O du barmhertziger GOtt! rief ich aus, wie kanst du zugeben, daß sich alle ängstlichen Umstände mit der Boßheit der Menschen vereinigen müssen, einer höchst unschuldigen armen Wayse Unglück zu beför- dern. O ihr Richter, schrye ich, übereilet euch nicht zu meinem Verderben, sondern höret mich an, auf daß euch GOtt wirderum höre. Hiermit erzehlete ich ih- nen meinen von Kindes Beinen an geführten Jam- mer-Stand deutlich genung, allein da es zum Ende kam, hatte ich tauben Ohren geprediget und sonsten kein ander Lob davon, als daß ich eine sehr gewitzigte Metze und gute Rednerin sey, dem allen ohngeacht a- ber solte ich mir nur keine Hoffnung machen sie zu verwirren, sondern nur bey Zeiten mein Verbrechen in der Güte gestehen, widrigenfalls würde ehester Ta- ge Anstalt zu meiner Tortur gemacht werden. Die- ses war der Bescheid, welchen mir die allzuernsthaff- ten Inquisiteurs hinterliessen, ich armes von der Welt verlassenes Mägdlein wuste mir weder zu helf- fen noch zu rathen, zumahlen, da ich von neuen in ein solches hitziges Fieber verfiel, welches meinen Ver- stand bis in die 4te Woche gantz verrückte. So bald mich aber durch die gereichten guten Artzeneyen nur in etwas wiederum erholet hatte, verhöreten mich die Inquisiteurs aufs neue, bekamen aber, Seiten mei- ner, keine andere Erklärung als vormahls, weßwe- gen sie mir noch drey Tage Bedenck-Zeit gaben, nach deren Verlauff aber in Gesellschafft des Scharff- Richters erschienen, der sein peinliches Werckzeug vor meine Augen legte, und mit grimmigen Ge- bärden sagte: Daß er mich in kurtzer Zeit zur
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O du barmhertziger GOtt! rief ich aus, wie kanſt du zugeben, daß ſich alle aͤngſtlichen Umſtaͤnde mit der Boßheit der Menſchen vereinigen muͤſſen, einer hoͤchſt unſchuldigen armen Wayſe Ungluͤck zu befoͤr- dern. O ihr Richter, ſchrye ich, uͤbereilet euch nicht zu meinem Verderben, ſondern hoͤret mich an, auf daß euch GOtt wirderum hoͤre. Hiermit erzehlete ich ih- nen meinen von Kindes Beinen an gefuͤhrten Jam- mer-Stand deutlich genung, allein da es zum Ende kam, hatte ich tauben Ohren geprediget und ſonſten kein ander Lob davon, als daß ich eine ſehr gewitzigte Metze und gute Rednerin ſey, dem allen ohngeacht a- ber ſolte ich mir nur keine Hoffnung machen ſie zu verwirren, ſondern nur bey Zeiten mein Verbrechen in der Guͤte geſtehen, widrigenfalls wuͤrde eheſter Ta- ge Anſtalt zu meiner Tortur gemacht werden. Die- ſes war der Beſcheid, welchen mir die allzuernſthaff- ten Inquiſiteurs hinterlieſſen, ich armes von der Welt verlaſſenes Maͤgdlein wuſte mir weder zu helf- fen noch zu rathen, zumahlen, da ich von neuen in ein ſolches hitziges Fieber verfiel, welches meinen Ver- ſtand bis in die 4te Woche gantz verruͤckte. So bald mich aber durch die gereichten guten Artzeneyen nur in etwas wiederum erholet hatte, verhoͤreten mich die Inquiſiteurs aufs neue, bekamen aber, Seiten mei- ner, keine andere Erklaͤrung als vormahls, weßwe- gen ſie mir noch drey Tage Bedenck-Zeit gaben, nach deren Verlauff aber in Geſellſchafft des Scharff- Richters erſchienen, der ſein peinliches Werckzeug vor meine Augen legte, und mit grimmigen Ge- baͤrden ſagte: Daß er mich in kurtzer Zeit zur
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O du barmhertziger GOtt! rief ich aus, wie kanſt
du zugeben, daß ſich alle aͤngſtlichen Umſtaͤnde mit
der Boßheit der Menſchen vereinigen muͤſſen, einer
hoͤchſt unſchuldigen armen Wayſe Ungluͤck zu befoͤr-
dern. O ihr Richter, ſchrye ich, uͤbereilet euch nicht zu
meinem Verderben, ſondern hoͤret mich an, auf daß
euch GOtt wirderum hoͤre. Hiermit erzehlete ich ih-
nen meinen von Kindes Beinen an gefuͤhrten Jam-
mer-Stand deutlich genung, allein da es zum Ende
kam, hatte ich tauben Ohren geprediget und ſonſten
kein ander Lob davon, als daß ich eine ſehr gewitzigte
Metze und gute Rednerin ſey, dem allen ohngeacht a-
ber ſolte ich mir nur keine Hoffnung machen ſie zu
verwirren, ſondern nur bey Zeiten mein Verbrechen
in der Guͤte geſtehen, widrigenfalls wuͤrde eheſter Ta-
ge Anſtalt zu meiner Tortur gemacht werden. Die-
ſes war der Beſcheid, welchen mir die allzuernſthaff-
ten Inquiſiteurs hinterlieſſen, ich armes von der
Welt verlaſſenes Maͤgdlein wuſte mir weder zu helf-
fen noch zu rathen, zumahlen, da ich von neuen in ein
ſolches hitziges Fieber verfiel, welches meinen Ver-
ſtand bis in die 4te Woche gantz verruͤckte. So bald
mich aber durch die gereichten guten Artzeneyen nur
in etwas wiederum erholet hatte, verhoͤreten mich die
Inquiſiteurs aufs neue, bekamen aber, Seiten mei-
ner, keine andere Erklaͤrung als vormahls, weßwe-
gen ſie mir noch drey Tage Bedenck-Zeit gaben, nach
deren Verlauff aber in Geſellſchafft des Scharff-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage folgte schon 1732. Zum Zeitpunkt der Digitalisierung stand nur die dritte Auflage von 1740 zur Verfügung. (Link zur Erstausgabe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-459276)
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/418>, abgerufen am 24.11.2024.
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