von vielem Regen ziemlich erkälteter Leib, sehnete sich nach einer warmen Stube, derowegen pochte an, bat die heraus guckenden Leute um ein Nacht-Quar- tier, und wurde von ihnen aufs freundlichste empfan- gen. Der sich angebende Wirth führete mein Pferd in einen Stall, brachte meinen blauen Mantel-Sack in die Stube, ließ dieselbe warm machen, daß ich meine nassen Kleider trocknen möchte, und setzte mir einige, eben nicht unappetitliche Speisen für, die mein hungeriger Magen mit gröster Begierde zu sich nahm. Nachhero hätte mich zwar gern mit drey anwesenden ansehnlichen Manns-Personen ins Gespräche gegeben, da sie aber weder Engel- noch Holländisch, vielweniger mein weniges Latein verstehen konien, und mit zerstückten Dentschen nicht zufrieden seyn wolten, legte ich mich auf die Streu nieder, und zwar an die Seite eines Menschen, wel- chen der Wirth vor einen bettlenden Studenten ausgab, blieb auch bey ihm liegen, ohngeacht mir der gute Wirth nachhero, unter d[em] Vorwande, daß ich allhier voller Ungeziefer werden würde, eine andere Stelle anwiese.
Jch hatte die Thorheit begangen, verschiedene Gold-Stücke aus meinem Beutel sehen zu lassen, jedoch selbige nachhero so wol als mein übriges Geld um den Leib herum wol verwahret, meinen Mantel-Sack unter den Kopff, Pistolen und De- gen aber neben mich gelegt. Allein dergleichen Vor- sicht war in so weit vergeblich, da ich in einen solchen tieffen Schlaff verfalle, der, wo es GOTT nicht sonderlich verhütet, mich in den Todes-Schlaff ver- senckt hätte. Denn kaum zwey Stunden nach mei-
nem
von vielem Regen ziemlich erkaͤlteter Leib, ſehnete ſich nach einer warmen Stube, derowegen pochte an, bat die heraus guckenden Leute um ein Nacht-Quar- tier, und wurde von ihnen aufs freundlichſte empfan- gen. Der ſich angebende Wirth fuͤhrete mein Pferd in einen Stall, brachte meinen blauen Mantel-Sack in die Stube, ließ dieſelbe warm machen, daß ich meine naſſen Kleider trocknen moͤchte, und ſetzte mir einige, eben nicht unappetitliche Speiſen fuͤr, die mein hungeriger Magen mit groͤſter Begierde zu ſich nahm. Nachhero haͤtte mich zwar gern mit drey anweſenden anſehnlichen Manns-Perſonen ins Geſpraͤche gegeben, da ſie aber weder Engel- noch Hollaͤndiſch, vielweniger mein weniges Latein verſtehen konien, und mit zerſtuͤckten Dentſchen nicht zufrieden ſeyn wolten, legte ich mich auf die Streu nieder, und zwar an die Seite eines Menſchen, wel- chen der Wirth vor einen bettlenden Studenten ausgab, blieb auch bey ihm liegen, ohngeacht mir der gute Wirth nachhero, unter d[em] Vorwande, daß ich allhier voller Ungeziefer werden wuͤrde, eine andere Stelle anwieſe.
Jch hatte die Thorheit begangen, verſchiedene Gold-Stuͤcke aus meinem Beutel ſehen zu laſſen, jedoch ſelbige nachhero ſo wol als mein uͤbriges Geld um den Leib herum wol verwahret, meinen Mantel-Sack unter den Kopff, Piſtolen und De- gen aber neben mich gelegt. Allein dergleichen Vor- ſicht war in ſo weit vergeblich, da ich in einen ſolchen tieffen Schlaff verfalle, der, wo es GOTT nicht ſonderlich verhuͤtet, mich in den Todes-Schlaff ver- ſenckt haͤtte. Denn kaum zwey Stunden nach mei-
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von vielem Regen ziemlich erkaͤlteter Leib, ſehnete ſich
nach einer warmen Stube, derowegen pochte an,
bat die heraus guckenden Leute um ein Nacht-Quar-
tier, und wurde von ihnen aufs freundlichſte empfan-
gen. Der ſich angebende Wirth fuͤhrete mein Pferd
in einen Stall, brachte meinen blauen Mantel-Sack
in die Stube, ließ dieſelbe warm machen, daß ich
meine naſſen Kleider trocknen moͤchte, und ſetzte mir
einige, eben nicht unappetitliche Speiſen fuͤr, die
mein hungeriger Magen mit groͤſter Begierde zu
ſich nahm. Nachhero haͤtte mich zwar gern mit
drey anweſenden anſehnlichen Manns-Perſonen
ins Geſpraͤche gegeben, da ſie aber weder Engel-
noch Hollaͤndiſch, vielweniger mein weniges Latein
verſtehen konien, und mit zerſtuͤckten Dentſchen nicht
zufrieden ſeyn wolten, legte ich mich auf die Streu
nieder, und zwar an die Seite eines Menſchen, wel-
chen der Wirth vor einen bettlenden Studenten
ausgab, blieb auch bey ihm liegen, ohngeacht mir
der gute Wirth nachhero, unter dem Vorwande,
daß ich allhier voller Ungeziefer werden wuͤrde, eine
andere Stelle anwieſe.
Jch hatte die Thorheit begangen, verſchiedene
Gold-Stuͤcke aus meinem Beutel ſehen zu laſſen,
jedoch ſelbige nachhero ſo wol als mein uͤbriges
Geld um den Leib herum wol verwahret, meinen
Mantel-Sack unter den Kopff, Piſtolen und De-
gen aber neben mich gelegt. Allein dergleichen Vor-
ſicht war in ſo weit vergeblich, da ich in einen ſolchen
tieffen Schlaff verfalle, der, wo es GOTT nicht
ſonderlich verhuͤtet, mich in den Todes-Schlaff ver-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage folgte schon 1732. Zum Zeitpunkt der Digitalisierung stand nur die dritte Auflage von 1740 zur Verfügung. (Link zur Erstausgabe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-459276)
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/365>, abgerufen am 21.11.2024.
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