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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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ob ihr nach wieder erlangter Gesundheit meine ge-
treue Liebe mit völliger Gegen-Liebe belohnen wol-
let? Jch stelle, gab ich hierauf zur Antwort, meine
Ehre, zeitliches Glück und alles was an mir ist, in eu-
re Hände, glaubet demnach, daß ich als eine arme
Waise euch gäntzlich eigen bin, und machet mit mir,
was ihr bey GOtt, eurem guten Gewissen, und der
ehrbaren Welt verantworten könnet. Uber diese
Erklärung zeigte sich Ambrosius dermassen ver-
gnügt, daß er fast kein Wort vorzubringen wuste,
jedoch erkühnete er sich einen feurigen Kuß auf meine
Lippen zu drücken, und weiln dieses der erste war,
den ich meines wissens von einer Manns-Person
auf meinen Mund empfangen, gieng es ohne son-
derbare Beschämung nicht ab, jedoch nachdem er mir
seine beständige Treue aufs heiligste zugeschwohren
hatte, konte ich ihm nicht verwehren, dergleichen auf
meinen blassen Wangen, Lippen und Händen noch
öffter zu wiederholen. Wir brachten also fast ei-
nen halben Tag mit den treuhertzigsten Gesprächen
hin, und endlich geglückte es mir ihn zu bereden, daß
er gleich Morgendes Tages die Reise nach Spani-
en vornahm, nachdem er von mir den allerzärtlich-
sten Abschied genommen, 1000. Stück Ducaten zu
meiner Verpflegung zurück gelassen, und sonsten mei-
netwegen die eiffriaste Sorgfalt vorgekehret hatte.

Etwa einen Monat nach meines werthen Am-
brosii
Abreise brach das Geschwür in meinem Leibe,
welches sich des Artzts, und meiner eigenen Meynung
nach, am Magen und Zwerchfell angesetzt hatte, in
der Nacht plötzlich auf, weßwegen etliche Tage

nach
C c

ob ihr nach wieder erlangter Geſundheit meine ge-
treue Liebe mit voͤlliger Gegen-Liebe belohnen wol-
let? Jch ſtelle, gab ich hierauf zur Antwort, meine
Ehre, zeitliches Gluͤck und alles was an mir iſt, in eu-
re Haͤnde, glaubet demnach, daß ich als eine arme
Waiſe euch gaͤntzlich eigen bin, und machet mit mir,
was ihr bey GOtt, eurem guten Gewiſſen, und der
ehrbaren Welt verantworten koͤnnet. Uber dieſe
Erklaͤrung zeigte ſich Ambroſius dermaſſen ver-
gnuͤgt, daß er faſt kein Wort vorzubringen wuſte,
jedoch erkuͤhnete er ſich einen feurigen Kuß auf meine
Lippen zu druͤcken, und weiln dieſes der erſte war,
den ich meines wiſſens von einer Manns-Perſon
auf meinen Mund empfangen, gieng es ohne ſon-
derbare Beſchaͤmung nicht ab, jedoch nachdem er mir
ſeine beſtaͤndige Treue aufs heiligſte zugeſchwohren
hatte, konte ich ihm nicht verwehren, dergleichen auf
meinen blaſſen Wangen, Lippen und Haͤnden noch
oͤffter zu wiederholen. Wir brachten alſo faſt ei-
nen halben Tag mit den treuhertzigſten Geſpraͤchen
hin, und endlich gegluͤckte es mir ihn zu bereden, daß
er gleich Morgendes Tages die Reiſe nach Spani-
en vornahm, nachdem er von mir den allerzaͤrtlich-
ſten Abſchied genommen, 1000. Stuͤck Ducaten zu
meiner Verpflegung zuruͤck gelaſſen, und ſonſten mei-
netwegen die eiffriaſte Sorgfalt vorgekehret hatte.

Etwa einen Monat nach meines werthen Am-
broſii
Abreiſe brach das Geſchwuͤr in meinem Leibe,
welches ſich des Artzts, und meiner eigenen Meynung
nach, am Magen und Zwerchfell angeſetzt hatte, in
der Nacht ploͤtzlich auf, weßwegen etliche Tage

nach
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[401/0415] ob ihr nach wieder erlangter Geſundheit meine ge- treue Liebe mit voͤlliger Gegen-Liebe belohnen wol- let? Jch ſtelle, gab ich hierauf zur Antwort, meine Ehre, zeitliches Gluͤck und alles was an mir iſt, in eu- re Haͤnde, glaubet demnach, daß ich als eine arme Waiſe euch gaͤntzlich eigen bin, und machet mit mir, was ihr bey GOtt, eurem guten Gewiſſen, und der ehrbaren Welt verantworten koͤnnet. Uber dieſe Erklaͤrung zeigte ſich Ambroſius dermaſſen ver- gnuͤgt, daß er faſt kein Wort vorzubringen wuſte, jedoch erkuͤhnete er ſich einen feurigen Kuß auf meine Lippen zu druͤcken, und weiln dieſes der erſte war, den ich meines wiſſens von einer Manns-Perſon auf meinen Mund empfangen, gieng es ohne ſon- derbare Beſchaͤmung nicht ab, jedoch nachdem er mir ſeine beſtaͤndige Treue aufs heiligſte zugeſchwohren hatte, konte ich ihm nicht verwehren, dergleichen auf meinen blaſſen Wangen, Lippen und Haͤnden noch oͤffter zu wiederholen. Wir brachten alſo faſt ei- nen halben Tag mit den treuhertzigſten Geſpraͤchen hin, und endlich gegluͤckte es mir ihn zu bereden, daß er gleich Morgendes Tages die Reiſe nach Spani- en vornahm, nachdem er von mir den allerzaͤrtlich- ſten Abſchied genommen, 1000. Stuͤck Ducaten zu meiner Verpflegung zuruͤck gelaſſen, und ſonſten mei- netwegen die eiffriaſte Sorgfalt vorgekehret hatte. Etwa einen Monat nach meines werthen Am- broſii Abreiſe brach das Geſchwuͤr in meinem Leibe, welches ſich des Artzts, und meiner eigenen Meynung nach, am Magen und Zwerchfell angeſetzt hatte, in der Nacht ploͤtzlich auf, weßwegen etliche Tage nach C c

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/415>, abgerufen am 24.11.2024.