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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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bessern Bekänntniß meiner Boßheiten bringen
wolle.

Bey dem Anblicke so gestallter Sachen verän-
derte sich meine gantze Natur dergestalt, daß ich auf
einmahl Lust bekam, ehe tausendmahl den Tod, als
dergleichen Pein zu erleiden, demnach sprach ich mit
gröster Hertzhafftigkeit dieses zu meinen Richtern:
Wohlan! ich spüre, daß ich meines zeitlichen Glücks,
Ehre und Lebens wegen, von GOTT und aller
Welt verlassen bin, auch der schmählichen Tortur
auf keine andere Art entgehen kan, als wenn ich al-
les dasjenige, was ihr an mir sucht, eingestehe, und
verrichtet zu haben auf mich nehme, derowegen ver-
schonet mich nur mit unnöthiger Marter, und erfra-
get von mir was euch beliebet, so will ich euch nach
euren Belieben antworten, es mag mir nun zu mei-
nem zeitlichen Glück und Leben nützlich oder schäd-
lich seyn. Hierauf thaten sie eine klägliche Ermah-
nung an mich, GOtte, wie auch der Obrigkeit ein
wahrhafftiges Bekänntniß abzustatten, und fiengen
an, mir mehr als 30. Fragen vorzulegen, allein so
bald ich nur ein oder andere mit guten Gewissen und
der Wahrheit nach verneinen, und etwas gewisses
zu meiner Entschuldigung vorbringen wolte, wurde
alsobald der Scharff-Richter mit seinen Marter-
Instrumenten näher zu treten ermahnet, weßwegen
ich aus Angst augenblicklich meinen Sinn änderte
und so antwortete, wie es meine Inquisiteurs gerne
hören und haben wolten. Kurtz zu melden, es kam
so viel heraus, daß ich das mir unbekannte halb ver-
faulte Kind von Ambrofio empfangen, zur Welt
gebohren, selbst ermordet, und solches durch meine

Wart-
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beſſern Bekaͤnntniß meiner Boßheiten bringen
wolle.

Bey dem Anblicke ſo geſtallter Sachen veraͤn-
derte ſich meine gantze Natur dergeſtalt, daß ich auf
einmahl Luſt bekam, ehe tauſendmahl den Tod, als
dergleichen Pein zu erleiden, demnach ſprach ich mit
groͤſter Hertzhafftigkeit dieſes zu meinen Richtern:
Wohlan! ich ſpuͤre, daß ich meines zeitlichen Gluͤcks,
Ehre und Lebens wegen, von GOTT und aller
Welt verlaſſen bin, auch der ſchmaͤhlichen Tortur
auf keine andere Art entgehen kan, als wenn ich al-
les dasjenige, was ihr an mir ſucht, eingeſtehe, und
verrichtet zu haben auf mich nehme, derowegen ver-
ſchonet mich nur mit unnoͤthiger Marter, und erfra-
get von mir was euch beliebet, ſo will ich euch nach
euren Belieben antworten, es mag mir nun zu mei-
nem zeitlichen Gluͤck und Leben nuͤtzlich oder ſchaͤd-
lich ſeyn. Hierauf thaten ſie eine klaͤgliche Ermah-
nung an mich, GOtte, wie auch der Obrigkeit ein
wahrhafftiges Bekaͤnntniß abzuſtatten, und fiengen
an, mir mehr als 30. Fragen vorzulegen, allein ſo
bald ich nur ein oder andere mit guten Gewiſſen und
der Wahrheit nach verneinen, und etwas gewiſſes
zu meiner Entſchuldigung vorbringen wolte, wurde
alſobald der Scharff-Richter mit ſeinen Marter-
Inſtrumenten naͤher zu treten ermahnet, weßwegen
ich aus Angſt augenblicklich meinen Sinn aͤnderte
und ſo antwortete, wie es meine Inquiſiteurs gerne
hoͤren und haben wolten. Kurtz zu melden, es kam
ſo viel heraus, daß ich das mir unbekannte halb ver-
faulte Kind von Ambrofio empfangen, zur Welt
gebohren, ſelbſt ermordet, und ſolches durch meine

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[405/0419] beſſern Bekaͤnntniß meiner Boßheiten bringen wolle. Bey dem Anblicke ſo geſtallter Sachen veraͤn- derte ſich meine gantze Natur dergeſtalt, daß ich auf einmahl Luſt bekam, ehe tauſendmahl den Tod, als dergleichen Pein zu erleiden, demnach ſprach ich mit groͤſter Hertzhafftigkeit dieſes zu meinen Richtern: Wohlan! ich ſpuͤre, daß ich meines zeitlichen Gluͤcks, Ehre und Lebens wegen, von GOTT und aller Welt verlaſſen bin, auch der ſchmaͤhlichen Tortur auf keine andere Art entgehen kan, als wenn ich al- les dasjenige, was ihr an mir ſucht, eingeſtehe, und verrichtet zu haben auf mich nehme, derowegen ver- ſchonet mich nur mit unnoͤthiger Marter, und erfra- get von mir was euch beliebet, ſo will ich euch nach euren Belieben antworten, es mag mir nun zu mei- nem zeitlichen Gluͤck und Leben nuͤtzlich oder ſchaͤd- lich ſeyn. Hierauf thaten ſie eine klaͤgliche Ermah- nung an mich, GOtte, wie auch der Obrigkeit ein wahrhafftiges Bekaͤnntniß abzuſtatten, und fiengen an, mir mehr als 30. Fragen vorzulegen, allein ſo bald ich nur ein oder andere mit guten Gewiſſen und der Wahrheit nach verneinen, und etwas gewiſſes zu meiner Entſchuldigung vorbringen wolte, wurde alſobald der Scharff-Richter mit ſeinen Marter- Inſtrumenten naͤher zu treten ermahnet, weßwegen ich aus Angſt augenblicklich meinen Sinn aͤnderte und ſo antwortete, wie es meine Inquiſiteurs gerne hoͤren und haben wolten. Kurtz zu melden, es kam ſo viel heraus, daß ich das mir unbekannte halb ver- faulte Kind von Ambrofio empfangen, zur Welt gebohren, ſelbſt ermordet, und ſolches durch meine Wart- C c 3

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/419>, abgerufen am 16.06.2024.