſten<lb/>
Kinder, daß ihr durch eure eigenen Anverwandten<lb/>
und Liebhaber verrathen worden. Zum Ungluͤck<lb/>
haben ich und dieſe redlichen Leute ſolches itzo erſt<lb/>
vor einer Stunde von einem getreuen Boots-Knech-<lb/>
te erfahren, da wir ſchon ſehr weit vom feſten Lande<lb/>
entfernet ſind, ſonſten wolten wir euch gar bald in<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Frey-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[320/0334]
fielen in noch ſtaͤrckere Verzweiffelung, als gegen-
waͤrtige unſere getreue Sabina ploͤtzlich in die Haͤnde
ſchlug, und mit aͤngſtlichen Seuffzen ſchrye: Ach
meine liebſten Jungfrauen! Wir ſind, allem Anſe-
hen nach, ſchaͤndlich verrathen und verkaufft, werden
auch ohne ein beſonderes Wunderwerck des Him-
mels, weder eure Eltern, noch die Stadt Middel-
burg jemals wieder zu ſehen kriegen. Derowegen
laſſet uns nur den feſten Entſchluß faſſen, lieber unſer
Leben, als die Keuſchheit und Ehre zu verlieren.
Auf ferneres Befragen gab ſie zu verſiehen, daß ein
ehrliebender auf dieſem Schiffe befindlicher Reiſen-
der ihr mit wenig Worten ſo viel geſagt: Daß ſie
an unſern bevorſtehenden Ungluͤcke nicht den gering-
ſten Zweiffel tragen koͤnne.
Wie geſagt, wir haͤtten ſolchergeſtalt verzweif-
feln moͤgen, und muſten unter uns dreyen alle Mit-
tel anwenden, der bevorſtehenden Ohnmacht zu ent-
gehen; Als ein reſoluter Teutſcher, Nahmens
Simon Heinrich Schimmer, Jacob Larſon ein
Schwede, und gegenwaͤrtiger David Rawkin ein
Engellaͤnder, (welche alle drey nachhero allhier
meine werthen Schwaͤger worden ſind,) nebſt noch
2. andern redlichen Leuten, zu unſerm Troſte bey
uns erſchienen. Schimmer fuͤhrete das Wort in
aller ſtille, und ſagte: Glaubet ſicherlich, ſchoͤnſten
Kinder, daß ihr durch eure eigenen Anverwandten
und Liebhaber verrathen worden. Zum Ungluͤck
haben ich und dieſe redlichen Leute ſolches itzo erſt
vor einer Stunde von einem getreuen Boots-Knech-
te erfahren, da wir ſchon ſehr weit vom feſten Lande
entfernet ſind, ſonſten wolten wir euch gar bald in
Frey-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage folgte schon 1732. Zum Zeitpunkt der Digitalisierung stand nur die dritte Auflage von 1740 zur Verfügung. (Link zur Erstausgabe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-459276)
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/334>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.