Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

der Sache einen Schertz machen, allein Philippine
sagte: bleibet uns vom Halse ihr vermahledeyten
Verräther, oder der erste, der uns angreifft, soll auf
der Stelle mit dem Brot-Messern erstochen wer-
den. Weiln nun de la Mark spürete, daß wenig zu
thun sey, erwartete er so wol, als wir, in einem an-
dern Winckel des Tages. Dieser war kaum an-
gebrochen, als wir uns in die Höhe machten und
nach dem Lande umsahen, allein es wolte sich un-
sern begierigen Augen, ausser dem Schiffe, sonsten
nichts zeigen als Wasser und Himmel. Die Son-
ne gieng ungemein hell und klar auf, fand alle an-
dern im festen Schlafe liegen, uns drey Elenden
aber in schmertzlichen Klagen und heissen Thränen,
die wir anderer Menschen Boßheit wegen zu ver-
giessen Ursach hatten.

Kaum hatten die vollen Sauen den Rausch aus-
geschlaffen, da die gantze ehrbahre Zunfft zum Vor-
sch eine kam, und uns, mit ihnen Caffee zu trincken
nöthigte. An statt des Morgen-Grusses aber, la-
sen wir unserm gottlosen Bruder ein solches Capitel,
worüber einem etwas weniger ruchlosen Menschen
hätten die Haare zu Berge stehen mögen. Doch
dieser Schand-Fleck der Natur verlachte unsern
Eifer anfänglich, nahm aber hernach eine etwas
ernsthafftere Mine an, und hielt folgende Rede: Lie-
ben Schwestern, seyd versichert, daß, ausser meiner
Liebsten Margaretha, mir auf der Welt niemand
lieber ist als ihr, und meine drey besten Freunde,
nemlich: Gallus, Alexander und Henry. Der erste
welcher dich Judith aufs allerhefftigste liebet, ist
zur gnüge bekannt. Alexander, ob er gleich biß-

hero

der Sache einen Schertz machen, allein Philippine
ſagte: bleibet uns vom Halſe ihr vermahledeyten
Verraͤther, oder der erſte, der uns angreifft, ſoll auf
der Stelle mit dem Brot-Meſſern erſtochen wer-
den. Weiln nun de la Mark ſpuͤrete, daß wenig zu
thun ſey, erwartete er ſo wol, als wir, in einem an-
dern Winckel des Tages. Dieſer war kaum an-
gebrochen, als wir uns in die Hoͤhe machten und
nach dem Lande umſahen, allein es wolte ſich un-
ſern begierigen Augen, auſſer dem Schiffe, ſonſten
nichts zeigen als Waſſer und Himmel. Die Son-
ne gieng ungemein hell und klar auf, fand alle an-
dern im feſten Schlafe liegen, uns drey Elenden
aber in ſchmertzlichen Klagen und heiſſen Thraͤnen,
die wir anderer Menſchen Boßheit wegen zu ver-
gieſſen Urſach hatten.

Kaum hatten die vollen Sauen den Rauſch aus-
geſchlaffen, da die gantze ehrbahre Zunfft zum Vor-
ſch eine kam, und uns, mit ihnen Caffee zu trincken
noͤthigte. An ſtatt des Morgen-Gruſſes aber, la-
ſen wir unſerm gottloſen Bruder ein ſolches Capitel,
woruͤber einem etwas weniger ruchloſen Menſchen
haͤtten die Haare zu Berge ſtehen moͤgen. Doch
dieſer Schand-Fleck der Natur verlachte unſern
Eifer anfaͤnglich, nahm aber hernach eine etwas
ernſthafftere Mine an, und hielt folgende Rede: Lie-
ben Schweſtern, ſeyd verſichert, daß, auſſer meiner
Liebſten Margaretha, mir auf der Welt niemand
lieber iſt als ihr, und meine drey beſten Freunde,
nemlich: Gallus, Alexander und Henry. Der erſte
welcher dich Judith aufs allerhefftigſte liebet, iſt
zur gnuͤge bekannt. Alexander, ob er gleich biß-

hero
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0336" n="322"/>
der Sache einen Schertz machen, allein <hi rendition="#aq">Philippine</hi><lb/>
&#x017F;agte: bleibet uns vom Hal&#x017F;e ihr vermahledeyten<lb/>
Verra&#x0364;ther, oder der er&#x017F;te, der uns angreifft, &#x017F;oll auf<lb/>
der Stelle mit dem Brot-Me&#x017F;&#x017F;ern er&#x017F;tochen wer-<lb/>
den. Weiln nun <hi rendition="#aq">de la Mark</hi> &#x017F;pu&#x0364;rete, daß wenig zu<lb/>
thun &#x017F;ey, erwartete er &#x017F;o wol, als wir, in einem an-<lb/>
dern Winckel des Tages. Die&#x017F;er war kaum an-<lb/>
gebrochen, als wir uns in die Ho&#x0364;he machten und<lb/>
nach dem Lande um&#x017F;ahen, allein es wolte &#x017F;ich un-<lb/>
&#x017F;ern begierigen Augen, au&#x017F;&#x017F;er dem Schiffe, &#x017F;on&#x017F;ten<lb/>
nichts zeigen als Wa&#x017F;&#x017F;er und Himmel. Die Son-<lb/>
ne gieng ungemein hell und klar auf, fand alle an-<lb/>
dern im fe&#x017F;ten Schlafe liegen, uns drey Elenden<lb/>
aber in &#x017F;chmertzlichen Klagen und hei&#x017F;&#x017F;en Thra&#x0364;nen,<lb/>
die wir anderer Men&#x017F;chen Boßheit wegen zu ver-<lb/>
gie&#x017F;&#x017F;en Ur&#x017F;ach hatten.</p><lb/>
        <p>Kaum hatten die vollen Sauen den Rau&#x017F;ch aus-<lb/>
ge&#x017F;chlaffen, da die gantze ehrbahre Zunfft zum Vor-<lb/>
&#x017F;ch eine kam, und uns, mit ihnen <hi rendition="#aq">Caffee</hi> zu trincken<lb/>
no&#x0364;thigte. An &#x017F;tatt des Morgen-Gru&#x017F;&#x017F;es aber, la-<lb/>
&#x017F;en wir un&#x017F;erm gottlo&#x017F;en Bruder ein &#x017F;olches Capitel,<lb/>
woru&#x0364;ber einem etwas weniger ruchlo&#x017F;en Men&#x017F;chen<lb/>
ha&#x0364;tten die Haare zu Berge &#x017F;tehen mo&#x0364;gen. Doch<lb/>
die&#x017F;er Schand-Fleck der Natur verlachte un&#x017F;ern<lb/>
Eifer anfa&#x0364;nglich, nahm aber hernach eine etwas<lb/>
ern&#x017F;thafftere <hi rendition="#aq">Mine</hi> an, und hielt folgende Rede: Lie-<lb/>
ben Schwe&#x017F;tern, &#x017F;eyd ver&#x017F;ichert, daß, au&#x017F;&#x017F;er meiner<lb/>
Lieb&#x017F;ten <hi rendition="#aq">Margaretha,</hi> mir auf der Welt niemand<lb/>
lieber i&#x017F;t als ihr, und meine drey be&#x017F;ten Freunde,<lb/>
nemlich: <hi rendition="#aq">Gallus, Alexander</hi> und <hi rendition="#aq">Henry.</hi> Der er&#x017F;te<lb/>
welcher dich Judith aufs allerhefftig&#x017F;te liebet, i&#x017F;t<lb/>
zur gnu&#x0364;ge bekannt. <hi rendition="#aq">Alexander,</hi> ob er gleich biß-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">hero</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[322/0336] der Sache einen Schertz machen, allein Philippine ſagte: bleibet uns vom Halſe ihr vermahledeyten Verraͤther, oder der erſte, der uns angreifft, ſoll auf der Stelle mit dem Brot-Meſſern erſtochen wer- den. Weiln nun de la Mark ſpuͤrete, daß wenig zu thun ſey, erwartete er ſo wol, als wir, in einem an- dern Winckel des Tages. Dieſer war kaum an- gebrochen, als wir uns in die Hoͤhe machten und nach dem Lande umſahen, allein es wolte ſich un- ſern begierigen Augen, auſſer dem Schiffe, ſonſten nichts zeigen als Waſſer und Himmel. Die Son- ne gieng ungemein hell und klar auf, fand alle an- dern im feſten Schlafe liegen, uns drey Elenden aber in ſchmertzlichen Klagen und heiſſen Thraͤnen, die wir anderer Menſchen Boßheit wegen zu ver- gieſſen Urſach hatten. Kaum hatten die vollen Sauen den Rauſch aus- geſchlaffen, da die gantze ehrbahre Zunfft zum Vor- ſch eine kam, und uns, mit ihnen Caffee zu trincken noͤthigte. An ſtatt des Morgen-Gruſſes aber, la- ſen wir unſerm gottloſen Bruder ein ſolches Capitel, woruͤber einem etwas weniger ruchloſen Menſchen haͤtten die Haare zu Berge ſtehen moͤgen. Doch dieſer Schand-Fleck der Natur verlachte unſern Eifer anfaͤnglich, nahm aber hernach eine etwas ernſthafftere Mine an, und hielt folgende Rede: Lie- ben Schweſtern, ſeyd verſichert, daß, auſſer meiner Liebſten Margaretha, mir auf der Welt niemand lieber iſt als ihr, und meine drey beſten Freunde, nemlich: Gallus, Alexander und Henry. Der erſte welcher dich Judith aufs allerhefftigſte liebet, iſt zur gnuͤge bekannt. Alexander, ob er gleich biß- hero

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/336
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/336>, abgerufen am 29.06.2024.